Kreislaufwirtschaft für Technologiemetalle
H.C. Starck und Mitsubishi Materials treiben Recycling sekundärer Rohstoffe voran
Zur H. C. Starck-Gruppe, die von 1986 bis 2007 Teil des Bayer-Konzerns war, gehören inzwischen neben dem Wolframhersteller H. C. Starck Tungsten wieder der Analytikspezialist Chemilytics sowie Chemitas, Betreiber des Metallurgie-Parks Oker am Hauptsitz Goslar. Hady Seyeda, CEO der H. C. Starck-Gruppe, erläutert die Strategie zur Entwicklung des Unternehmens unter dem neuen Eigentümer und beleuchtet die Situation auf den Rohstoffmärkten. Die Fragen stellte Michael Reubold.
CHEManager: H.C. Starck ist jetzt Teil von Mitsubishi Materials. Was ändert sich durch den Eigentümerwechsel, was erwarten Sie von dem neuen japanischen Eigentümer?
Hady Seyeda: Die Mitsubishi Materials Corporation ist ein strategischer Eigentümer, seit vielen Jahren im Metallsektor tätig und daher – nicht zuletzt auch als Kunde unserer Wolframpulver – mit unserem Geschäftsmodell und unseren Märkten sehr gut vertraut. Der Konzern verfolgt das übergreifende Ziel, eine Kreislaufwirtschaft für wertvolle Rohstoffe aufzubauen, was hervorragend zu unserer eigenen Philosophie passt. Wir sehen daher vielversprechende Möglichkeiten für Synergien und gemeinsames Wachstum. Im Unterschied zu unserem vorherigen Eigentümer Masan, dessen eigentliches Kerngeschäft im Konsumgüterbereich liegt, bietet die Übernahme durch MMC Chancen für eine deutlich stärkere strukturelle und organisatorische Integration.
Kennen Sie bereits die Pläne, wie H.C. Starck künftig als Teil von MMC agieren wird?
H. Seyeda: Wir erarbeiten derzeit in einem gemeinsamen Projekt zur Post-Merger-Integration strukturelle und operative Details. Dabei spielen zwei Ebenen eine besonders wichtige Rolle. Zum einen ist H.C. Starck mit Produktionsstandorten in Deutschland, Nordamerika und China sowie einem weltweiten Vertriebsnetzwerk global präsent, während die wolframverarbeitende MMC-Tochter Japan New Metals im japanischen Heimatmarkt eine starke Position einnimmt. Auch die Produktportfolios und die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten ergänzen sich hervorragend. In dieser Kombination können wir erhebliche Synergien und Wachstumspotenziale realisieren.
Zum anderen treibt MMC im Sinne der Kreislaufwirtschaft die Rückgewinnung von Sekundärrohstoffen massiv voran. Hier können wir, neben dem Wolframrecycling, unsere Erfahrung und Expertise mit anspruchsvollen Recyclingprozessen generell einbringen, zum Beispiel im Bereich Batterieschwarzmasse.
Ihr Hauptgeschäft sind Wolfram und Wolframprodukte. Wo werden diese eingesetzt, und wie entwickeln sich die Hauptabnehmermärkte für Ihre Produkte?
H. Seyeda: Unsere hochreinen, häufig kundenspezifischen Wolfram- und Wolframcarbidpulver spielen in den unterschiedlichsten Industrien eine Rolle, von Bohr- und Schneidewerkzeugen über den Flugzeug- und Fahrzeugbau bis zu militärischen Anwendungen. Die traditionell eher stabilen Marktbedingungen sind in den letzten Jahren deutlich volatiler geworden. Ein Beispiel ist die Transformation hin zur Elektromobilität im Automobilsektor. Dadurch sinkt einerseits die Anzahl an Verbrennermotoren, für deren Herstellung man zum Beispiel wolframbasierte Schneidwerkzeuge benötigt. Andererseits muss für die Elektromobilität die entsprechende Infrastruktur aufgebaut werden, und dafür sind ebenfalls wolframbasierte Werkzeuge notwendig.
Was sind Innovations- und Wachstumstreiber für Ihr Geschäft und wo sehen Sie neue Märkte oder Anwendungen für Wolfram und seine Verbindungen?
H. Seyeda: Wolfram kann seine einzigartige Kombination von Eigenschaften – sehr hohe Dichte und Schmelzpunkt des Metalls, im Wolframcarbid noch mit einer diamantähnlichen Härte verbunden – in vielen, immer wieder auch ganz neuen Anwendungen ausspielen. Ein wesentliches Ziel unserer Forschung und Entwicklung besteht darin, solche Optionen zu erschließen.
Innovative, wolframbasierte Anodenmaterialien können beispielsweise die Ladegeschwindigkeit und Leistungsfähigkeit von Lithium-Ionen-Batterien deutlich erhöhen – das beweist unter anderem das Start-up Nyobolt, an dem wir unter Masan beteiligt waren und das wir weiterhin beliefern. Auch im 3D-Druck, einem weiteren dynamischen Wachstumsmarkt, gibt es spannende Einsatzmöglichkeiten.
H. C. Starck beliefert auch Mitsubishi Materials bereits seit Jahren mit Wolframprodukten. Erwarten Sie Synergien aus der Vorwärtsintegration in die MMC-Wertschöpfungsketten?
H. Seyeda: Ich denke, dass sich strukturelle und organisatorische Synergien primär zwischen H.C. Starck und Japan New Metals ergeben werden. Die Vorwärtsintegration mit der MMC-Werkzeugsparte ist dennoch wichtig, weil sie unsere eigene Absatzplanung und seitens MMC die Rohstoffversorgung stabilisiert. Dabei bleibt aufgrund unserer Kapazitäten die Lieferfähigkeit gegenüber anderen Kunden vollständig erhalten.
Wie positionieren Sie sich künftig gemeinsam mit MMC im Markt? Sehen Sie Chancen für eine Weiterentwicklung Ihres Portfolios im Rahmen der übergreifenden Strategie?
H. Seyeda: Absolut. Japan New Metals produziert beispielsweise eine hochreine Wolframpulver-Variante für die Elektronikindustrie, die unsere bisherige Angebotspalette ergänzt, und weitere interessante Stoffe wie Heteropolysäuren, Sondercarbide, Molybdänpulver, Silizide, Boride und Nitride. Vieles davon wurde historisch auch in der H. C. Starck-Gruppe erforscht oder hergestellt. Wir verfügen also über ein gutes Verständnis dieser Produkte, die wir jetzt über unser weltweites Vertriebsnetzwerk an deutlich größere Zielsegmente vermarkten können.
Wie stellen sich derzeit die Beschaffungsmärkte für Ihre Rohstoffe dar? Woher beziehen Sie Ihre Rohstoffe, und werden Sie künftig beim Sourcing mit Mitsubishi kooperieren?
H. Seyeda: Wir gewinnen weltweit rund 60 % des Wolframs, das wir verarbeiten, aus dem Recycling von Metallschrotten. Dieser Anteil soll absehbar weiter steigen, auch durch die Einbindung in die MMC-Gruppe. Mitsubishi Materials betreibt in Europa mit der Plattform „E-Scrap“ bereits ein Sammelsystem für Elektronikschrott, der in Teilen auch wolframhaltig ist. Was den verbleibenden Bedarf an Primärrohstoffen betrifft, so hat MMC im Zuge der Übernahme die bestehende Liefervereinbarung mit Masan verlängert. Eine stabile Versorgung mit konfliktfreiem Wolfram ist also auch hier sichergestellt.
Mitsubishi Materials setzt als Hersteller metallbasierter Hochleistungsmaterialien zunehmend auf das Recycling und den Einsatz sekundärer Rohstoffe. Ergänzen sich die Recyclingaktivitäten und -pläne beider Unternehmen?
H. Seyeda: Unsere eigenen Recyclingaktivitäten sind in Goslar gebündelt. Japan New Metals recycelt am Standort Akita im Norden Japans ebenfalls Wolfram. In dieser Kombination bieten wir die weltweit größten Kapazitäten zur Rückgewinnung von Wolfram an.
MMC hat sich generell die Entwicklung einer Kreislaufwirtschaft für wertvolle Metalle auf die Fahne geschrieben. Die europäische Gesellschaft Mitsubishi Materials Europe, die formell die Anteile an H.C. Starck von Masan erworben hat, wurde eigens zu diesem Zweck gegründet. Es gibt eine Zusage, auch unsere eigenen Recyclingaktivitäten auszubauen; in welcher Form genau, wird derzeit diskutiert.
Wie beurteilen Sie Deutschland als Hauptstandort für Ihre Aktivitäten, was sind die Vorteile des Standorts und wo drückt Sie der Schuh?
H. Seyeda: Die ausgesprochen schwierigen Rahmenbedingungen in Deutschland sind hinreichend bekannt: Hohe Energiekosten, hohe Personalkosten, hohe Steuer- und Abgabenlast, darbende Infrastruktur und überbordende Bürokratie sollen hier als Schlagworte genügen.
Wir sind in dieser Verfassung auf vielen Gebieten einfach nicht mehr wettbewerbsfähig. Die neue Bundesregierung hat nun die Chance und meiner Ansicht nach auch die Pflicht, auf diesen Feldern schnell und entschlossen deutliche Verbesserungen umzusetzen. Dann könnten wir auch die traditionellen Stärken wie ein hohes Ausbildungsniveau, Forschungs- und Entwicklungskompetenz oder Qualitätsstandards wieder ausspielen. Ich sage aber ganz offen: Ein weiteres Zögern kann sich Deutschland nicht leisten.
ZUR PERSON
Hady Seyeda promovierte 1997 in anorganischer Chemie an der Universität Bonn und erwarb parallel Grundlagen in Wirtschaftswissenschaften an der Fernuniversität Hagen. Er begann seine Berufskarriere im Januar 1998 als Laborleiter bei H. C. Starck, damals noch eine Tochter von Bayer. Nach Führungspositionen u. a. als Geschäftsführer der chinesischen Niederlassung, VP Corporate Strategy und VP Operations Tungsten wechselte er 2013 zum Folienspezialisten Treofan, wo er kurz darauf COO wurde. Im Juni 2016 kehrte Seyeda als COO zurück zum mittlerweile eigenständigen Unternehmen H. C. Starck Tungsten, dessen CEO er Ende 2018 wurde. Von April 2021 bis Dezember 2024 war er zusätzlich stellvertretender CEO des damaligen Mutterkonzerns Masan High-Tech Materials. Seit der Übernahme durch Mitsubishi Materials ist Seyeda CEO der wiedervereinigten H. C. Starck-Gruppe.
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Im Schleeke 78-91
38642 Goslar
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