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Kreislaufwirtschaft aktuell - Chemie, Technologie, Ökonomie

17.05.2021 - Netzwerkveranstaltung der Vereinigung für Chemie und Wirtschaft (VCW) in der GDCh und des Kunststoff-Instituts für die mittelständische Wirtschaft NRW (KIMW) Lüdenscheid.

Geschäftsmodelle auf der Welt verändern sich: Dinge, die wir heute nutzen, sind morgen Rohstoffe, Entsorger werden zu Lieferanten. Das, was unter dem Begriff „Kreislaufwirtschaft“ zusammengefasst wird, ist ein kultureller Wandel, der sich in technischen Entwicklungsprojekten manifestiert.

Produkte werden immer komplexer und die Ansprüche an die Wiederverwertungsindustrie wachsen enorm. Doch ohne ein hochwertiges Recycling und die dafür geeigneten Produkte können unsere gesellschaftlichen Anforderungen an eine Kreislaufwirtschaft nicht erreicht werden.

Bei einer Netzwerkveranstaltung der Vereinigung für Chemie und Wirtschaft (VCW) in der Gesellschaft Deutscher Chemiker und des Kunststoff-Instituts für die mittelständische Wirtschaft NRW GmbH (KIMW) Lüdenscheid diskutierten Experten aus Wirtschaft, Hochschulen und Behörden über die Wirkungen von Technologien in Kreisläufen von Kunststoffen, Verpackungen und Batterien.

„Man versteht nur die Dinge, an die man sich gewöhnt“, sagte der Fuchs zum kleinen Prinzen, „Die Menschen haben keine Zeit mehr, um etwas kennenzulernen.“

Die Entwicklung zu einer Kreislaufwirtschaft erfordert die Gewöhnung an neue Partnerschaften: Entsorger werden zu Lieferanten, staatliche Verwaltung wird zum Teil von Innovationsprozessen, Entsorger engagieren sich in der Kunststoff-Produktentwicklung. Weil so viele diese neuen Netzwerke kennen lernen wollten, war die Online-Veranstaltung von VCW und KIMW schon Tage vor Beginn ausgebucht.

Die Notwendigkeit zum Umsteuern formulierte Wolfgang Hübinger (BASF) auf Basis der Materialintensität menschlichen Lebens. Aus seiner Sicht sind drei Bedingen für einen Umbau der Chemie notwendig: Wettbewerb der Ideen auf Basis von Thermodynamik, Effizienz und Ausbeuten, Finanzierung der Mehrkosten im Wettbewerb durch die Gesellschaft, die die Ziele setzt, und neue Rohstoffquellen durch sortenreines Sortieren.

Modellrechnungen von Ökonomen und Ingenieuren des KIT zeigen, so Rebecca Volk, dass chemisches und mechanisches Recycling von Kunststoffen bezüglich CO2-Emissionen und Kosten gleich sind und die Kombination beider überlegen ist.

Chemisches Recycling ist Recycling im Sinne des Kreislaufwirtschaftsgesetz, so Julia Vogel vom Umweltbundesamt. In Deutschland gilt daneben das Verpackungsgesetz mit Priorität des werkstofflichen Recyclings, bei dem Abfall und Produkt „stoffgleich“ sein müssen. Die intensive Diskussion ergab, dass Europäische Vielfalt bei der Kreislaufwirtschaftsgesetzgebung Chancen bietet, neue Techniken zu erproben und mit dem UBA den Stand der Technik zu aktualisieren.

Die gesetzliche Ausweitung des Flaschenpfands gefährdet das hochwertige Recycling in Lebensmittelanwendungen existentiell. Nabila Rabanizada (Remondis) illustrierte ihre These am Beispiel der O2-Barriere in Saftflaschen (araliphatische Polyamide und SiO2-Nanoschichten), die Anlagen zunehmend kontaminierten. Für Überraschung sorgte das Problem unterschiedlicher PET-Qualitäten. Die Trennung ist viel schwieriger ist als die von PET und PP. Hohe PET-Qualität kann zwar wiederhergestellt werden, ist aber mit Thermolyse zu Spuren von Benzol und Acetaldehyd verbunden. Diese müssen entfernt werden. Die Tatsache, dass unterschiedliche Materialien leichter zu trennen sind als „stoffgleiche“, muss bei „design-for-recycling“ beachtet werden.

Getränkekartons sind Verbundwerkstoffe aus sehr unterschiedlichen Materialien, Aluminium, Papier und PE. Heike Schiffler (TetraPak) zeigte, wie in der Palurec-Demonstrationsanlage die Auftrennung gelingt.

Sauberkeit der Umwelt ist der wichtigste Treiber für Abfallpolitik. Papierspritzguss ist hier über die Bioabbaubarkeit eine Chance. Sortieranlagen müssten lernen, so Uwe Kolshorn (KIMW), solche Thermoplaste zu erkennen, um den Kreislauf über Kompostierung zu schließen.

Im Carboliq-Verfahren von Recenso werden Polymere durch Reibung depolymerisiert. Nach Verarbeitung von Resten aus der Kunststoffsortierung (inkl. PVC, Matratzen, Holz) mit dem Verfahren ist das Produkt über REACh-PPORD definiert und damit juristisch kein Abfall mehr. So scheint das Verfahren geeignet, eine Rolle in der vom KIT skizzierten mechanisch-chemischen Zusammenarbeit zu spielen. Die Lehre aus der Entwicklung des Prozesses fasste Nicole Karpensky so zusammen:

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Hübinger hatte darauf hingewiesen, dass global die Flächen nicht ausreichen, um die fossile Chemie auf nachwachsende Rohstoffe umzustellen. Manfred Kircher (KADIB) und Thomas Bayer (Infraserv) zeigten allerdings mit den Projekten BioBall bzw. ICO2Chem (Fischer-Tropsch-Chemie aus Biogas), welche Mengen an Biomasse die Abfallwirtschaft für (bio-)chemisches Recycling verfügbar machen kann.

Recycling von Batterien und Elektroschrott
Die Herausforderung einer zunehmenden Vielfalt von Stoffen wie beim Kunststoff deutet sich auch beim chemisch-metallurgischen Recycling von Batterien an. Schon Hübinger hatte gezeigt, wie exponentiell die Zahl der verschiedenen chemischen Elemente steigt, die der Mensch gewerblich nutzt.

Durch „urban mining“ können aus Elektroaltgeräten pro Tonne mehr als 20-fach höhere Metallgehalte als im Bergbau erhalten werden, so Christian Hagelüken (Umicore). Dabei können durch hochwertiges Recycling wertvolle Metalle quasi unendlich rezykliert und Schadstoffe ausgeschleust werden – jedoch schließen nur wettbewerbsfähige Recyclate den Kreis.

Batterie-Recycling steht vor der Herausforderung, dass viele verschiedene recyclierbare Materialien getrennt werden müssen, jedoch heute nur geringe Stückzahlen zur Verfügung stehen. Von schadhaften und strapazierten Batterien gehen erhebliche Risiken aus - an der Stelle treffen sich die Interessen von Batterie- und Kunststoffrecycling, das sehr unter Batteriefehlwürfen leidet. Drei heute verfügbare Methoden des Batterierecyclings wurden durch Sascha Nowak (MEET) vorgestellt. Die Herausforderung ist die schnelle Entwicklung neuer Batterietechnologien, denen die Verwertungstechnologie folgen muss.

Rolf Albach, Vanessa Frettlöh, Mohamed Mahmoud und Christopher Zimbardi,
Vereinigung für Chemie und Wirtschaft (VCW), Frankfurt am Main
https://www.gdch.de/netzwerk-strukturen/fachstrukturen/vereinigung-fuer-chemie-und-wirtschaft.html

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