Investitionen in die Medizin der Zukunft
In Österreich ist das Zusammenspiel forschender Institute und Unternehmen sehr erfolgreich
Unternehmen, die hier an der Spitze mitspielen wollen, müssen hohe Ausgaben für Forschung und Entwicklung stemmen, werden von der öffentlichen Hand aber auch massiv unterstützt. In Österreich werden derzeit eine Reihe von Großprojekten realisiert, aber auch viele Start-ups gefördert.
In der Wiener Seestadt baut das japanische Unternehmen Takeda für einen dreistelligen Euro-Millionenbetrag ein technisch und ökologisch optimiertes Labor für seine biopharmazeutische Forschung. Takeda Wien ist eines der global größten plasmaverarbeitenden Werke und das F&E-Zentrum von Takeda für Plasma-Innovationen. Das „Labor der Zukunft“ soll mit rund 250 Forschenden ab 2026 die Entwicklung von innovativen Therapeutika fördern. Schwerpunkt werden biotechnologisch hergestellte Arzneimittel und Gentherapien sein. Wichtig ist ferner die Digitalisierung der Forschungs- und Entwicklungsarbeit. In Wien sollen alle Stufen einer Neuentwicklung durchlaufen werden: von der Entscheidung für ein potenzielles Produkt über die präklinischen und klinischen F&E-Arbeiten bis hin zur Zulassung. Die Herstellung von Biologika hat Takeda in Linz angesiedelt. Mit rund 100 Mio. EUR werden Standort und dortige Produktion bis 2025 langfristig gefestigt.
Das familiengeführte Unternehmen Octapharma aus der Schweiz ist in Österreich ebenfalls in Wien ansässig. Octapharma ist einer der größten Hersteller von Humanprotein-Produkten. In Wien entwickelt und produziert das Pharmaunternehmen Humanproteine aus Humanplasma und humanen Zelllinien. Weiter ist hier die präklinische Plasmaforschung angesiedelt. Ziele sind die Gewinnung von neuartigen, aus Plasma gewonnenen Produkten sowie die Feststellung neuer Anwendungsmöglichkeiten. Angesichts der steigenden Nachfrage soll in den kommenden Jahren der Standort mit insgesamt 200 Mio. EUR ausgebaut werden.
Das Gesundheitsunternehmen Fresenius Kabi mit Hauptsitz in Deutschland bleibt Graz treu und investiert in das dortige Werk seiner Tochter Fresenius Kabi Austria etwa 28 Mio. EUR. Die Finanzspritze dient der Fortentwicklung der Abfüllung und Qualitätskontrolle von Biosimilars. Zuvor waren in den letzten drei Jahren bereits über 60 Mio. EUR zur strategischen Erweiterung des Standorts investiert worden. Die Nachfrage nach biopharmazeutischen Arzneistoffen, die in der Onkologie und bei Autoimmunerkrankungen zum Einsatz kommen, steigt weltweit. Biosimilars, also eine Art Generika – jedoch nicht in Nachahmung von chemisch-synthetisch hergestellten Arzneimitteln, sondern von biotechnologisch produzierten Präparaten –, senken die Behandlungskosten und können so die Gesundheitssysteme entlasten. Das neue Labor wird auch Kooperationen und Bildung von Partnerschaften mit wissenschaftlichen Einrichtungen und Forschungsorganisationen dienen.
„Die personalisierte und die digitale Medizin gelten als die wichtigsten Trends der medizinischen Wissenschaft des 21. Jahrhunderts.“
Woher stammen die Investitionssummen?
In Österreich werden 2023 wohl rund 15,5 Mrd. EUR für F&E ausgeben, das sind 3,22 % des BIP. Vom staatlichen Sektor, also dem Bund, den Ländern und anderen Institutionen, kommen fast 5,1 Mrd. EUR. Die Hälfte aller F&E-Investitionen bringen Unternehmen auf – inkl. der sog. Forschungsprämie.
Österreich setzt auf eine Kombination von direkten Forschungsförderungsprogrammen, auch spezifisch für die Life-Sciences-Branche, und indirekter Förderung von in- wie ausländischen Unternehmen durch eine ungedeckelte steuerliche Prämie in Höhe von 14 %. Das Bundesministerium für Finanzen beziffert die Kosten für die Prämie für 2023 auf 1,1 Mrd. EUR.
2,6 Mrd. EUR sind dann noch Investitionen aus dem Ausland, vor allem von Unternehmen mit forschenden Tochterunternehmen in Österreich. Durch dieses System liegt Österreich im EU Innovation Scoreboard an dritter Stelle hinsichtlich der direkten und indirekten Förderungen für F&E in Unternehmen.
Aber auch die EU zeigt sich spendierfreudig. An der MedUni Wien und dem Campus AKH wird bis Ende 2026 in einem neuen Forschungsgebäude mit dem Eric Kandel Institut ein Zentrum für Präzisionsmedizin entstehen. Finanziert werden die Kosten in Höhe von rund 90 Mio. EUR mit Mitteln der Aufbau- und Resilienzfazilität (Recovery and Resilience Facility) der EU, die durch Spenden aufgestockt wurden.
„Der Forschungsstandort Österreich insgesamt entwickelt sich derzeit beeindruckend weiter.“
Ein Neubau für die Präzisionsmedizin in Wien
Die personalisierte und die digitale Medizin gelten als die wichtigsten Trends der medizinischen Wissenschaft des 21. Jahrhunderts. Grundlage der Präzisionsmedizin sind moderne Diagnostikmethoden wie die Genomsequenzierung oder die molekulare Bildgebung. Die durch Genetik und Umwelteinflüsse verursachte Einzigartigkeit jedes Menschen soll sich in für jeden einzelnen Patienten maßgeschneiderten Präventions-, Diagnose- und Therapiemethoden widerspiegeln.
In dem Zentrum sollen auf mehr als 6.000 m² Nutzfläche rund 200 Forschende arbeiten. Jeweils rund 500 m² sind für computergestützte Biomedizinprojekte, Technologieplattformen und eine Biobank vorgesehen. Das neue Zentrum folgt dem Konzept der translationalen Medizin „vom Labor zum Krankenbett und zurück ins Labor“. Neue Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung sollen so möglichst schnell bei den Patienten ankommen. Umgekehrt berücksichtigen die Forschenden der MedUni Wien die Erfahrungen und das Wissen aus der Patientenversorgung im AKH Wien bei der Forschung und Entwicklung von Diagnostika und Therapien.
Das Universitätsklinikum AKH Wien zählt zu den größten Krankenhäusern in Europa und steht in enger Kooperation mit der MedUni Wien, die mit 30 Universitätskliniken und ihren klinischen Instituten, medizintheoretischen Zentren und spezialisierten Laboratorien zu den bedeutendsten Forschungsinstitutionen Europas im biomedizinischen Bereich zählt.
Durch die räumliche Nähe und Kooperationen, auch mit der Industrie, können klinisch tätige Ärzte und Forschende leichter ihre Erkenntnisse austauschen und neue Lösungsansätze entwickeln.
Der Forschungsstandort Österreich insgesamt entwickelt sich derzeit beeindruckend weiter – auf vielen verschiedenen Life-Sciences-Gebieten und auch darüber hinaus. Das Land ist bereits auf Platz 6 des European Innovation Scoreboards zu finden und führt die Gruppe der „Strong Innovators“ in der EU an.
Autor: René Tritscher, Geschäftsführer, Austrian Business Agency (ABA), Wien, Österreich
Zur Person
René Tritscher leitet seit dem 1. Juli 2021 die Austrian Business Agency (ABA) und steuert als Managing Director maßgeblich die Neugestaltung der ABA zur österreichischen Standortagentur. Tritscher studierte an der Karl-Franzens-Universität Graz, der Palacky Universität Olmütz und der Donau Universität Krems Rechtswissenschaften sowie europäische Wirtschaft. Seine berufliche Karriere startete er 1996 in der Wirtschaftskammer Österreich und hatte dort mehrere Führungspositionen inne. Bis 2019 war er Generalsekretär des Österreichischen Wirtschaftsbundes.
Downloads
Kontakt
Austrian Business Agency
Opernring 3
Wien
0043 1 58858 0