Integriertes Datenmanagement für effizientes Anlagen-Engineering
Linde: Kostensenkung und Qualitätssteigerung bei LPG-Anlagen durch Comos
Nur mit flexibel konfigurierbaren, vernetzten und integrierten DV-Systemen können Ingenieurunternehmen die Forderungen nach einer schnellen Time-to-Market und einer Minimierung der Kosten im umkämpften Weltmarkt realisieren. Ein deutscher Anlagenbauer macht durch eine objektorientierte Softwarelösung und ein durchgehendes Datenmanagement sein gesamtes Anlagen-Engineering effektiver und produktiver.
Die Planung und Konzeption von großen verfahrenstechnischen Industrieanlagen erfordert höchstes Ingenieur-Know-how. Weltweit gibt es nur sehr wenige Unternehmen, die in der Lage sind, solche komplexen Anlagen zu konstruieren und zu bauen. Mit mehr als 1.000 verfahrenstechnischen Patenten und über 4.000 gebauten Anlagen zählt Linde zu den Marktführern im Anlagenbau, wobei die Aspekte Wirtschaftlichkeit, Termintreue und Zuverlässigkeit im Vordergrund stehen. Die Engineering Division des Unternehmens plant, projektiert und baut weltweit Luftzerlegungsanlagen, petrochemische Anlagen, Wasserstoff- und Erdgasanlagen. Dabei übernimmt das Unternehmen als Kontraktor sowohl die Prozesskonzeption, das "Basic and Detail Engineering", die Beschaffung und Montageabwicklung bis hin zur Übergabe der schlüsselfertigen Anlagen.
Standard-Software punktgenau angepasst
Innerhalb der Linde Engineering Division gibt es die Abteilung ITE zur Entwicklung und Betreuung der Software für Basic and Detail Engineering sowie Anlagen-Datenmanagement. Dabei verwendet das Unternehmen Standard-Software, die entsprechend den speziellen und individuellen Anforderungen optimiert wird.
„Bei der Prozesskonzeption und dem Basic Engineering hat die eigene Verfahrensauslegung sehr große Bedeutung. Unser Ziel ist es deshalb, eine punktgenaue Unterstützung durch speziell auf die technologiespezifischen Arbeitsläufe angepasste Software zu erreichen. Dabei arbeiten wir in interdisziplinären Teams möglichst eng mit den Fachabteilungen in unserem Hause zusammen", erläutert Dr. Franz Malcher, Gruppenleiter Basic & Detail Engineering Systeme Informatik für Ingenieurtechnik bei Linde Engineering. Im Vordergrund stehen eine Verbesserung des Datenmanagements, des Datenaustausches, der Dokumentation, der Datenspezifikation, der Komponentenplanung und der globalen Zusammenarbeit. So wird etwa der letztgenannte Punkt durch eine verteilte Bereitstellung von Client-Anwendungen lokal oder über eine Citrix-Serverfarm in den fünf weltweiten Niederlassungen realisiert.
CAE-Software als zentraler Baustein
Die zentrale Software-Anwendung im Bereich Basic Engineering ist die im Jahr 1999 entwickelte Process & Equipment Workbench (PEW). Diese Anwendung unterstützt alle Bereiche der Prozess- und Equipment-Bearbeitung, von der Angebotserstellung bis zur bestellfertigen Equipment-Spezifikation. Es werden Simulationsdaten, Verfahrensfließbilder (Process Flow Diagram, PFD), Dimensionierungsprogramme und Equipment-Spezifikationen in einer Datenbank konsistent zusammengefasst. Die simultane Bearbeitung vereinfacht und beschleunigt dabei die Verfahrenskonzeption und Projektabwicklung. Neben PFD und Equipment-Listen werden mit der PEW-Applikation auch Prozess- und Mechanik-Datenblätter sowie Materialbilanzen und Datenblätter für Apparatefundamente erstellt. Mittlerweile wurden mit dieser Anwendung schon über 1.200 Projekte erfolgreich realisiert, wobei täglich bis zu 130 Anwender gleichzeitig weltweit damit arbeiten.
Grundlage für die PEW-Anwendung ist die Softwarelösung Comos von Siemens. Diese objektorientierte Software mit einer einheitlichen Datenplattform wird bei der verfahrenstechnischen Bearbeitung und der Apparatespezifikation eingesetzt. Einfache und intuitive Zeichenfunktionen und die Verwendung von Vorlagen erlauben dem Anwender eine schnelle PFD-Erstellung. Gleichzeitig werden die entsprechenden Objekte für Prozess-Entwicklung, Prozess-Ströme und deren Verknüpfung automatisch erzeugt. Diese können dann mit den Daten aus der Prozess-Simulation belegt werden. Speziell implementierte Methoden zur Datenprüfung und -bearbeitung unterstützen die weitere Prozess-Spezifikation. Durch die offene Softwarearchitektur und Schnittstellen lassen sich weitere IT-Applikationen wie etwa Programme zur Apparate-Auslegung, AutoCAD und Documentum, aber auch Eigenentwicklungen auf Oracle-Basis einfach mit der PEW verknüpfen. So können beispielsweise die mit dem in Comos integrierten Report- und Revisions-Management erzeugten Datenblätter und Massenbilanzen für die Endkundendokumentation genutzt und einschließlich aller Metadaten einfach und schnell in das entsprechende Projekt-Dokumenten-Management-System transferiert werden.
Integration weiterer Applikationen
Nachdem sich die PEW als zentrale Software-Anwendung im Bereich Basic Engineering etabliert hatte, wurden in den letzten Jahren weitere Applikationen mit der Software Comos entwickelt Dazu zählt ein Projekt Konfiguration-Manager für Luftzerlege-Anlagen (PCM-ASU), welcher im Jahr 2010 in die PEW-Umgebung integriert wurde. Dieser beinhaltet einen Standard-Pool von PFD-Vorlagen, mit denen für die Angebotserstellung einer Anlage schnell und effizient ein Anlagenkonzept entworfen werden kann. Gleichzeitig können dazu wesentliche Apparatelisten extrahiert werden. Selbstverständlich haben die Anwender die Möglichkeit, kundespezifische Veränderungen in den Vorlagen vorzunehmen. Aufgrund der Arbeitsschichten-Funktion sind dabei alle Veränderungen schnell und übersichtlich identifizierbar. Veränderte Vorlagen können je nach Bedarf auch im Standard-Vorlagen-Pool abgelegt werden.
Die PCM-ASU-Anwendung wurde bereits bei über 100 Projekten erfolgreich eingesetzt. Durch das transparentere Datenmanagement wurden sowohl die Fehler minimiert als auch die Angebots-Qualität erhöht. Außerdem wird die Angebotserstellung jetzt wesentlich schneller umgesetzt und das im Angebot erstellte Anlagenkonzept wird im Vergleich zu dem früheren Vorgehen in der Anlagenabwicklung wiederverwendet. So wird etwa bei Angeboten ein in China mit Comos erstelltes Anlagenkonzept nach Deutschland gesendet, wo es noch einmal überprüft und dann 1:1 wieder verwendet wird.
Sicherheitsrelevante Spezifikationen
Bei der Anlagenplanung besitzen sicherheitsspezifische Vorgaben gerade im Basic Engineering eine große Bedeutung. Die dort getroffenen Entscheidungen haben weitreichende Auswirkungen auf die späteren Detailplanungen und die damit verbundenen Kosten der Anlage. Deshalb muss schon in der frühen Planungsphase eine bestmögliche Definition der sicherheitsrelevanten Werte für Rohrleitungen und Apparate erfolgen. Die Grundlage für die Bestimmung der maximalen bzw. minimalen Temperatur sowie des maximalen Druckes bilden die gewonnenen Daten aus der Prozess-Simulation.
Linde Engineering entschloss sich deshalb im Jahr 2009, eine Safety Engineering Workbench (SEW) auf Basis von der Comos-Software zu entwickeln und diese in die PEW-Umgebung zu integrieren. Schwerpunkt war dabei die Entwicklung einer einheitlichen, auf die Sicherheits-Spezifikationen optimierte Bedienoberfläche. Zudem sollte eine automatisierte, aber kontrollierte Weitergabe der sicherheitsrelevanten Spezifikationen ermöglicht werden. Bei der SEW-Entwicklung wurde insbesondere die Funktion Greybox (referenzierte Grafik) von Comos genutzt. Damit können bestehende Verfahrensfließbilder auf einem sicherheitstechnischen Verfahrensfließbild hinterlegt werden. Das hinterlegte Verfahrensfließbild wird automatisch mit sicherheitsrelevanten Prozess-Informationen ergänzt. Alle weiteren Funktionen zur sicherheitstechnischen Spezifikation können direkt von dem sicherheitstechnischen Verfahrensfließbild angesteuert werden. Die einzelnen Arbeitsschritte sind standardisiert und dokumentiert, sodass eine Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse gewährleistet ist. Die Freigabe und Übertragung der Ergebnisse in andere Fachdisziplinen (P&ID, Apparate-Spezifikation) erfolgt automatisch, aber kontrolliert.
„Die Softwarelösung Comos bietet uns die Möglichkeit, komplexe Prozesse zu vereinfachen sowie transparenter und nachvollziehbar zu gestalten. Damit können wir die Engineering-Qualität erhöhen und die Durchlaufzeiten für einzelne Engineering-Schritte senken", kommentiert Heiko Stepec, Projektleiter SEW, nach den bisher 45 realisierten Projekten.
Auslegung von Rohrleitungsnetzwerken
Im Jahr 2008 wurde außerdem mit der Implementierung einer auf Comos basierten Anwendung zur Berechnung von Druckverlusten in Rohrleitungen und Rohrleitungsnetzwerken begonnen, die seit dem Jahr 2010 zum Einsatz kommt. Mit dieser Anwendung LISA (Line Sizing Application) konnte die grafische Spezifikation (Hydraulic Flow Diagram) insbesondere von verzweigten Druckverlustwegen optimal umgesetzt werden. Einheitliche Berechnungsmethoden für verzweigte und nicht verzweigte Rohrleitungsnetzwerke wurden dazu in einem zentralen Methoden-Server in .NET implementiert. Ein selbst entwickeltes Rechenmodul erlaubt die gleichungsorientierte Simulation von Rohrleitungssystemen.
Die Vereinheitlichung der Berechnungsmethoden für ein- und zweiphasige Strömungen in Rohrleitungen und Rohrleitungsnetzwerken erhöht die Qualität der Dimensionierung und minimiert die Gesamtzahl von notwendigen Rechnungen. Zudem wird die Berechnung von zweiphasigen Strömungen über eine direkte Schnittstelle auf das Linde-interne Stoffdatensystem GMPS unterstützt. Auch bei dieser Anwendung nutzt das Unternehmen die Bereitstellung von Standardvorlagen für die Planung. In 118 umgesetzten Projekten konnten auch mit dieser Lösung Projektlaufzeiten reduziert und die Engineering-Qualität deutlich erhöht werden.
Neben den verschiedenen Anwendungen, die sich bereits im Einsatz befinden und eine effektive und produktive Anlagenplanung unterstützen, werden bereits weitere Lösungen mit dem Comos Framework entwickelt. Diese sollen Linde in den kommenden Monaten zum Einsatz kommen und das Engineering in den nächsten Jahren erfolgreich unterstützen.
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