Industrieversicherer FM Global sieht Risiken für deutsche Unternehmen in boomenden Schwellenländern
29.01.2014 - Die Chemieindustrie ist in Asien und Lateinamerika auf Wachstumskurs. Bereits jetzt ist eine Vielzahl deutscher Unternehmen in Ländern wie China und Brasilien vor Ort oder plant die Erschließung neuer Märkte. Für Risikomanager bringt dies neue Herausforderungen mit sich. Denn landesspezifische Risiken wie besondere Naturgefahren, unklare Rechtssysteme oder kulturelle Faktoren finden oft zu wenig Beachtung - mit nachhaltigen Folgen für die betroffenen Unternehmen.
Laut der VCI-Studie „Die deutsche chemische Industrie 2030" soll die weltweite Nachfrage nach Chemieprodukten bis 2030 jährlich um 4,5 % steigen. Dieses Wachstum basiert vor allem auf der zunehmenden Nachfrage aus den Schwellenländern. Die Erschließung neuer Märkte verlangt jedoch eine genaue Strategie, die auch ein auf den Standort angepasstes Risikomanagement einschließt. Dazu zählen auch die Wahl des Standorts, der Eintrittszeitpunkt als auch die Unternehmensform. Werke, Joint Ventures und auch neue Zulieferer in Ländern wie China und Brasilien unterliegen dabei besonderen landesspezifischen Risiken. Sowohl der Markteintritt als auch der nachhaltige Erfolg basieren deshalb auf genauen Risikokenntnissen und der entsprechenden Abstimmung des Risikomanagements.
China dominiert die Branche
Einer der rasant wachsenden neuen Märkte ist China. Seit 2010 stellt das Reich der Mitte den größten Produktionsstandort der Welt dar. Bereits heute gibt es eine Vielzahl von Kooperationsprojekten mit deutschen Chemieunternehmen, die einzelne Geschäftsbereiche vollständig nach China verlagert haben. So entschied sich jüngst auch BASF, technische Kunststoffe, Folien und Fasern ab 2015 von Shanghai aus zu produzieren. Hauptmotiv für die Investitionen bleibt das Absatzpotenzial und die Nähe zu den Abnehmern. Geringe Produktionskosten spielen ebenfalls eine große Rolle, so die aktuelle „German Business Confidence 2013" der AHK in China.
Resilienz in China sichern
Aus der Sicht eines Risikomanagers ergeben sich in China eine ganze Reihe neuer Herausforderungen für Produktion und Lieferketten. So weist Nigel Todd, Assistant Vice President beim Industrieversicherer FM Global, darauf hin, dass chinesische Partner „oft nicht den Wert von Risikoschutz-Maßnahmen sehen". Erschwerend komme hinzu, dass in China Standorte und Niederlassungen häufig als Joint Ventures konzipiert sind. Die Eigentumsverhältnisse sind durch diese Unternehmensform oft kompliziert und teilweise unklar. „Es ergeben sich hier entscheidende Fragen wie: Wer hat die technische oder kaufmännische Führung beim Bauprojekt? Wer bringt die nötige technische Expertise ein?", so Todd. Die Schwierigkeit für die deutschen Unternehmen bestehe dann darin, die Kontrolle über ein Projekt zu behalten und die eigenen Standards im Risikomanagement durchzusetzen. Es sei daher gängige Praxis, so Ralf Kuperjans, Senior Account Engineer beim Industrieversicherer, vor Ort eine chinesische Beraterfirma zu engagieren, die sich mit den klimatischen und topographischen Gegebenheiten, aber auch im Umgang mit den Behörden sowie mit den Einfuhrbestimmungen auskennt.
Wind und Hochwasser stellen in China besondere Risiken dar. Aufgrund der großen Entfernungen und mangelnden Landeskenntnisse errichten deutsche Unternehmen ihre Werke meist gebündelt an einem Standort. Bei Naturkatastrophen besteht dann aber zunehmend die Gefahr, dass alle Werke zugleich betroffen sind. Auch hilft es zu wissen, dass chinesische Architekten selbst bei Industrieanlagen wie Lagerhallen recht eigenwillige Dachkonstruktionen bevorzugen, die das Glück im Gebäude halten sollen. Bei Sturm verlässt den Besitzer das Glück dann aber oft unerwartet schnell: Die Dächer können eine zu große Angriffsfläche für den Wind bieten.
Nicht nur geographische Risiken
Auch Sprachbarrieren und fehlende kulturelle Kenntnisse können ein Risiko sein. So kann es in Asien passieren, dass aus Höflichkeit gegenüber Ausländern auf Nachfragen verzichtet wird oder Fragen zwar bejaht, die Aufgaben dann aber trotz scheinbarer Zustimmung nicht umgesetzt werden. Missverständnisse sind die Folge, die erhebliche Konsequenzen haben können, beispielsweise beim Brandschutz oder bei der Arbeitssicherheit. Todd empfiehlt deshalb jedem Unternehmen sprachlich-kulturelle Übersetzer zu engagieren, die Land und Leute sowie die Kultur kennen. Unterschiede werden auch bei den technischen Anforderungen deutlich. So gibt es für alle technischen Lösungen vor Ort eine gleichpreisige oder billigere Alternative, oftmals aber zu Lasten der Qualität.
Brasilien boomt
Auch in Brasilien gewinnt die Chemiebranche an Bedeutung. Dank des Rohstoffreichtums und einer wachsenden Bevölkerung profitiert der südamerikanische Staat von einem lang anhaltenden Wachstum. Bereits 2013 trägt die Chemiebranche zu mehr als 10 % des BIP der verarbeitenden Industrie bei. Unter den wichtigsten Chemienationen nimmt Brasilien 2013 den fünften Platz hinter China, den USA, Japan und Deutschland ein. Für die deutsche Chemiebranche ist Brasilien damit schon heute ein wichtiger Handelspartner und Produktionsstandort. Ebenso wie in China bestehen allerdings auch bei der Erschließung des brasilianischen Markts neue regionale Risiken.
Einsätze von Überwachungsdiensten prüfen
In Brasilien spielen auch Risiken wie Diebstähle und Gewalt eine Rolle für deutsche Unternehmen. Risikoexperte Kuperjans rät daher, den Einsatz von Sicherheits- und Bewachungsdiensten zu prüfen. Gerade bei der Standortwahl können Risikoingenieure von FM Global helfen und behalten dabei nicht nur Sicherheitsaspekte, sondern auch Naturgefahren im Auge. Unternehmen sollten sich ebenfalls auf die Schaffung gesicherter Lieferketten konzentrieren. Fällt einer der lokalen Zulieferer aus, werden Zukäufe von Werkstoffen aus dem Ausland nötig, für die hohe Importzolle zu zahlen sind.
Eigene lokale Feuerwehr aufbauen
Oft sind auch Infrastrukturinvestitionen nötig. „In Brasilien beteiligen sich große Unternehmen teilweise bei der Ausrüstung der lokalen Feuerwehren", berichtet Kuperjans. „Sie unterstützen so die Einsatzfähigkeit, um im Ernstfall einen Industriegroßbrand zu bekämpfen." Beim Risikotransfer gilt in Brasilien als auch in China zu beachten, dass immer ein lokaler Versicherer als Partner beteiligt sein muss. Hier sollte immer ein internationaler Versicherer die Führung übernehmen, damit sichergestellt ist, dass keine Deckungslücken entstehen. Um Schäden wie Betriebsunterbrechungen zu vermeiden, zahlt sich ein landesspezifisches Risikomanagement insbesondere in Schwellenländern wie China und Brasilien aus.
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