Herbert Matthys: Chemgineering in Consulting & Engineering aufgespalten
20.01.2011 -
Herbert Matthys: Chemgineering in Consulting & Engineering aufgespalten - Vor mehr als 10 Jahren war Chemgineering ein spezialisiertes Ingenieur-Unternehmen für die Planung von Prozessanlagen in der Pharmaindustrie. Heute ist es einerseits ein Expertenteam zur Planung und Realisierung von Anlagenbauprojekten in den Life-Sciences-Industrien und zum anderen hat es sich zu einem Management-Beratungsunternehmen für technikbasierte Fragestellungen für die genannten Branchen entwickelt. In der Konsequenz daraus hat Chemgineering diese beiden Geschäftsaktivitäten in zwei organisatorisch und juristisch eigenständige, strategische Geschäftseinheiten - Technology Design und Business Design - unterteilt. CHEManager befragte Dr. Herbert Matthys, CEO der Chemgineering-Gruppe, zu den Hintergründen dieser Entscheidung, der neuen Aufstellung des Unternehmens und Beispielen für diese Geschäftsaktivitäten. Die Fragen stellte Dr. Dieter Wirth.
CHEManager: Herr Dr. Matthys, welche Vorteile bietet die Neuaufstellung von Chemgineering mit zwei eigenständigen Unternehmensbereichen?
Dr. H. Matthys: Die klare Trennung dieser unterschiedlichen Geschäfte hat Vorteile in der Kommunikation und Wahrnehmung. In unseren Stammmärkten sind wir als Engineering-Unternehmen bekannt und geschätzt, wollen aber unser Consulting-Portfolio noch besser positionieren. Wenn unsere Berater unter dem Label „The Business Designers" auftreten und unsere Ingenieure als „The Technology Designers", wird der aufmerksame Kunde bemerken, dass die Chemgineering Gruppe unterschiedliche Leistungen anbietet. Consulting, wie wir es betreiben, baut zwar auf dem gemeinsamen Know-how mit Engineering auf. Aber die Abwicklung der Aufträge und die Ansprechpartner beim Kunden sind sehr verschieden.
Wie ist diese Aufteilung organisatorisch umgesetzt?
Dr. H. Matthys: Organisatorisch sind wir den ganzen Weg gegangen und haben die beiden Business Units bis in die juristischen Einheiten getrennt. Damit sind Verantwortung und Kompetenz bis in die Konzernleitung klar zugewiesen. Zudem konnten wir mit Rolf Mönig einen sehr erfahrenen Leiter für die Geschäftseinheit Technology Design gewinnen. Die Leitung der Business Designer werden wir zum 1. Juli dieses Jahres mit Dr. Gerhard Bauer-Lewerenz besetzen, der bereits mehrere Jahre im Unternehmen tätig ist .
Wie umfassend ist das Spektrum der Consulting-Leistungen des Bereichs Business Design?
Dr. H. Matthys: Management Consulting befasst sich mit der Optimierung von Geschäftsprozessen und stellt damit eine sehr umfassende Beratungsleistung dar, die spezifische Tools und Kenntnis der Kundenprozesse voraussetzt. Mit neuen Wegen und praxisgerechten Vereinfachungen schaffen unsere Berater dabei erfolgreich Mehrwert für unsere Kunden. Dieses Wissen ist beispielsweise bei einer Technical Due Diligence unentbehrlich. Im Compliance Consulting entwickeln wir Strategien und Maßnahmen für das Erreichen und Einhalten von Behördenanforderungen sowie für die Auswahl computergestützter Systeme, wie beispielsweise SAP-Applikationen und deren Validierung.
Können Sie bitte ein Technical Due Diligence-Projekt, das Ihr Unternehmen durchgeführt hat, etwas näher erläutern.
Dr. H. Matthys: Ein potentieller Käufer einer Pharmafirma hatte bereits gute Berater für die Klärung der legalen und finanziellen Risiken des „Targets". Erhebliche Risiken steckten aber auch in der technischen Ausrüstung und Produktionsorganisation. Hier wurden unsere Business Designer hinzugezogen. Unser Beitrag war, einen Zeit- und Kostenplan für ein Upgrade nach EU- und FDA-Anforderungen zu erstellen sowie die Produktionsanlagen und Technical Operations zu bewerten und verschiedene Nutzungsszenarien dafür zu betrachten.
Wie kam es zur Auftragsvergabe bei diesem Projekt an Chemgineering?
Dr. H. Matthys: Im konkreten Fall handelte es sich um eine Investorengruppe ohne eigenes technisches Know-how. Angefragt hat ein renommiertes Beratungshaus, das die Due Diligence koordinierte. Da das Beratungshaus zu wenig technische Kenntnisse hatte, wurden wir beauftragt.
Wie lief diese Technical Due Diligence- Prüfung ab? Was war das Ergebnis?
Dr. H. Matthys: In einer dreitägigen Besichtigung vor Ort wurde der Zustand der Anlagen und Qualitätsprozesse intensiv durchleuchtet. Mit Hilfe von Checklisten und strukturierten Interviews wurden alle Bereiche der Technical Operations analysiert. Das Ergebnis war ein Bericht mit Bewertungen von Anlagen, Organisation und Dokumentation sowie Szenariobetrachtungen für den Betrieb über die nächsten 10 bis 20 Jahre, ergänzt durch Investitionsszenarien entsprechend der Strategie des Käufers.
Compliance Consulting gehört auch zum Portfolio des Bereichs Business Design. Wo liegen hier die heutigen Herausforderungen? Was ist am Markt (technisch gesehen) besonders gefragt?
Dr. H. Matthys: Die derzeitigen Schwerpunkte im Compliance Consulting liegen in der strategischen und operativen Vorbereitung von Anlagen auf Behördeninspektionen. Hier spüren wir sowohl im angestammten Pharmabereich als auch verstärkt in der Medizintechnikindustrie großen Bedarf. Chemgineering ist die einzige mitteleuropäische Consulting-Organisation, die diese Unterstützung insbesondere in Verbindung mit Maßnahmen zur Schließung eventueller Lücken aus einer Hand bietet. Stark im Kommen ist auch unser erprobtes Modell der gebündelten Audits, die wir für mehrere Kunden durch unsere unabhängigen Auditoren in Übersee durchführen. Hier bieten wir unsere Kunden durch klare Kostenteilung einen entscheidenden Vorteil.
Kommen wir zum Technology Design. Die Pharma-Industrie investiert seit einiger Zeit stark in die Erweiterung und Erneuerung ihrer Produktionsanlagen und sorgt für volle Auftragsbücher bei den Pharmaanlagenbauern. Ist ein Ende dieser investitionsfreudigen Phase in Sicht?
Dr. H. Matthys: Ein Teil der Investitionen rührt von der Notwendigkeit her, nach Abbau von Personal nun endlich Verbesserungen in den Prozessen und damit an der Wurzel der Produktionskosten vorzunehmen. Wir erleben eine starke Nachfrage nach Generalplanung, also der umfassenden, sicheren und dennoch flexiblen Planung und Realisierung von Investitionsvorhaben. Dies kommt sicherlich daher, dass unsere Kunden vor einiger Zeit ihre Ingenieurstäbe massiv abgebaut haben. Die leichte Trendwende zu mehr Insourcing von Fachkräften deutet ebenfalls nicht auf ein Abklingen des Booms hin. In letzter Zeit wurden viele Sterilabfüllungen, Fertigspritzenlinien, Verpackungslinien aber auch Biotech-Anlagen sowie vereinzelt Anlagen für die chemische Synthese insbesondere hochaktiver Wirkstoffe gebaut.
Der Bau von großen Biotech-Anlagen bei Roche, Boehringer Ingelheim oder Sanofi-Aventis stand in den letzten Jahren stark im Rampenlicht. Gibt es in der klassischen, also chemischen Pharma-Produktion, weniger zu tun oder wird dies nur weniger gesehen?
Dr. H. Matthys: Nein, die klassische Synthese ist nicht tot. Aber sie hat sich in andere Kontinente und Länder verlagert, zumindest vorerst. Und es bestehen weltweit wohl Überkapazitäten. Die vorhandenen Anlagen werden älter, die Qualitätsanforderungen aber höher und daher werden wir auch wieder klassische Mehrzweckanlagen bauen. Persönlich hoffe ich jedoch, dass ich den Einzug der Mikroreaktortechnik in die Pharmasparte noch erleben werde.