Strategie & Management

Herausforderungen für die Lebensmittelindustrie

Gesunde und ausreichende Lebensmittel für alle – ist das möglich?

10.09.2015 -

Die Welt steht vor der großen Aufgabe, Nahrungsmittel für etwa 9 Mrd. Menschen im Jahre 2050 produzieren zu müssen. Die Ernährung soll ausgeglichen und gesundheitsfördernd sein, die Umwelt sollte bestmöglich geschont werden. Außerdem werden eine nachhaltige Produktion und niedrige Lebensmittelpreise gewünscht. Dies sind Forderungen der Gesellschaft und der Kunden. Was kann und tut die Lebensmittelindustrie, um diese Ziele zu erreichen?

Nahezu 2 Mrd. Menschen sind übergewichtig oder fettleibig, darunter eine steigende Anzahl von Kindern. Alleine in den USA verursacht dies gesellschaftliche Kosten in Höhe von 150 Mrd. USD pro Jahr. 800 Mio. Menschen weltweit sind noch immer mangelernährt, und dies trotz des Wissens, dass Investitionen in Ernährung eine der kosteneffizientesten Maßnahmen zur Entwicklung wettbewerbsfähiger Gesellschaften sind.

Zuwenig vom Guten

Auf den Philippinen alleine verursacht Eisenmangelanämie Produktionsausfallkosten in Höhe von 380 Mio. USD, da Kinder, die von dieser Krankheit betroffen sind, kognitive Defizite aufweisen und nie ihr Leistungspotenzial im Erwachsenenalter erreichen können. Zwei Gläser einer speziell mit Vitaminen und Mineralien versetzten Milch pro Tag können das Risiko dieser Erkrankung um die Hälfte reduzieren, wie aktuelle Forschungsergebnisse zeigen. Deswegen haben das philippinische Lebensmittelinstitut und Nestlé eine massenmediale Kampagne gestartet, um das Wissen der Eltern um den Zusammenhang von Eisen und kognitiver Entwicklung bei Kindern zu steigern. Die Ergebnisse sind beeindruckend: Ende 2013 wussten 65% aller Mütter um diesen Zusammenhang gegenüber nur 19% Anfang desselben Jahres. 

Technologisch sind höhere bioverfügbare Eisenkonzentrationen in Milchpulvern eine Herausforderung, da das Eisen reagiert und einen negativen Einfluss auf andere Vitamine und Mineralien hat, z.B. auf Vitamin A. Außerdem verändert es die Farbe und den Geschmack des Milchpulvers. Trotzdem zahlen sich solche Investitionen zur besseren Ernährung für die Menschen aus. Nestlé hat denn auch das Verkaufsvolumen auf den Philippinen deutlich steigern können. An diesem Beispiel zeigt sich, dass Public Private Partnership für eine bessere Ernährung, also die Zusammenarbeit von öffentlichen Einrichtungen und Unternehmen, ein Gewinn für die Gesellschaft und das Geschäft sind.

Zuviel vom Schlechten

Auf der anderen Seite muss die Lebensmittelindustrie in Überflussgesellschaften wie Deutschland erhebliche Anstrengungen unternehmen, um den Energiegehalt und die Anteile von Salz, Zucker und gesättigten Fettsäuren in den Lebensmitteln zu reduzieren und die Nährwerte zu steigern. Weg von Energiedichte - hin zu Nährstoffdichte ist das Ziel. Die Industrie sollte dazu beitragen, Wohlstandskrankheiten wie Übergewicht, Bluthochdruck oder Diabetes zu bekämpfen und nicht Teil des Problems sein.

Deshalb haben nahezu alle global agierenden Lebensmittelhersteller Ziele formuliert zur Reduktion der oben genannten Inhaltsstoffe. Diese Ziele erlauben es den Unternehmen, die technologische Forschung so zu steuern, dass sie ernährungswissenschaftlich bessere Produkte auf den Markt bringen können. Nestlé setzt hier auf rigorose Rezepturänderungen von existierenden Lebensmitteln und auf die Entwicklung neuer Produkte, die auf internationalen ernährungswissenschaftlichen Kriterien beruhen. Die dabei zugrunde liegenden Kriterien sind im „Nestlé Nutritional Profiling System“ festgeschrieben. 2014 wurden auf diese Weise mehr als 10.000 Produkte verbessert. Dabei ist es wichtig, transparent zu sein sowie die Kriterien und wichtige Daten zu veröffentlichen, um den Entstehungsprozess der Lebensmittel nachvollziehbar zu machen. Anerkennung und Vertrauen durch die Konsumenten und die Gesellschaft sind nicht nur gut für eine bessere Ernährung der Menschen, sondern auch für das Geschäft. (Grafik 1)

Wertschöpfung jenseits des eigenen Horizonts

Bisher haben sich nahezu alle Lebensmittelhersteller auf den unmittelbar durch sie beinflussbaren ökologischen Teil in der Wertschöpfungskette konzentriert. Dies drückt sich aus durch Ziele wie eine 100%ige Energieabdeckung des Herstellungsprozesses durch erneuerbare Energien, deutliche Reduktion der Treibhausgase trotz Produktionssteigerung oder null Wasserverbrauch in den Fabriken. Andererseits befinden sich die weitaus größten Umwelteinflüsse außerhalb dieser gut kontrollierten Kette, und zwar in der Landwirtschaft und beim Konsumenten.

Landwirtschaftserträge werden auch heute noch in Kalorien pro Fläche oder Gewicht pro Fläche gemessen – dem Ernährungswert der bewirtschafteten Fläche wird selten systematisch Bedeutung beigemessen. Um 9 Mrd. Menschen zu ernähren muss man jedoch sowohl die Ernährungsqualität als auch die Quantität steigern. Dies ist möglich wenn man bedenkt, dass z.B. der überwiegende Anteil der Maisproduktion zu Tierfutter verarbeitet wird. Hier kann man Teilflächen besser nutzen, indem diese bspw. direkt zur Produktion von Pflanzen mit hochwertiger Proteinzusammensetzung verwendet werden, ohne den Umweg über das Nutztier zu gehen. Dies hätte nicht nur einen positiven Einfluss auf die Ernährungsqualität, sondern auch auf die die Flächenverfügbarkeit und den Ausstoß von Treibhausgasen. Andererseits hieße dies, dass unser Fleisch teurer und westlich geprägte Essensmuster sich ändern würden.

Dies ist nur ein Beispiel unter vielen. Es verdeutlicht jedoch, dass die produzierende Nahrungsmittelindustrie einen Sinneswandel durchmachen muss, wenn sie in der Kette der Nahrungsmittelproduktion dort ansetzen will, wo die größten Umwelteinflüsse liegen. (Grafik 2)

Der Bürger, Konsument und Kunde

In den vergangenen Jahrzehnten ist das Bewusstsein für gesunde Ernährung gestiegen. Damit haben auch die Ansprüche der Konsumenten in Bezug auf Ernährung zugenommen. Der Erfolg der Biokost ist ein Ausdruck dafür. Kunden wünschen sich Produkte, die ihre Gesundheit steigern, idealerweise lokal produziert sind und dies auf möglichst umweltschonende Art und Weise. Vergleicht man jedoch Motivation und Kaufverhalten, so zeigt sich eine gewisse Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Dies ist insbesondere beim deutschen Kunden zu beobachten, der oft nicht bereit ist, für Qualität einen höheren Preis zu bezahlen. Es stellt sich also die Frage, ob der Konsument der Industrie keinen Glauben schenkt, oder ob ihm qualitativ hochwertigere Lebensmittel letztlich doch nicht so wichtig sind? Die Wahrheit liegt, wie so oft, in der Mitte. Die Lebensmittelindustrie muss neue Wege finden, um dem Kundenwunsch zu entsprechen und einen Mehrwert ihrer Produkte zu rechtfertigen. Das bedeutet, Gesundheitseffekte und die Nachhaltigkeit von Lebensmitteln wissenschaftlich nachzuweisen als auch glaubwürdig zu kommunizieren. 

Sehen wir uns das Ende der Wertschöpfungskette von Lebensmitteln an, stellen wir fest, dass etwa 40% der Produkte in Großbritannien nicht im Magen des Konsumenten landen. Das wird in Deutschland und anderen entwickelten Industriestaaten nicht viel anders sein. Dieser Prozentsatz an nicht verzehrten Lebensmitteln ist entschieden zu hoch. Diese Wertvernichtung macht sowohl aus ökonomischer als auch ökologischer Sicht keinen Sinn. Hier muss ein Umdenken stattfinden - die Lebensmittelindustrie wird auch hier Lösungen mitentwickeln.

Ausblick

Die Herausforderungen in der Zukunft sind gigantisch, aber machbar. Gerade mit Blick auf die globale Verantwortung multinationaler Unternehmen muss die gesamte Lebensmittelindustrie innovative Wege beschreiten, um gesunde Ernährung in Kombination mit Nachhaltigkeit über Generationen zu gewährleisten - auch wenn sie dadurch gezwungen wird, ihre Komfortzone zu verlassen und die gesamte Wertschöpfungskette vom Bauern bis zum Konsumenten, vom Feld bis zur Müllentsorgung in den Fertigungs- und Distributionsprozess einbeziehen muss.

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