Externe Logistikdienstleister müssen unzählige Rechtsvorschriften einhalten
Chemische Industrie: Dienstleister Infraserv Logistics betrachtet Haftungsrisiken in eigenem Prüfprozess
Die damit verbundenen Haftungsrisiken betrachtet Infraserv Logistics an zentraler Stelle in einem eigenen Prüfprozess.
Um ihr Geschäft nicht zu gefährden, müssen Unternehmen alle Risiken bewältigen, die sich aus ihrer Tätigkeit ergeben. Dazu sind sie rechtlich verpflichtet. Das gilt sowohl institutionell als auch persönlich für die Unternehmensführung. Weil es dabei immer komplexere Verknüpfungen gibt, deren Betrachtung nicht zum Tagesgeschäft der Betriebsleiter gehört, hat Infraserv Logistics alle risikobezogenen Bewertungen in ein zentrales Managementsystem überführt. Es soll die Einhaltung sämtlicher gültigen Bestimmungen sichern.
Kernstück des Instruments ist ein Prüfprozess, nach dem sämtliche Stoffe, mit denen der Logistikdienstleister für seine Kunden umgeht, in einem Ordnungssystem klassifiziert werden. Basis dieser Prüfungen sind die Sicherheitsdatenblätter der jeweiligen Materialien sowie weitere auf das jeweilige Regelwerk abgestimmte Prüfaufgaben. Zu den wichtigsten Gesetzen und Verordnungen, deren Einhaltung kontinuierlich überwacht werden, gehören das Artenschutzübereinkommen, das seltene Pflanzen und Tierarten schützen soll, das Grundstoffüberwachungsgesetz, das die Herstellung illegaler Drogen verhindern soll, das Kreislaufwirtschaftsgesetz, mit dem die Wiederaufbereitung von Rohstoffen geregelt wird sowie das Sprengstoffgesetz. Dazu kommen Handelsregularien wie das Außenwirtschaftsgesetz, die PIC-Verordnung und das Chemiewaffenübereinkommen. Zwei weitere Gesetze regeln eine Erhebung von Verbrauchssteuern: das Energiesteuergesetz und das Branntweinmonopolgesetz.
Für die Implementierung dieses zentralen Managements hat der Logistiker zunächst sämtliche eingelagerten, umgeschlagenen und transportierten Stoffe anhand der gesetzlichen Bestimmungen überprüft und in ihren Stammdaten klassifiziert. Der gleiche Prüfprozess erfolgt nun auch vor jeder Angebotserstellung. Je nach Ergebnis können weitere Maßnahmen erforderlich werden. So möchte Infraserv Logistics grundsätzlich keine Leistungen im Zusammenhang mit Materialien erbringen, die zur sogenannten Liste I des Chemiewaffenübereinkommens gehören.
Bei anderen Stoffen, die z.B. verbrauchsteuerpflichtig sind, werden weitere Prüfungen erforderlich, mit denen festgestellt wird, ob der Eigentümer sie steuerfrei verwenden darf. Ist das der Fall, hat das Hauptzollamt eine sogenannte Verwendererlaubnis ausgestellt, die immer dann erteilt wird, wenn ein Stoff in der chemischen Industrie in komplexen Prozessketten eingesetzt, aber nicht verbraucht wird. Diese Erlaubnis ist mit strengen Buchführungspflichten und der Auflage verbunden, einen Verwendungsnachweis zu führen.
Aus Sicht eines Chemielogistikers sind in den Gesetzestexten beispielsweise des Branntweinmonopolgesetzes und des Energiesteuergesetzes aber zweierlei Faktoren nicht zweifelsfrei festgelegt. So sieht die Verwendererlaubnis etwa vor, dass die steuerfrei zu nutzenden Stoffe vom Lieferanten „unverzüglich in den Betrieb des Verwenders“ überführt werden. Darüber hinaus sehen beide Gesetze keine klare rechtliche Unterscheidung zwischen Eigentum und dem Besitz der jeweiligen Stoffe vor. Daraus ergibt sich im Kontext der Gesamtverantwortung für die Wertschöpfungskette potenziell das Risiko, dass – je nach Einzelfallkonstellation – auch Infraserv Logistics, weil selbst nicht der freigestellte Verwender, mit steuerrechtlichen Forderungen konfrontiert werden kann.
Minimierung des Risikos
Um dieses Risiko minimieren zu können, haben die Rechtsexperten des Logistikers zwei unterschiedliche Szenarien überprüft. Vollständig abwenden lässt sich der Eintritt eines solchen Risikos nach ihrer Einschätzung nur durch die Einrichtung eines offenen Steuerlagers. Operativ betrachtet, kann eine solche Institution jedoch mit beträchtlichen behördlichen Auflagen verbunden werden, die Logistikprozesse erschweren oder sogar behindern. Dazu gehören etwa zusätzliche Getrenntlagerungsgebote, die nicht aus der Gefahrstoffklassifizierung resultieren. Welche Maßnahmen das zuständige Hauptzollamt als Aufsichtsbehörde bei der Führung eines solchen Steuerlagers verlangt, hängt dabei auch von einer individuellen Auslegung der Bestimmungen ab.
In einem zweiten Lösungsansatz haben die Juristen den Zulassungsprozess für freigestellte Verwender untersucht. Dabei sind sie zu der Einschätzung gelangt, dass ein Unternehmen mit diesem Status bei der behördlichen Deklaration seines Lagerstandorts neben der Adresse auch das Dienstleisterunternehmen samt voller Firmierung in das Dokument mit aufnehmen und so offiziell darauf hinweisen kann, dass die Lagerung für die steuerfreie Verwendung durch eine unterschiedliche Rechtsperson erfolgt. Nach Ansicht der Rechtsexperten fällt damit auch die Aufbewahrung an der Lagerstätte unter die Verwendererlaubnis.
Vor diesem Hintergrund hat die Leitung von Infraserv Logistics sich gegen die Einrichtung eines offenen Steuerlagers entschieden. Ausschlaggebend war dabei, dass die Führung eines solchen Lagers mit erheblichem bürokratischen Mehraufwand verbunden ist, der die Prozesskosten im Zusammenhang mit der Ein- und Auslagerung spürbar erhöht. Deshalb fiel die Auswahl im Interesse der Kunden auf die effizientere Lösung zur Risikominimierung.
Historisch betrachtet, erscheint dieser Schritt aus Sicht des Logistikdienstleisters auch der einzig denkbare. Denn wer sich die operativen Fakten anschaut, stellt schnell fest, dass auch nach der Auflösung der „Hoechst AG“ vor mehr als 15 Jahren Stoffe wie Ethanol und Diesel nach wie vor an denselben Lagerstandorten verwahrt und durch dieselben Mitarbeitern ein- und ausgelagert werden. Bei unveränderten Abläufen liegt die einzige Veränderung des Prozesses im Hinzutreten der Rechtsperson Infraserv Logistics.
Durch die aktuell gültige Rechtslage entsteht damit ein erheblicher bürokratischer Mehraufwand, der zu vermeiden wäre, wenn Logistiker und ihre Lagereinrichtungen in die entsprechenden Gesetzestexte mit aufgenommen würden. Es ist längst überfällig, dass der Gesetzgeber mit einer solchen Novellierung der Realität in der chemischen Industrie Rechnung trägt. Denn dort ist Logistikoutsourcing seit langem gang und gäbe.
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