Eine neue Dimension der Chemie- und Pharmalogistik
Konzepte der Circular Economy erfordern einen Umbruch im Denken und Handeln
Angesichts neuer Richtlinien der Europäischen Union (EU) zur Kohlenstoffdioxid/ CO2-Bilanzierung geht es im Folgenden zum einen um die Kalkulation von CO2- bzw. Treibhausgasemissionen im Straßengüterverkehr und zum anderen um Ansatzpunkte, Ansätze und Aktionen zur langfristigen Förderung der Wirtschaftlichkeit, mittels zirkulärer Programme zum Schutz von Konsumenten, Geschäftspartnern, Mitarbeitern und Bürgern, sowie des Umfelds, das die Wirtschaft, einschließlich der Logistik, und unser modernes Leben erst möglich machen.
Nachhaltigkeit ist nicht eindeutig definiert. Generell wird darunter Klima- und Umweltschutz verstanden. In Wirklichkeit geht es darum, Bedingungen zu schaffen, die – möglichst bei Beibehaltung unseres Lebensstandards – Existenz und Wohlbefinden dauerhaft sicherstellen. Das bedeutet, dass nachhaltiges Handeln nicht bei Umwelt- und Klima endet, sondern auch soziale und ökonomische Aspekte beinhaltet. Dies alles umfasst die Circular Economy – vormals Kreislaufwirtschaft – die Idee der möglichen und schadlosen Weiterführung und Weiternutzung aller Dinge, die wir fertigen.
Konzept der Circular Economy
Die „Nachhaltigkeit“ der Menschheit hängt von unserer Fähigkeit und unserem Willen ab, das heutige, oft negative Konsequenzen in Kauf nehmende, lineare Wertschöpfungsdenken, bzw. die Wertschöpfungswirtschaft, um Werterhaltungsdenken und eine Werterhaltungswirtschaft zu ergänzen. Werterhaltung schließt dabei mit ein, was und wie produziert wird, und was nach dem Verkauf und der Nutzung passiert. Denn das Nachdenken über die Produkte selbst und deren optimierte Nutzung sowie die Weiternutzung der verwendeten Materialien, ist das, was bis heute weitgehend zu kurz gekommen ist.
2022 lag der Grad der Zirkularität der Wirtschaft bei unter 10 %, Tendenz fallend. Was bedeutet das? Es heißt, dass über 90 % dessen, was wir produzieren, im Abfall landet. Dies passiert einfach, weil wir keine Infrastruktur, keine Programme haben, die uns ermöglichen, weiterzunutzen, was wir mühevoll produzieren.
Mittels eines Quick-Checks kann ermittelt werden, ob ein Produkt zirkulär bzw. nachhaltig ist. Dabei helfen die folgenden vier Fragen: Ist die Herstellung des Produkts schadlos? Bleibt sein Wert erhalten? Findet eine stoffliche Verwendung statt? Sind die Endprodukte umweltverträglich? Wird eine dieser Fragen verneint, ist das Produkt nicht nachhaltig. Damit wird schnell fassbar, wie wenig nachhaltig unsere derzeitige Wirtschaft ist. Zudem zeigt sich, dass Müllhalden und Müllverbrennung keine nachhaltigen Lösungen sind. Recycling ist auch nur das letzte Ressort, es geht um zirkuläres Design und nachhaltige Produktion, unter jeglicher Vermeidung von schädlichen Nebenwirkungen und Verschwendung. Wenn dies nicht ökonomisch ist, was ist es dann?
Härtere Vorgaben werden berücksichtigt, weichere weitgehend vernachlässigt, es sei denn, sie unterstützen die eigenen Ziele. Die Logistiker sind vermehrt gefordert, sich in die Rolle der Verlader zu versetzen, denn viele müssen ihre Emissionen erfassen und mindern. Die gute Nachricht: Viele Verlader wie auch Transporteure sehen in der Nachhaltigkeit eine Geschäftschance.
„Viele Verlader wie auch Transporteure sehen in der Nachhaltigkeit eine Geschäftschance.“
Rolle der Logistik in der Circular Economy
Die Zirkularität als ganzheitliches Konzept hat drei Ebenen: Verlängerung der Nutzungszyklen von Produkten (limitierte Circular Economy), Weiterverwendung der verwendeten Materialien (Werttransformation), und biologische Zersetzung von Materialien zur Generierung weiterverwendbarer Nährstoffe (Biosynthese), dies schließt mikrobiologische Zersetzung und erneuerbare Energien mit ein.
Die Logistik spielt auf den Ebenen 1 und 2 eine wesentliche Rolle. Es geht um die Weiternutzung und dementsprechend Weiterführung von Produkten, Teilen, Verpackungen, Behältnissen, Gebinden, Materialien etc., das Kerngeschäft der Logistiker. Zudem kann die Logistik direkt in Prozesse und zirkuläre Programme, bspw. bei der Sortierung am Ende eines Nutzungszyklus, miteinbezogen werden. Beispiele hierfür sind Plastikspielzeug oder Verpackungen. Der Zug in Richtung Nachhaltigkeit fährt stetig voran. In Brüssel liegt ein Vorschlag einer Verpackungsverordnung vor, die generell die Recyclingfähigkeit von Verpackungen vorschreibt.
Eliminierung der CO2-Emissionen im Straßengüterverkehr
Beim Transport fallen erhebliche CO2-Emissionen an. Circular Economy, auch eine Ambition der EU, fordert deren Eliminierung. Die neue EU Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) schreibt vor, dass nicht nur kapitalmarktorientierte Unternehmen, sondern auch Unternehmen ab zehn Mitarbeitern und einer Bilanzsumme von 350.000 EUR oder einem Umsatz von 700.000 EUR ab 2024 der CO2-Berichtspflicht unterliegen. Dies entspricht in Deutschland ca. 15.000 Unternehmen, die jetzt vor erheblichen Herausforderungen stehen.
Gefordert ist die Nutzung allgemein anerkannter Methoden bei der Emissionskalkulation, wie das Rahmenwerk vom Global Logistics Emissions Council (GLEC) oder ISO 14048. Kalkulationen auf Basis von Primärdaten, d.h. direkt aus den operativen Systemen wie bspw. der Fahrzeugtelematik entnommene akkurate Werte, werden die mit hohen Unsicherheiten behafteten Berechnungen basierend auf Durchschnittswerten ersetzen.
Transporteure werden bereits heute von den Verladern anhand von Compliance Schemes, wie CDP und EcoVadis, oder dem Smart Freight Procurement Questionnaire bewertet. Die Auswirkungen derartiger Bewertungen fallen noch milde aus. Das wird sich aber ändern. Daher sollten sich die Transporteure mit diesen Methoden vertraut machen.
Dekarbonisierung ist Teamwork. Daher ist eine weitere „Baustelle“, die mangelnde Bereitschaft der Logistiker, Daten mit den Verladern zu teilen. Daten dienen nicht nur der Emissionskalkulation, sondern auch der Bewertung von CO2-reduzierenden Lösungen, die in Ausschreibungen vermehrt gefordert und verstärkt nachverfolgt werden.
Schlussgedanken
Wir haben viele Anstrengungen unternommen, direkte negative Auswirkungen von Produktion, Produkten und Konsum zu eliminieren, Beispiele sind toxische Stoffe in Kinderspielzeug oder die Verseuchung von Grund und Boden durch Industrieaktivität. Langfristige Folgen unseres Handels auf unsere Gesundheit und unseren Lebensraum wurden oft vernachlässigt. Vieles haben wir, wie bspw. den Klimawandel, lange als gegeben hingenommen. Der erforderliche Umbruch im Denken und Handeln hat begonnen. Dies sollten die Logistiker in ihre Pläne miteinbeziehen.
Autor: Wolfgang Lehmacher, unabhängiger Supply-Chain-Experte, Hongkong, S.A.R., China
„Langfristige Folgen unseres Handels auf unsere Gesundheit und unseren Lebensraum wurden oft vernachlässigt.“
Zur Person
Wolfgang Lehmacher ist Fachbuchautor, Berater und Unternehmer, spezialisiert auf die Bereiche Supply Chain und Logistik. Außerdem ist er Gründungsmitglied des Rats der Logistikweisen sowie des Think-Tanks NEXST. Das Advisory-Board-Mitglied der Logistics & Supply Chain Management Society war Leiter des Bereichs Supply Chain und Transport Industries beim Weltwirtschaftsforum und President & CEO GeoPost Intercontinental.
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Circular Economy
Die Erhaltung des heutigen Lebensstandards und Lebensraums erfordert ein radikales Umdenken. Gefragt ist eine zirkuläre, umweltzentrierte Wirtschaft. Was unternommen bzw. besser unterlassen werden sollte, führen Wolfgang Lehmacher und Johann Bödecker, Mitbegründer und CEO der Pentatonic, in dem Buch „Circular Economy – 7. Industrielle Revolution: Der Weg zu mehr Nachhaltigkeit durch Kreislaufwirtschaft“ aus und geben dazu zahlreiche Beispiele. Die Autoren zeigen Unternehmen, wie sie die Klippen der Greenwashing-Vorwürfe umschiffen können und warum Digitalisierung der strategische Dreh- und Angelpunkt eines jeden Unternehmens in Sachen Circular Economy sein sollte.