Dr. Volker Knabe im Interview: Dienstleister mit Wertschöpfungspotential
Weltweite Technik-Einheit der BASF realisiert Optimierungsprojekte, standortübergreifendes Netzwerk
Mit dem zum 1.Januar 2008 neu geschaffenen Kompetenzzentrum Engineering & Maintenance hat die BASF ihr technisches Fachwissen erstmals in einem Bereich zusammengefasst. Ziel dieser Bündelung war es, die im Unternehmen vorhandenen Stärken in den Arbeitsgebieten Anlagenbau, Instandhaltung und technische Fachzentren noch besser zu nutzen und weiter auszubauen. Dr. Michael Reubold sprach mit dem Leiter des Kompetenzzentrums, Dr. Volker Knabe, über seine Bilanz nach den ersten 20 Monaten und die weiteren Pläne.
CHEManager: Herr Dr. Knabe, viele ehemals integrierte Chemieunternehmen haben ihre technischen Abteilungen ausgelagert. Warum leistet sich die BASF einen eigenen Technikbereich mit über 4.000 Mitarbeitern in Deutschland?
Dr. V. Knabe: Die Gründung unseres Kompetenzzentrums ist ein Zeichen für die große Wertschätzung, die die Technik in der BASF genießt. Wir betrachten die Technik nicht als Kostenfaktor; wir betrachten uns als eine Einheit, die einen Beitrag zur Wertschöpfung der BASF leisten kann. Insofern steuern wir auch die Ressourcen innerhalb der Technik nicht über Kosten, sondern über Wertschöpfung. Wir glauben, dass wir in der jetzigen Aufstellung ein wirtschaftliches Optimum erreicht haben. Damit gewinnen wir zusätzliche Wertschöpfung für das Unternehmen.
Ihre Bilanz nach gut 20 Monaten seit der Gründung des Kompetenzzentrums Engineering & Maintenance Anfang letzten Jahres sieht demnach positiv aus?
Dr. V. Knabe: Ja, davon sind wir überzeugt. Natürlich sind 20 Monate für so eine Großorganisation kein Zeitraum, in dem all die Dinge, die man sich vorgenommen hat, schon umgesetzt worden sind. Wir haben aber eine ganze Menge Optimierungspotential identifiziert und eine Vielzahl von Projekten initiiert. Am Standort Ludwigshafen, wo ein Großteil der Mitarbeiter tätig ist, haben wir die früher in unterschiedlichen Bereichen tätigen Einheiten zusammengebracht und sind dabei, die Schnittstellen zu optimieren. Zum anderen haben wir den Bogen in die Regionen gespannt. Wir haben Optimierungsprojekte in Europa, in Nordamerika und auch in Südamerika durchgeführt und dort die Technik insgesamt neu aufgestellt. Diese Dinge sind alle in den letzten eineinhalb Jahren erarbeitet worden und befinden sich jetzt am Anfang der Umsetzung, die schwerpunktmäßig in den nächsten zwei bis drei Jahren erfolgreich abgeschlossen werden soll. Davon versprechen wir uns Einsparungen in dreistelliger Millionenhöhe.
Wo liegt denn z.B. großes Optimierungspotential?
Dr. V. Knabe: Nehmen wir einmal die Optimierung der Instandhaltung innerhalb der BASF-Gruppe als Beispiel. Das ist für uns eines der größeren Themen. Denn zeitgleich mit der Einrichtung dieses neuen Bereichs wurde auch das Thema Instandhaltung innerhalb der BASF zum ersten Mal in einem Kompetenzzentrum gebündelt. Es gibt jetzt eine Einheit, die weltweit für das Thema verantwortlich ist und damit unsere Systematik der Instandhaltung sowie die neuesten Methoden und Technologien in der Instandhaltung weltweit in die Standorte hineinbringt.
Die Instandhaltungskompetenz ist nur ein Beispiel von mehreren.
Dr. V. Knabe: Richtig! Zum Fachgebiet Instandhaltung gehört auch die Kompetenz für Großabstellungen - Turnaround Management -, wo wir derzeit noch dabei sind, ein internationales Team aufzubauen. Dieses Team soll die Geschäftseinheiten Großabstellungen innerhalb der BASF-Gruppe weltweit betreuen und mit seinem Know-how entsprechend optimieren - unabhängig davon, ob diese Großanlagen in China, in den USA oder in Europa stehen. Daneben gibt es eine Vielzahl anderer Aufgaben, die wir weltweit standortübergreifend übernehmen. Wir haben z.B. ein Fachzentrum für Großmaschinen, Kompressoren und Turbinen, das zum einen diese Maschinen weltweit betreut und mit seinem ganz speziellen Expertenwissen bei Investitionsprojekten begleitet und zum anderen die Instandhaltung und Reparaturen dieser Maschinen weltweit sicherstellt.
Diese Art von Fachexpertise finden Sie auch noch in vielen anderen Bereichen. Nehmen wir z.B. die Werkstofftechnik. Auch das ist ein Thema, das global organisiert ist. Das lässt sich jetzt so fortführen von der Automatisierungstechnik bis hin zur Robotik. Sie sehen, es ist ein sehr breites Feld, auf dem wir innerhalb des Bereichs eine zentrale Expertise haben, die wir BASF-Einheiten mit technischen Aufgaben weltweit zur Verfügung stellen.
Dennoch gibt es natürlich auch außerhalb der BASF viel Kompetenz. Wie gewährleisten Sie denn, dass Sie im Gesamtmarkt wettbewerbsfähig sind, und wie grenzen Sie Ihre Dienstleistungen von externen Wettbewerbern ab?
Dr. V. Knabe: Zunächst einmal haben wir unsere Dienstleistungen so definiert, dass sie quasi marktgängig sind, das heißt, alle Dienstleistungen, die wir intern anbieten, sind als Produkt definiert, und zwar so, dass man das Produkt auch extern am Markt anfragen kann. Und 98% unserer Dienstleistungen sind kontrahierungsfrei. Wir stehen hier also im Wettbewerb mit externen Dienstleistern. Diese Wettbewerbsfähigkeit wird regelmäßig untersucht. Das machen wir zusammen mit dem technischen Einkauf, dem zentralen Controlling und auch dem Kunden, sodass wir hier auch eine objektive Bewertung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Einheiten erhalten.
Sie haben gesagt, bei 98% Ihrer Dienstleistungen stehen Sie im Wettbewerb. Spielt bei den 2%, die nicht in den freien Wettbewerb gegeben werden, der Know-how-Schutz eine Rolle?
Dr. V. Knabe: Gewiss. Es gibt natürlich Dinge, die wir aus Gründen des Know-how-Schutzes intern machen. Und dann gibt es Leistungen, wo sich die jeweiligen Standorte überlegen, ob es Sinn macht, diesen Markt zu öffnen. Die Anlagenüberwachung hier in Ludwigshafen ist ein Beispiel dafür. Wie Sie wissen, sind wir als interner TÜV akkreditiert und zertifiziert. Insofern gibt es von der Werksleitung die Vorgabe, dass wir hier unser eigenes Know-how nutzen. Da geht es um Anlagensicherheit, ein sehr sensitives Thema, wo wir als BASF absolut sicherstellen wollen, dass wir die Kontrolle haben.
Umgedreht bieten Sie auch Ihre Kompetenzen als Dienstleistungen für Kunden außerhalb der BASF an. Welche Rolle spielt das Drittgeschäft?
Dr. V. Knabe: Drittgeschäft heißt für uns: Geschäft mit fremden Dritten außerhalb des Bilanzkreises der BASF-Gruppe. Bis vor einigen Jahren war das Drittgeschäft noch sehr stark dezentralisiert und von daher nicht recht zu beziffern. Erst seit Beginn des Standort-Projekts, das die BASF hier in Ludwigshafen vor sechs Jahren durchgeführt hat, wurden diese Dinge transparenter. Und jetzt haben wir uns auch für die Zukunft strategisch positioniert.
Wie?
Dr. V. Knabe: Wir machen Drittgeschäft nicht im Sinne eines eigenen Geschäftsmodells, um innerhalb der BASF einen Dienstleistungsbereich aufzubauen, sondern begleitend zu unserer Gesamtstrategie der Technik. Wir haben bestimmte Kriterien definiert, unter denen wir Geschäfte mit fremden Dritten bewusst zulassen und sie dann auch strategisch weiterentwickeln. Das können Gründe sein wie z.B. am Markt zu bleiben, um technologische Entwicklungen im Markt stärker verfolgen zu können. Wir machen es aber auch im Sinne von Know-how-Transfer aus dem Markt in die BASF. Und dafür haben wir 3% bis 4% unserer Mitarbeiter in Geschäften mit fremden Dritten verlässlich gebunden.
In welchen Arbeitsgebieten z.B.?
Dr. V. Knabe: Die Arbeitsgebiete sind sehr unterschiedlich. Nehmen Sie den Bereich der Hochdrucktechnologie, wo wir Apparate für sehr hohe Drücke in eigenen Werkstätten herstellen können. Und da Hochdrucktechnologie auch für uns intern wichtig ist, versuchen wir, dieses Know-how entsprechend beizubehalten und weiterzuentwickeln, auch, indem wir in den Drittmarkt hineingehen und uns dort positionieren. Dann gibt es andere, neuere Arbeitsgebiete wie die Oberflächentechnik, wo wir intern auch eigene Entwicklungen betreiben. Solche Arbeitsgebiete sind zum einen für uns intern interessant, aber sie bieten durchaus auch eine Möglichkeit, um andere Applikationen zusammen mit Drittkunden zu entwickeln. Nehmen Sie als drittes Arbeitsgebiet die Prozessanalysentechnik, ein Gebiet, das immer stärker an Relevanz gewinnt. Auch da betreiben wir Eigenentwicklung und versuchen, dann auch diese Eigenentwicklung mit nach außen zu vermarkten.
Sie haben gerade die Prozessanalysentechnik genannt. Sehen Sie andere Technologien, die eine ähnlich rasante Weiterentwicklung erleben?
Dr. V. Knabe: Insgesamt ist die Automatisierungstechnik ein Arbeitsgebiet mit einer sehr hohen Dynamik. Das ist nicht nur Prozessanalytik, sondern das gesamte Betreiben der Anlagen mit einem höheren Automatisierungsgrad. Wir haben heute über die Automatisierungstechnik deutlich mehr Möglichkeiten, die Anlagen effizienter zu bauen und zu betreiben. Und dabei gibt es noch eine ganze Menge Potential, gerade wenn Sie in Richtung Prozesssteuerung denken. Ein Stichwort ist „Advanced Process Control", wo Sie durch Optimierung der Regelung und der Steuerung der Anlagen diese an den jeweils optimalen Auslegungspunkten betreiben können und so z.B. Energie oder Rohstoffe sparen können. Und das auch über Simulationsrechnungen optimiert und KPI-gestützt, also über Kennzahlen, mit denen man je nach Veränderungen von Rohstoff- oder Energiepreisen den Fokus für das Fahren der Anlage verändern kann.
Sie haben erwähnt, dass die Optimierungsprojekte an andere Standorte der BASF-Gruppe getragen werden. Wie gewährleisten Sie denn den Informationsfluss und die Umsetzung dieser Projekte an anderen Standorten?
Dr. V. Knabe: Wir haben eine Art virtuelles Netzwerk, in dem alle unsere knapp 13.000 Technikmitarbeiter weltweit integriert sind. Diese Technical Community, die über Steuerungs- und Arbeitskreise zusammenkommt, um technische Lösungen zu erarbeiten, technisches Know-how weiterzuentwickeln oder auch vorhandenes Fachwissen auszutauschen, soll die Entwicklung der Technik insgesamt vorantreiben. Dazu gehören im Wesentlichen Schwerpunktarbeitsgebiete wie Anlagenbau, technische Fachzentren und Instandhaltung, aber auch der Technische Einkauf, der Bestandteil der Technical Community ist.
Gesteuert wird die Technical Community durch ein globales und mehrere regionale Lenkungsteams. Sie setzen Arbeitsteams ein, die bestimmte Themen bearbeiten. Darüber hinaus haben die Mitarbeiter innerhalb des Intranet-Portals der Technical Community mehrere Möglichkeiten, sich mit Kollegen über technische Fragen auszutauschen.