Digitale Light House Projekte zwischen CAPEX und OPEX
NAMUR Kolumne: Prozessindustrie
Digitale Konzepte und deren Machbarkeit werden oft in Light-House-Projekten überprüft. Da Digitalisierung aber typischerweise ein Enabler ist, erreicht man erst durch die Kombination mit weiteren Projekten die Umsetzung einer kompletten Strategie und erzielt am Ende den angestrebten Benefit. Für die Genehmigung solcher Einzelprojekte können keine klassischen CAPEX-Vorgaben, wie z. B. die Kapitalrückflussrechnung, herangezogen werden: Aus kurzfristig betrachteter betriebswirtschaftlicher Sicht würden solche Projekte nicht genehmigt werden. Eine Einordnung in die Gesamtstrategie ist an dieser Stelle die wesentlich zielführendere Grundlage, um die Projekte realistischer bewerten zu können.
Light-House-Projekte sollen aber auch Informationen liefern, ob Konzepte möglichst langfristig und effizient innerhalb einer Strategie einsetzbar sind. Leider werden diese Gesichtspunkte oft vernachlässigt, weshalb die Projekte zu Beginn hell erstrahlen, aber aufgrund eines hohen Pflegeaufwandes schnell an Leuchtkraft verlieren. Ein breiter Einsatz dieser Lösungen ist dann oft nicht mit vertretbarem Aufwand realisierbar. Um dem entgegenzuwirken sind für digitale Projekte möglichst frühzeitig Lifecycle-Konzepte zu erarbeiten, inklusive Update-Strategien und Schnittstellenmanagement zu anderen Systemen, um auch eine erste Bewertung der zukünftigen OPEX-Kosten vornehmen zu können.
Diese OPEX-Kosten werden in der Digitalisierung einen höheren Stellenwert einnehmen, solange Schnittstellen und Methoden nicht standardisiert sind und dadurch deren Pflege immer aufwändiger und teurer wird. Deshalb ist bei der Auswahl der zukünftig einzusetzenden Technologien darauf zu achten, dass sie effektive Instandhaltungskonzepte ermöglichen, ohne dabei die Verfügbarkeit von Produktionsanlagen zu beeinträchtigen.
Von APL bis NOA
Um diese Anforderungen erfüllen zu können, werden zur Zeit Technologien entwickelt, die sich vermehrt auf herstellerübergreifende Standards stützen, eine stetig wachsende Komplexität durch modulare und flexible Ansätze minimieren und durch eine Entkopplung der einzelnen Produktionsprozesse die Verfügbarkeit besser absichern.
Auf Feldgeräteebene ermöglicht der APL (Advanced Physical Layer) durch eine herstellerübergreifende digitale Kommunikation und ein flexibles Baukastenkonzept eine schrittweise Digitalisierung auf Feldgeräteebene, auch für den Brownfield-Bereich, der typischerweise eine höhere Einstiegshürde darstellt. Durch diese Standardisierung kann der zukünftige Pflegeaufwand signifikant minimiert werden.
Hersteller- und systemübergreifend entwickelte MTP (Module Type Package) eine schnellere und einfachere Einführung neuer Herstellungsprozesse durch einen modularen Ansatz und eine wesentlich günstigere Anbindung von Package Units an verschiedene Automatisierungssysteme.
Datentransparenz und Anlagenverfügbarkeit können aufgrund von Cybersecurity-Risiken im Widerspruch stehen. NOA (Namur Open Architecture) entkoppelt den Bereich der Prozessführung einer Produktionsanlage vom Monitoring & Optimization Bereich und löst diesen Widerspruch auf, z. B. für Cloud Computing, Big-Data-Analysen mittels künstlicher Intelligenz, Global Asset-Management, oder Predictive Maintenance. Der Einsatz von standardisierten Datenmodellen und einem integrierten Securitykonzept ermöglichen eine risikominimierte Projektumsetzung und ein Instandhaltungskonzept über den gesamten Life Cycle der Anlage.
Der weitere Einsatz proprietärer Konzepte, die sich meist schnell, aber leider nur als Insellösungen etablieren lassen, werden aufgrund des wachsenden Schnittstellenaufwands keinen wesentlichen Beitrag zur Reduktion der OPEX-Kosten liefern. Die neuen herstellerübergreifenden, modularen und entkoppelten Konzepte werden allerding erst einen positiven Beitrag liefern können, wenn sie auch angefragt, eingefordert und eingesetzt werden.
Damit bei zukünftigen digitalen Technologien LifeCycle-Konzepte und Update-Strategien ein fester Bestandteil in der Entwicklung sein wird, sind Hersteller und Entwickler auch weiterhin auf die Expertise der Anwender angewiesen. Ressourcen dafür zur Verfügung zu stellen bedeutet eine direkte Investition in Technologien, die in der Lage sind, aktuelle Probleme zu lösen anstatt zusätzliche Probleme zu erzeugen.
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