Die Physik für durchgängige Ethernet Connectivity
Hersteller und Anwender setzen auf Ethernet APL bei der Kommunikation bis ins Feld von Prozessanlagen
Ethernet APL (Advanced Physical Layer) vereinigt zwei bekannte Technologien: Ethernet für die nahtlose, parallele Kommunikation und robuste Zweidrahttechnik kombiniert mit Explosionsschutz für das Feld der Prozessanlage. Die Technologie ist definiert, erste Geräte stehen zur Verfügung.
Seit vielen Jahren sind Feldgeräte in der Verfahrenstechnik in der Lage, nicht nur ihre eigentliche Messaufgabe zu erfüllen, sondern auch weitergehende Informationen zu liefern.
Theoretisch wird so die installierte Basis transparent und detaillierte Gerätediagnoseinformationen stehen zur Verfügung, bspw. zur vorbeugenden Wartung der Instrumente. Allerdings wird dieser Mehrwert mit den momentan eingesetzten Technologien nur teilweise umgesetzt: Die 4-20mA-Analogtechnik ist nur für Prozesswerte geeignet, aber nicht für einen weiteren Datenzugriff. Das zusätzliche HART-Protokoll, das heute meistens nur für die Konfiguration der Geräte genutzt wird, ist langsam. Und die seit vielen Jahren bekannte Feldbustechnologie ist vielen Anwendern zu komplex und hat sich nie vollständig durchgesetzt.
APL soll jetzt der Digitalisierung in verfahrenstechnischen Produktionen einen Schub bescheren. Sicher und praktikabel können Daten aus allen Bereichen von Prozessanlagen vernetzt und zentral verfügbar gemacht werden. Das hilft Anwendern, aus Unmengen von Datenpunkten wertvolle Informationen abzuleiten.
„Mit Ethernet-APL können wir Daten aus dem Feld auch in der Cloud verarbeiten.“
Ethernet und die Prozessautomatisierung
Der Blick in andere Branchen zeigt, dass die Datenübertragung via Ethernet dort zum Standard nicht nur in der Büroumgebung, sondern auch im industriellen Einsatz geworden ist. Der Hauptvorteil liegt in der hohen Geschwindigkeit und der nahtlosen Integration in IT-Systeme. Lediglich im Feld der Prozessindustrie haben die Ethernet-Spezifikationen bislang die Erwartungen der Betreiber nicht erfüllt. Ethernet überträgt Daten zwar schnell, aber alle Komponenten benötigen eine separate Energieversorgung. Außerdem war Ethernet bislang auf 100 m Kabellänge beschränkt, während in Prozessanlagen oftmals Distanzen von 1.000 m und mehr zu überbrücken sind. Auch der typische RJ-45-Stecker ist nicht für die raue Umgebung im Feld ausgelegt. Doch das beste Argument bislang gegen den Einsatz von Ethernet in der Prozessindustrie war die mangelnde Eignung für Ex-Bereiche aufgrund der fehlenden Eigensicherheit.
Vor einigen Jahren haben sich Nutzerorganisationen und namhafte Hersteller – darunter auch Endress+Hauser und Pepperl+Fuchs, die jetzt in einer gemeinsamen Pressekonferenz den Stand der Entwicklungen vorstellten – zusammengetan, um genau diese Nachteile aus der Welt zu schaffen. Die Arbeit an den Spezifikationen ist mittlerweile abgeschlossen, alle Spezifikationen und Guidelines sind fertiggestellt, und viele Hersteller arbeiten bereits an ihrem APL-Portfolio arbeiten.
„Ethernet APL wird zum neuen Standard in der Prozessindustrie, um die Digitalisierung ab der Feldebene zu nutzen.“
Eigensicherheit gewährleisten
Als eine der vorrangigen Aufgaben der Arbeitsgruppe galt es, die Eigensicherheit zu gewährleisten. Dazu muss die Energieübertragung begrenzt werden – ein Widerspruch zu den Wünschen nach einer hohen Bandbreite, langen Kabeldistanzen und einer Robustheit gegenüber elektromagnetischen Störfaktoren. Auch mussten Fragen nach den Anforderungen an Kabel und Stecker bzw. die Art der Verbindung beantwortet werden.
Sämtliche Herausforderungen wurden erfolgreich gemeistert und ihre Lösung findet sich in verschiedenen Arbeitspapieren, Standards und Dokumenten wieder:
- 10BASE-T1L: Die Spezifikation IEEE802.3cg-2019 definiert die Full-Duplex-Datenübertragung mit 10 Mbit/s über ein Zweileiterkabel für Distanzen bis zu 1.000 m. Das ist auch die Basis zur Produktion von PHY-Komponenten (Microchips zur Codierung und Decodierung in Ethernet-APL-Geräten).
- 2-WISE: Das Konzept für 2-Wire Intrinsically Safe Ethernet (2-WISE) basiert auf dem Fieldbus Intrinsically Safe Concept (FISCO). Eine Migration von bestehenden Feldbusinstallationen wird durch kompatible Ex-i-Parameter vereinfacht und eine einfache Installation ohne umfangreiche Validierungen in Ex-Bereichen sichergestellt.
- Port Profiles: In der APL-Port-Profile-Spezifikation werden funktionale und elektrische Anforderungen mit mehreren Energiekonzepten festgelegt. Dies ermöglicht unterschiedliche Topologien, wie das gängige Trunk-and-Spur-Konzept, mit bis zu 1.000 m auf dem Trunk und 200 m auf der Spur-Line.
- Engineering Guideline: Sie bietet detaillierte Informationen für die Planung, Installation und Inbetriebnahme von Ethernet-APL-Netzwerken.
- Conformance Test Specification: Um die Konformität eines Ethernet-APL-Geräts mit den genannten Spezifikationen zu gewährleisten, wird eine entsprechende Testspezifikation erstellt als Basis für die Zertifizierungen von Ethernet-APL-Geräten bei akkreditierten Prüflaboren. Dadurch wird die Interoperabilität von Ethernet-APL-Geräten für den Endanwender sichergestellt.
„Konformitätstests sichern die Interoperabilität und erzeugen ein hohes Maß an Zuverlässigkeit.“
Feldgeräte verfügbar
Endress+Hauser arbeitet intensiv an der Entwicklung seines Ethernet-APL-Produktportfolios. Mit der Fertigstellung der APL-Spezifikationen und der entsprechenden Chips sind die notwendigen Puzzleteile dafür verfügbar. Im Laufe des ersten Halbjahres 2022 sollen Ethernet-APL-Geräte für die Messgrößen Durchfluss (mit verschiedenen Messprinzipien wie Coriolis, Vortex und magnetisch-induktiv), Füllstand, Druck und Temperatur auf den Markt gebracht werden. Die ersten Infrastrukturkomponenten für APL stehen bereits am Markt zur Verfügung: Pepperl+Fuchs bietet einen Switch für den Ethernet Advanced Physical Layer an. Das explosionsgeschützte Industrie-Tablet von Ecom Instruments, das für den Einsatz in rauer Umgebung ausgelegt ist und bei aller erforderlichen Robustheit trotzdem leicht und kompakt ist, unterstützt die Heartbeat Technology, die Endress+Hauser für unterschiedliche Diagnose-Applikationen einsetzt.
In der Praxis erprobt
Unternehmen wie die BASF stehen vor der Herausforderung, unzählige Produktionen und Anlagen weltweit auf einem zuverlässigen und funktionellen technologischen Stand zu halten. Um sicher zu stellen, dass einerseits leistungsfähige Technik eingesetzt wird und andererseits keine Überraschungen auftreten, werden neue Geräte und Technologien vorab auf Herz und Nieren getestet. Deshalb hat die BASF in Ludwigshafen schon im Jahr 2019 Ethernet-APL-Prototypen verschiedener Hersteller getestet – von der Installation über die Inbetriebnahme bis hin zum Ausschleusen von Daten parallel zum Prozessleitsystem. Das positive Resümee:
- Einfache und flexible Installation mit geringerem Platzbedarf im Rackroom.
- Einfache Inbetriebnahme.
- Stabile und schnelle Ethernet-Kommunikation über Zwei-Draht-Kabel; die Kommunikation mit Geräten unterschiedlicher Hersteller funktioniert einwandfrei.
- Plug&Play-Geräteaustausch auf Basis von Profinet-Funktionalität: Das System erkennt das neue Gerät automatisch und lädt die zugehörige Konfiguration; das neue Gerät ist in weniger als einer Minute verfügbar.
- Parallele Datenübertragung zu Cloud-Anwendungen über NOA-Kanal.
„APL dient als Türöffner für den intelligenten digitalen Zwilling im Ex-Bereich.“
So gibt sich dann auch Gerd Niedermayer, Senior E+I Engineering Manager bei der BASF, überzeugt: Das Ethernet-APL-Konzept wird zum neuen Standard in der Prozessindustrie werden, um die Digitalisierung ab der Feldebene zu nutzen.
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