Anlagenbau & Prozesstechnik

Die neue FDI-Ära beginnt

Herstellerneutrale Integration von Instrumentierung in die Leittechnik

29.10.2014 -

Die FDI-Spezifikation und -Komponenten (FDI - Field Device Integration) soll u.a. Flexibilität beim Einsatz von Grafik für spezielle bieten.
Die technischen Konzepte der FDI wurden in den letzten Jahren vielfach diskutiert. Aber wir müssen die FDI unter dem Blickwinkel der praktischen Probleme und der Realität des Endnutzers betrachten. Dieser Artikel befasst sich mit den Kernfragen, mit denen die Nutzer von Gerätemanagement-Tools konfrontiert sind, und wie die FDI diese Fragen beantworten kann. Am Ende des Artikels werden jene Probleme behandelt, die sich nicht alleine durch die FDI lösen lassen.

Der aktuelle Stand
Es gibt mehr als 30 Kommunikationsprotokolle (offene und proprietäre), die sich unter dem Begriff Automatisierungsprotokolle für die Industrie- / Prozessautomation zusammenfassen lassen. Bei über 90 % der Feldins­trumentierung in der Prozessautomation werden nur drei (HART, Profibus oder Foundation Fieldbus, nachfolgend Feldbus genannt) verwendet. Ohne näher auf die Vor- und Nachteile der einzelnen Kommunikationsprotokolle einzugehen, steht außer Zweifel, dass diese drei Protokolle bei der Verbesserung und Optimierung des Anlagenbetriebs (auch Enterprise Asset Management) eine wichtige Rolle spielen und ein großes Potenzial aufweisen.
Da die Feldinstrumentierung die Basis für ein enormes Verbesserungspotenzial bilden, ist deren Wartung und Pflege von größter Bedeutung. Die Tools zur Verwaltung der Instrumentierung müssen in der Lage sein, die Vorteile des jeweiligen Kommunikationsprotokolls in vollem Umfang zu nutzen. Darüber hinaus müssen die Tools für den Anwender möglichst einfach zu bedienen sein und alle Anwendungsfälle des Endnutzers berücksichtigen.
Außerdem gibt es unterschiedliche Nutzertypen, die die Feldbusgerätemanagement-Tools am Standort des Kunden verwenden. Während beispielsweise ein Servicetechniker für die Gerätediagnose nur online mit dem Gerät kommunizieren muss, will ein Inbetriebnahme-Ingenieur eventuell das Gerät zuerst offline konfigurieren und dann die Software in das Gerät laden. Dann gibt es noch die Geräteingenieure / Wartungsmanager, die einen Überblick über den Zustand des Geräts erhalten möchten. Alle diese Akteure möchten natürlich als Grundlage für ihre Maßnahmen und Entscheidungen dieselben Daten verwenden und nicht wegen einer mangelnden Anbindung oder völlig verschiedener Tools wichtige Informationen verpassen. Deshalb muss ein Gerätemanagement-Tool allen diesen Nutzern gleichzeitig dienen und immer noch einfach sein!

FDI beantwortet Kernfragen der Nutzer
Heute verfügt jeder große Anbieter von Automatisierungstechnik über ein Produktangebot, das von der Instrumentierung bis zu kompletten Leitsystemen reicht. Die meisten bieten auch ihre eigenen Gerätemanagement-Tools an.
Trotz der weitgehenden Standardisierung funktionieren die für ein System gelieferten Gerätetreiber (DTMs, EDD, usw.) in anderen Systemen nicht auf die gleiche Weise und haben auch ein anderes Aussehen. Deshalb muss der Nutzer unterschiedliche Treiber für verschiedene Tools verwenden, auch wenn das eigentliche Gerät dasselbe ist. Diese Situation stellt auch für die Anbieter von Instrumentierungstechnik ein Problem dar, denn sie müssen ihre Gerätetreiber anhand diverser Gerätemanagement-Tools testen.
Hier kommt das FDI-Device Package ins Spiel: Ein Gerät, ein Paket, alle Tools. Es gibt genau ein Device Package für jedes Gerät und es wird von allen Tools oder Systemen verwendet. Das Einsatzspektrum reicht von einzelnen PCs bis zu kompletten Prozessführungs- und Automatisierungssystemen. Egal welches Gerätemanagement-Tool von welchem Hersteller verwendet wird, das FDI- Device Package stellt sicher, dass es problemlos funktioniert.
Standardisierung hilft, aber die Benutzerschnittstelle ist suboptimal! Die Nutzer von Gerätemanagement-Tools beklagen dies seit Jahren. Mit Standardisierung und Empfehlungen bringt man die Gerätetreiber in den verschiedenen Tools kaum zum Laufen. Aber wird die Benutzerschnittstelle wirklich optimiert? Ist die grafische Darstellung zu groß oder zu klein, wenn derselbe Treiber in verschiedenen Tools verwendet wird? Wird der Text in einem Tool linksbündig und in einem andern rechtsbündig angezeigt?
Jeder Host interpretiert einen Gerätetreiber etwas anders, damit er zu seiner Bedienoberfläche passt. Geräteanbieter passen ihren Treiber jedoch zumeist an ein bevorzugtes Tool an. Obwohl es Anpassungen des Gerätetreibers an andere Tools gibt, passt er dann doch nicht so perfekt, als wenn er für dieses Tool erstellt worden wäre. Diese Probleme lassen sich nicht einfach mit Hilfe von Spezifikationen und Empfehlungen lösen. Hier liegt die größte Stärke der FDI: gemeinsame Host-Komponenten.
Die gemeinsamen Host-Komponenten bestehen aus der EDD-Engine und der UI-Engine. Alle FDI-Gerätepakete müssen in Bezug auf den aus den gemeinsamen Host-Komponenten bestehenden FDI-Referenzhost geprüft und zugelassen werden. Diese gemeinsamen Host-Komponenten werden den Host-System-Herstellern zur Implementierung ihrer Tools zur Verfügung stehen. Die Verwendung der gemeinsamen Host-Komponenten stellt Folgendes sicher:

  • Die Darstellung des FDI-Gerätepakets wird bei den verschiedenen Tools gleich sein.
  • Da die Gerätepaketentwickler bei der Entwicklung den FDI-Referenzhost verwenden, wird die Darstellung der Grafiken, Bilder usw. im Device Package deutlich verbessert und entspricht den Vorstellungen des Geräteherstellers.
  • Außerdem brauchen die Gerätehersteller und die Host-System-Anbieter ihre Gerätetreiber nicht mehr in verschiedenen Tools zu prüfen.

Uneinheitliches Erscheinungsbild, uneinheitliches Verhalten.

Inkonsistenzen werden behoben
Die Endnutzer wurden bislang am meisten durch das uneinheitliche Erscheinungsbild irritiert. Gleiches gilt auch für das uneinheitliche Verhalten eines Gerätetreibers in verschiedenen Host-Systemen oder von Treibern für verschiedene Geräte in demselben Host-System. Der wesentliche Grund für diese Situation ist die Tatsache, dass jeder Host einen Gerätetreiber in sein eigenes Bedienschnittstellenparadigma einpasst und dass jeder Gerätehersteller seine eigene Auffassung davon hat, welche Parameter für einen Nutzer wichtig sind oder zu einer bestimmten Funktionalität wie Diagnose oder Betrieb gehören. Dies führt zu Inkonsistenzen:

  • in der Menüstruktur / -bezeichnungen, unterschiedliche Bezeichnungen, Menübezeichnungen / Kennzeichnungen
  • bei der Übersetzung der Bezeichnungen in andere Sprachen
  • beim Zugriff auf Variablen für die benannten Nutzer
  • Diese Unstimmigkeiten werden weitgehend durch einige weniger bekannte, von der FDI durchgeführte Maßnahmen behoben. Das ist zum einen der FDI Usability Style Guide. Er dokumentiert ausführlich verschiedene Aspekte der Bedienschnittstellengestaltung für FDI-Gerätepakete:
  • Quellcodebeispiele oder Skizzen der grafischen Darstellung der Bedienelemente oder der Frames.
  • Standardisierte Bezeichnungen : beispielsweise die Hauptmenüs wie Geräteeinstellungen, Diagnose, Bedienung und Maßnahmenbezeichnungen wie "Annehmen", "Abbrechen", "Weiter" usw.
  • Übersetzungen in die wichtigsten Sprachen (Deutsch, Französisch, Spanisch, Italienisch, Chinesisch, brasilianisches Portugiesisch, Japanisch und Russisch) für diese Bezeichnungen werden ebenfalls dokumentiert.

Eine weitere Maßnahme der FDI ist die Spezifizierung von Benutzersichten. Eine Benutzersicht spezifiziert eine Reihe von Aufgaben, die von einer bestimmten Rolle ausgeführt werden müssen. Die FDI unterstützt Rollen nach dem Konzept der vom Kunden anpassbaren Benutzersichten. Die Pflege der Benutzersicht umfasst sämtliche Kernfunktionen und Variablen/Parameter für die Inbetriebnahme und den Austausch eines Geräts. Der Benutzersichtenspezialist ermöglicht den unbeschränkten Zugriff auf alle Gerätefunktionen und Variablen einschließlich der Kernfunktionen.
Die Benutzersichten und die Harmonisierung der EDDL waren im übrigen die Hauptforderungen der Interessengemeinschaft Automatisierungstechnik der Prozessindustrie (Namur). Darüber hinaus werden die FDI-Gerätepakete auf der harmonisierten EDDL basieren. So wird sichergestellt, dass alle neuen EDDs die aktualisierte und optimierte IEC 61804-3 Norm verwenden und auf die drei Protokolle anwendbar ist: HART, Profibus und Foundation Fieldbus.

Wertvolle Geräteinformationen ­zugänglich machen
In der ersten Nutzungsphase einer Anlage sind die Nutzer mit den in den Gerätemanagementtools vorhandenen Informationen zufrieden. Früher oder später wird es notwendig sein, die wertvollen, im Gerät abgelegten Informationen in Tools / Systemen außerhalb des Gerätemanagement-Tools verfügbar zu machen. Gründe hierfür können die Analyse des Gerätezustands, Störungen, Kalibrierdaten oder einfach der Zugriff von einem anderen Spezialtool auf ein Gerät einer bestimmten Marke sein.
Die meisten Gerätemanagement-Tools ermöglichen keinen transparenten und einfachen Zugriff auf diese wertvollen Informationen, die sie von den Feldgeräten haben. Selbst wenn das Gerätemanagement-Tool den Zugriff auf die geräteinternen Informationen erlaubt, sind noch eine ganze Reihe von Schritten oder zusätzliche Hardware / Software nötig.
Technologien wie OPC-UA spielen beim „einfachen" Zugänglichmachen von Informationen für die Tools von Fremdanbietern eine sehr effektive Rolle. Die Verwendung der Standardschnittstelle OPC-UA in den FDI Hosts ermöglicht einen bequemen Zugang von anderen Applikationen aus.

  • Applikationen können ohne Unterstützung durch den Lieferanten des FDI Hosts erstellt und entwickelt werden.
  • Vom FDI-Server unterstützte OPC-UA-Services ermöglichen einen sicheren Zugang zum Gerät oder zu offline gespeicherten Daten.
  • Generische OPC-UA Clients können Wartungstools oder MES- bzw. ERP-Systeme sein.

Ein zu berücksichtigender Aspekt ist, dass nicht alle vorhandenen Geräte sofort mit den FDI-Gerätepaketen ausgestattet sein werden. Es wird einige Zeit dauern, bevor eine entsprechende Anzahl von FDI-Gerätepaketen auf dem Markt verfügbar sein wird. Aber die Nutzer brauchen sich keine Sorgen zu machen, denn die FDI wird die vorhandenen Gerätetreiber unterstützen.

Darauf sollte man achten...
Es klingt also so, als ob die FDI jedes nur erdenkliche Anliegen aller Nutzer der Feldbusgerätemanagement-Tools erfüllen würde. Das stimmt nicht so ganz! Es gibt einige wenige Fragen, die nicht einfach mit einer Spezifikation oder einer Standardisierung beantwortet werden können. Bei den Tools zur Umsetzung dieser Standards müssen einige weitere Punkte berücksichtigt werden:
Wie einfach ist es, das Tool zu nutzen, zu beschaffen und zu installieren? Manchmal ist es der erste Schritt, der am meisten Zeit kostet. Viele Tools sind sehr umfangreich, sodass das Download und die Installation zeitaufwendig sind. Daneben erfordern viele Tools spezielle Voraussetzungen, wie die Installation der .NET-Technologie und / oder Datenbankanwendungen wie z. B. SQL. Dadurch verlängert sich die Installationsdauer. Die Installationsprobleme sind damit noch nicht zu Ende. Die Gerätetreiber müssen installiert / importiert werden. Vielleicht liegen die Gerätetreiber auch nicht in der neuesten Version vor.
Die Installation und Konfiguration des Modemtreibers ist ein weiterer Schritt. Die Vorgehensweise ist von Anbieter zu Anbieter unterschiedlich. Anschließend erfordern die meisten Tools eine manuelle Aktualisierung des Katalogs. Oftmals müssen noch Lizenzen freigeschaltet / aktiviert werden. Schließlich ist der Nutzer fast fertig. Einige wenige weitere Klicks, um die Kommunikation mit dem Gerät aufzunehmen, es zu scannen oder freizuschalten, müssen noch gemacht werden.

Nicht „intuitiv", sondern „gewöhnungsbedürftig"
In den meisten Fällen möchte der Nutzer lediglich einige Standardparameter (z. B. Bezeichnung, Bereich, Einheit) konfigurieren oder dieselben Parameter oder Funktionen (z. B. Nullstellung) immer und immer wieder ausführen. Die meisten Tools unterstützen solche Aufgaben nicht. Selbst wenn, dann ist dies nur umständlich möglich. So etwas frustriert die Nutzer. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Tools weder die Hauptaufgaben des Nutzers unterstützen noch die Ausführung erleichtern.
Die Probleme des Nutzers beschränken sich nicht allein auf die Anzahl der Klicks, sondern der Bildschirm wird mit einer Unmenge an Informationen überfrachtet und das meist auch noch mit ungewohnten Farben und Icons. Die Tools unterscheiden sich erheblich bei der Verwendung von Farben und Icons für den Gerätestatus. Eine Möglichkeit ist die Verwendung standardisierter Statusanzeigen, wie sie von Namur vorgeschrieben werden.

Tools sind nicht skalierbar und unflexibel
Heutzutage findet der Nutzer eine Vielzahl von Tools - von einfachen, kostenlosen Paketen bis zu teuren, komplett systemintegrierten Programmen. Häufig jedoch möchte derselbe Käufer (Kunde) ein und dasselbe Werkzeug auf verschiedene Weisen nutzen. Ein Servicetechniker beispielsweise möchte, wenn er auf der Anlage vor einem Geber steht, ein leichtes, schnell und einfach zu bedienendes Programm, das online mit dem Gerät kommunizieren kann - mehr nicht. Derselbe Techniker benötigt eine deutlich umfangreichere Funktionalität (Diagnose, Kalibrierung, Loop-Prüfung, Geräteaustausch), wenn er sich im Labor befindet. Deshalb sind Skalierbarkeit und Flexibilität sehr wichtige Kriterien. Können die Standardfunktionen / -version auf zahlreichen Clients / Clienttypen installiert werden (selbst dann, wenn sich der Nutzer vor Ort bewegt), während die Vollversion auf den Engineering-Systemen installiert ist, die mit den Leitsystemen kommunizieren und vollständig in diese integriert sind, und - um noch einen Schritt weiterzugehen - sogar in anlagenweite Applikationen wie ERP integriert sind?
Obwohl es also bei der FDI darum geht, bei den Feldbussen eine neue Ära einzuleiten, sollte der Blick fest darauf gerichtet sein, wie die Anbieter von Gerätemanagement-Tools von dem neuen Standard und der neuen Technologie profitieren. Achten Sie deshalb auf neue FDI-Produkte!

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