Die Macht des Risikomanagements
Revolution im Chemietransportmanagement
Sie müssen Routen und Pläne kurzfristig ändern und im schlimmsten Fall Verluste hinnehmen, wenn sich Kundenerwartungen nicht erfüllen lassen. Bei dem Transport von gefährlichen Gütern sorgen Sicherheits- und Transportvorschriften für zusätzliche Komplexität.
Chemieunternehmen widmen sich dem Thema Risikomanagement oft erst, wenn sie keine andere Wahl mehr haben. Ein strukturiertes, durch modernste Technologien unterstütztes Risikomanagement kann jedoch die negativen Folgen von Risiken abmildern oder gar verhindern – und damit eine neue Ära im Transportmanagement einleiten.
Neuer Meilenstein im Chemietransportmanagement
Risikomanagement umfasst eine Reihe von Prozessen, Methoden und Instrumenten, die Unternehmen einsetzen, um ihre Risiken und deren Auswirkungen auf den laufenden Betrieb zu erkennen, zu bewerten und zu mindern. Im Transportwesen beinhaltet Risikomanagement die Identifizierung potenzieller Risiken, einschließlich Verspätungen, Unterbrechungen und Sicherheitsproblemen.
Hilfreich ist eine Strukturierung in fünf zentrale Phasen: Die Identifikationsphase dient dem Erkennen potenzieller Risiken. In der anschließenden Bewertungsphase werden die identifizierten Risiken hinsichtlich ihrer Wahrscheinlichkeit und möglichen Auswirkungen analysiert. Die Schadensbegrenzungsphase widmet sich der Entwicklung und Umsetzung von Strategien zur Risikominimierung oder -kontrolle. Anschließend erfolgt die Überwachung und gegebenenfalls Anpassung der implementierten Maßnahmen. Die Kommunikation als letzte Phase ist entscheidend für das transparente Übermitteln von Risikoinformationen an die jeweiligen Stakeholder sowie die regelmäßige Berichterstattung über den Status der Risiken und die Effektivität der ergriffenen Maßnahmen.
Diese Struktur erlaubt nicht nur das proaktive Erkennen von Risiken, sondern auch die Umsetzung effektiver Strategien, um Unfallrisiken zu reduzieren und den möglichen Schaden zu begrenzen. Darüber hinaus lässt sich die Compliance mit internationalen Vorschriften und Umweltaspekten systematisch berücksichtigen, wodurch Chemietransporte nicht nur sicherer, sondern auch nachhaltiger werden. Modernste Technologien und Datenanalytik, wie sie heute bereits zur Verfügung stehen, können die einzelnen Phasen so unterstützen, dass das Risikomanagement in der Chemiebranche eine gänzlich neue Wirksamkeit erhält.
Risikomanagementstrategien für den Chemietransport
Ergänzend zu der strukturierten Betrachtung der fünf Phasen sollten in einem professionellen Risikomanagement strategische, taktische und operative Aspekte berücksichtigt werden.
- Strategisches Risikomanagement: Auf strategischer Ebene befassen sich Unternehmen aktiv mit Richtlinien, die den nationalen und internationalen Vorschriften für den Transport von Chemikalien entsprechen. Das sichert die Einhaltung von GHS (Globally Harmonised System), transportspezifischen Vorschriften und Umweltstandards, mindert rechtliche Risiken und demonstriert das Engagement für Umwelt- und Sicherheitsstandards. Darüber hinaus werden auf dieser Ebene Maßnahmen geplant, welche die weltweite Resilienz der Lieferkette unterstützten. Dazu zählen z.B. die Diversifizierung der Zulieferer, das Einrichten alternativer Transportrouten, Sicherstellen von Redundanzen bei kritischen Logistikfunktionen und der Einsatz von fortschrittlichen Technologien wie GPS-Tracking und Echtzeitüberwachung.
- Taktisches Risikomanagement: Auf der taktischen Ebene bewerten Unternehmen sorgfältig ihre Lieferanten und Spediteure, um deren Kompetenz, Zuverlässigkeit und die Einhaltung von Sicherheitsstandards zu gewährleisten. Die Definition von Auswahlkriterien und regelmäßige Leistungsüberprüfungen sind Beispiele. Darüber hinaus werden Notfallmaßnahmen geplant wie etwa umfassende Notfallpläne, Schulungen des Personals und die Koordination mit örtlichen Behörden. Besonders wichtig im taktischen Risikomanagement sind die Verbesserung der Transparenz über die Lieferkette sowie die Zusammenarbeit mit Lieferanten und Spediteuren.
- Operationales Risikomanagement: Das operative Risikomanagement im Chemietransport erfolgt u.a. über die Implementierung von Echtzeit-Überwachungs- und Verfolgungssystemen mittels Sensoren, IoT-Geräten (Internet of Things) und GPS. Regelmäßige Schulungsprogramme für das Transportpersonal sind von entscheidender Bedeutung. Sie umfassen Sicherheitsprotokolle, Notfalleinsatzverfahren und Compliance-Anforderungen. Das operative Risikomanagement beinhaltet auch detaillierte Notfallpläne und Simulationen zur Identifikation von Schwachstellen. Dies gewährleistet die Effektivität der Reaktionspläne und bereitet das Personal auf unerwartete Ereignisse vor.
Revolution im operativen Risikomanagement
Gerade im operativen Risikomanagement sind die meisten Chemieunternehmen noch in der Vergangenheit verhaftet. Wenn sie überhaupt reagieren, dann oft erst, wenn z.B. eine Straße durch ein Unwetter schon nicht mehr passierbar, aber der Transport bereits unterwegs ist. Nach Lösungsmöglichkeiten wird häufig erst gesucht, wenn eine Beeinträchtigung durch Risiken nicht mehr abzuwenden ist und sich auf ganze Lieferkette auswirkt.
Spezialisierte Risikomanagementplattformen eröffnen heute völlig neue Möglichkeiten. So prognostizieren sie nicht nur für den Chemietransport relevante Störungen, sondern entwickeln auch passgenaue Strategien zur Risikominderung. Im oben genannten Beispiel hätte eine entsprechende Plattform das Wetterereignis sowie mögliche Straßensperrungen prognostiziert und eine alternative Route vorgeschlagen oder den Empfänger vorgewarnt, dass sich die Lieferung voraussichtlich verspätet. Der Empfänger wäre damit in der Lage, die Ware bei einem alternativen Lieferanten neu zu bestellen oder der Lieferant schickt eine Eilsendung auf einem anderen Transportweg los.
Echtzeiteinblicke in Transporte erhöhen die Anpassungsfähigkeit des Transportbetriebs. Sie ermöglichen eine zeitnahe Reaktion auf Risiken wie z.B. Verschüttungen, Lecks oder Vorschriftenänderungen und fördern auch die Flexibilität bei der Bewältigung chemiespezifischer Herausforderungen innerhalb der Betriebslandschaft.
Behördliche Anforderungen und Sicherheitsrisiken während des Transports von Chemikalien werden ebenso berücksichtigt. So analysieren die Plattformen z.B., durch welche Länder der Transport gehen soll und welche Vorschriften für Chemikalien dort gelten. Der Anwender erhält dann automatisch die Information, ob und wie bestimmte Güter deklariert werden müssen, ob eine zusätzliche Verpackung nötig ist und wie eventuelle zusätzliche Vorschriften eingehalten werden können. Die Plattformen verfügen nicht nur über den aktuellen Stand der jeweiligen Gesetze, sondern informieren bei zukünftigen Transporten bereits über mögliche Änderungen und neue Gesetze, auch wenn diese noch nicht beschlossen sind.
Das Kühlkettenmanagement schlägt die geeignete Ausrüstung für einen sicheren Transport temperaturempfindlicher chemischer Güter vor, liefert Routenwarnungen, wenn z.B. unterwegs ein Temperaturabsturz droht, und ermöglicht proaktive Maßnahmen seitens der Betreiber. Das wiederum optimiert die Risikoberechnung und trägt zur Schadensbegrenzung bei.
Risikomanagement lohnt sich
Die Beispiele zeigen eindrücklich, wie ein strukturiertes, mit entsprechenden Plattformen unterstütztes Risikomanagement das proaktive und schnelle Erkennen und Korrigieren von Problemen im Chemietransport ermöglicht. Damit trägt es entscheidend zu einer deutlich sichereren und effizienteren Lieferkette bei und katapultiert das Chemietransportmanagement in ein neues Zeitalter.
Autoren:
Leonie Zwartjes, Beraterin im Kompetenzzentrum Transport Management, Camelot Management Consultants AG, Köln
Jörg Broschart, Leiter Kompetenzzentrum Supply Chain & Logistics Solutions, Camelot ITLab GmbH, Mannheim
Zur Person
Leonie Zwartjes studierte Betriebswirtschaft mit dem Schwerpunkt Produktion, Logistik und Supply Chain Management an der Universität Wien. Als Beraterin bei Camelot Management Consultants unterstützt sie Unternehmen im Bereich Transportmanagement. Zu ihren fachlichen Schwerpunkten zählen die Themen Risikomanagement und SAP Transportation Management (SAP TM).
Zur Person
Jörg Broschart, verantwortet das Kompetenzzentrum Supply Chain & Logistics Solutions bei Camelot. Der Diplom-Wirtschaftsingenieur ist inzwischen ein anerkannter Logistik- und IT-Experte, wobei der Schwerpunkt auf neuen Technologien und deren Anwendung liegt. Zu seinen Spezialgebieten zählen SAP Transportation Management (TM), Logistik-Systemarchitekturen sowie SAP Software Development & Engineering.