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Deutscher Zukunftspreis: Nominierung für Separator-Technologie von Evonik

27.10.2011 -

Deutscher Zukunftspreis: Nominierung für Separator-Technologie von Evonik

Seit 1997 würdigt der Deutsche Zukunftspreis, der Preis des Bundespräsidenten für Technik und Innovation, hervorragende Leistungen in Forschung und Entwicklung. Mehr als 40 Projekte von herausragender Bedeutung für Wissenschaft und Wirtschaft wurden bislang für den Deutschen Zukunftspreis nominiert; zehn Teams bzw. Einzelforscher ausgezeichnet, darunter der diesjährige Nobelpreisträger Prof. Peter Grünberg.

Am 6. Dezember ist es wieder so weit: Eine hochkarätig besetzte Jury entscheidet über den Preisträger des Zukunftspreises 2007. Zu den nominierten Projekten zählt auch eine Innovation aus der Chemie: Unter dem Titel „Nanoschicht mit Megaleistung“ geht ein keramischer Separator für Lithium-Ionen-Akkus von Evonik Industries ins Rennen. Dr. Andrea Gruß befragte den Sprecher des Forscherteams, Dr. Andreas Gutsch, zum Potential dieser Entwicklung.

CHEManager: Herr Dr. Gutsch, Sie bilden mit Prof. Gerhard Hörpel und Prof. Paul Roth eines der vier Teams, die für den Deutschen Zukunftspreis 2007 nominiert sind. Welche Leistung von Ihnen wird dabei honoriert?

Dr. Andreas Gutsch: Wir haben eine Technologie für besonders leistungsfähige, langlebige und sichere Lithium-Ionen-Akkus entwickelt. Lithium-Ionen- Akkus bieten chemisch die höchste Leistungsfähigkeit. Kleine wieder aufladbare Batterien dieses Typs sind als Energiespeicher für tragbare elektronische Geräte wie Handys, Notebooks und Camcorder bereits weit verbreitet. Auch in Werkzeugen wie Akku-Schraubern und -Bohrern finden sie zunehmend Verwendung.

Wo aber Energiespeicher mit hoher Kapazität benötigt werden, konnten Lithium-Ionen-Akkus bislang nicht genutzt werden. Denn der Energieinhalt der großen Batterien ist so hoch, dass diese bei einer Beschädigung explodieren können. Wir haben bei Evonik Industries gemeinsam mit Prof. Gerhard Hörpel und Prof. Paul Roth von der Universität Duisburg-Essen ein System entwickelt, das den Betrieb eines Lithium-Ionen- Akkus erstmals intrinsisch sicher, und damit für größere, stationäre Anwendungen nutzbar macht.

CHEManager: Wie gelang Ihnen dies?

Dr. Andreas Gutsch: Die zentrale Innovation ist ein keramischer Separator. Er trennt in der Batterie Anode und Kathode, also Plus- und Minuspol, – und verhindert so einen Kurzschluss. Gleichzeitig lässt er elektrische Ladungsträger passieren und sorgt dadurch für einen Stromfluss in der Zelle.

Bei kleineren Lithium-Ionen-Batterien dient in der Regel eine Kunststofffolie als Separator. Sie ist für Hochleistungsanwendungen aber nicht stabil genug. Der neuartige Separator dagegen besteht aus einem porösen keramischen Material, ist sehr temperaturstabil und unempfindlich gegen Beschädigungen.

Ursprünglich wurde die keramische Membran für die Wasserfiltration entwickelt. In einem gemeinsamen Projekt der Evonik Industries und dem Institut für Verbrennung und Gasdynamik der Universität Duisburg-Essen gelang es, sie mit nur rund 20 μm so dünn zu machen, dass sie sich für den Einsatz in Batterien eignet.

CHEManager: Welche Rolle spielt dabei die Nanotechnologie?

Dr. Andreas Gutsch: Keramik ist üblicherweise steif und zerbrechlich. Die Herausforderung lag darin, das Material so flexibel zu gestalten wie eine Plastiktüte. Diese Flexibilität ist zwingend notwendig, denn die Verarbeitungsverfahren in der Batterieindustrie brauchen rollenbasierte Produkte.

Möglich wurde diese Flexibilität durch den Einsatz von keramischen Nanopartikel, die in geeigneter Weise miteinander vernetzt wurden. Hierin liegt in meinen Augen auch unsere wesentliche Leistung: die keramischen Partikelmaterialien in ein Trägermaterial einzubringen und dabei sowohl eine hohe Temperaturstabilität als auch Durchlässigkeit für Lithium- Ionen zu erzielen.

Der Nutzen des keramischen Nanomaterials lässt sich mit einem einfachen Experiment veranschaulichen: Nehmen Sie zwei große Lithium-Ionen- Batterien, einmal mit einem Kunststoff-Separator und einmal mit einem keramischen Separator. Bei sonst gleichen Bedingungen schlagen Sie in beide Zellen einen Nagel. Sie sehen in einem Fall eine schöne Leuchterscheinung und im anderen Fall nicht. Und das ist systemimmanent, weil es keine Kunststoffe auf dieser Welt gibt, die Temperaturen aushalten, wie sie bei einem Kurzschluss entstehen.

CHEManager: Diese Entwicklung haben Sie sich natürlich mit Patenten abgesichert...

Dr. AndreasGutsch: Ja, es gibt durchaus den einen oder anderen Wettbewerber, der versucht, Ähnliches zu entwickeln. Unser System ist jedoch mit rund 25 Patenten abgesichert, und zwar als Stoff, als Verfahren und als Anwendung.

CHEManager: Wann begannen Sie mit der Entwicklung des Separators?

Dr. Andreas Gutsch: 1996 gab es die ersten Berührungspunkte bei der Herstellung von Nanopartikeln zwischen Evonik Industries und diversen Hochschulen, und eine davon, sicherlich die führende, war die Uni Duisburg. Im Jahr 2000 startete dann ein Gemeinschaftsprojekt, bei dem wir sieben Universitäten und Evonik Industries an einem Ort zusammenbrachten: Wir stellten ein Team und die Universitäten stellten Teams von Mitarbeitern, die an einem Ort in Hanau zusammenarbeiteten. Das Ganze hieß „Projekthaus Nanomaterialien“.

Wir generierten in diesem Projekt eine Kompetenz in der Nanotechnologie ohne Gleichen. Die Geschwindigkeit, mit der diese offene Kooperation zwischen Hochschule und Industrie Know-how aufbaute, war atemberaubend.

CHEManager: Ihre Innovation – ein wichtiges Kriterium der Nominierung zum Deutschen Zukunftspreis – ist inzwischen marktfähig. Wann sind Sie zum ersten Mal mit einem fertigen Produkt in den Markt gegangen?

Dr. Andreas Gutsch: Unsere ersten Umsätze haben wir im Jahr 2004 erzielt. Heute ist der Separator eine Technologieplattform mit verschiedenen Dicken und Porositäten. Es gibt einen Separator, der ungefähr so dick ist wie ein Haar, also 40 μm, das war eines der ersten Produkte. Heute sind wir bei etwas über 20 μm. Und im weiteren Umfeld sind noch andere Produkte hinzugekommen.

CHEManager: Welches Anwendungspotential erschließt sich durch Ihr Produkt?

Dr. Andreas Gutsch: Energieträger auf Basis der Lithium-Ionen- Technologie können nun erstmals auch als Batterie in Hybridfahrzeugen genutzt werden – in Autos, in denen ein Verbrennungs- und ein Elektromotor genutzt werden. Damit lassen sich bis zu 30 % an Kraftstoff und damit auch an Kohlendioxid einsparen. Die neuen Batterien ermöglichen auch bei elektrischem Antrieb eine hohe Reichweite. Die Lithium- Ionen-Akkus können zudem die Nutzung von regenerativen Energiequellen wie Wind- und Sonnenenergie unterstützen, indem sie im Überschuss erzeugte elektrische Energie speichern.

Bei netzgekoppelten Anlagen kann die Energie dann später wieder abgegeben und ins Stromnetz eingespeist werden. Das sorgt für verlässliche Stromversorgung – trotz der unregelmäßigen Stromerzeugung in Wind- und Photovoltaikanlagen. Wir sind davon überzeugt, dass diese Anwendung ein grandioses Marktpotential hat.

CHEManager: Wie viele Arbeitsplätze wurden durch Ihre Entwicklung bereits geschaffen?

Dr. Andreas Gutsch: Innerhalb von Evonik Industries, also unmittelbar in unserem Verantwortungsbereich, sind bislang 60 Personen beschäftigt; weitere 20 Personen sind Dienstleister im Konzern. Wir haben mit einem mittelständischen Unternehmen aus dem Sauerland in der Nähe von Dresden eine Fabrikationshalle erworben und verfügen jetzt über die größte Produktionsstätte in Europa für Lithium-Ionen-Technologie. Dort sind zusätzliche 40 Arbeitsplätze geschaffen worden und wir stellen weiter ein.

CHEManager: Welches Marktvolumen erwarten Sie für Ihre Technologie in Zukunft?

Dr. Andreas Gutsch: Die Innovation erschließt einen großen Markt: Prognosen zufolge wird sich der Umsatz mit Materialien für Lithium- Ionen-Batterien bis 2015 auf 3,9 Mrd. € fast verdreifachen. Die Entwicklung bietet zudem die Chance, einen Teil des in den letzten Jahrzehnten nach Ostasien abgeflossenen Batterietechnologie- Know-hows nach Deutschland zurückzuholen.

CHEManager: Ihr Projekt ist durch die Nominierung als innovatives Projekt gewürdigt worden. Wie definieren Sie persönlich Innovation?

Dr. Andreas Gutsch: Unter Innovation verstehe ich das Verändern eines Zustandes, gepaart mit Erfolg.

CHEManager: Wie sehen Sie die Leistungsfähigkeit Deutschlands bezogen auf Innovation und Technologie im internationalen Vergleich?

Dr. Andreas Gutsch: Wir sind in Deutschland wissenschaftlich führend! Das kann ich als Gutachter der DFG bestätigen. Unser Defizit besteht darin, aus diesen wissenschaftlichen Erkenntnissen auf dem internationalen Markt profitable Umsätze zu generieren. Ich bin der festen Überzeugung: Wir sind zu risikoavers. Wir honorieren Risiko nicht und fokussieren zu sehr darauf, dass man, wenn etwas scheitert, als gescheitert gilt. Das müssen wir ändern.

Wir müssen dazu kommen, uns mehr zu trauen, auch mal ins Risiko zu gehen und zu lernen, damit umzugehen, wenn ein Projekt scheitert. Was nicht bedeutet, dass die Personen gescheitert sind. Wir brauchen eine Entkopplung des Begriffs „Scheitern“ von Personen und „Scheitern“ von Projekten.

CHEManager: Was treibt Sie heute an? Gibt es einen Traum, den Sie verwirklichen möchten?

Dr. Andreas Gutsch: Ich bin überzeugt, dass unsere Technologie zur Lösung zentraler Probleme, wie der CO2- und der Feinstaubthematik beitragen kann. Des Weiteren möchte ich bald in einem von Lithium- Ionen betriebenen vollelektrischen Fahrzeug sitzen – aber das ist kein Traum - das ist nur eine Frage der Zeit.

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