Strategie & Management

Der Turbulenz-Tacho ist neu justiert!

Mit „Connected Lean“ die Kombination von Digitalisierung und Lean Management forcieren

16.09.2020 - Conor Troy beantwortet im Interview die Frage, wie mit der Kombination von Lean und Digital in komplexen Produktionssystemen Optimierungspotenziale zu erkennen sind.

Die Kombination von Lean und Digital ist der logische Schritt, um auch in komplexen flexiblen Produktionssystemen Transparenz zu bekommen und Optimierungspotenzial zu erkennen. Wie man auch in turbulenten Zeiten zu schnelleren Analysen von Prozessveränderungen kommt und geeignete Reaktionsmöglichkeiten erkennt, diskutierte Volker Oestreich mit Conor Troy, dem geschäftsführendem Inhaber von Conor Troy Consulting.

CHEManager: Herr Troy, bestimmt sind Sie es gewohnt, Firmen in turbulenten Zeiten zu betreuen. Was ist das besondere an der derzeitigen Situation in der Coronakrise?

Conor Troy: Corona ist derzeit in der Tat der Haupt-Turbulenzverursacher, aber Turbulenzen gab es auch vor Corona schon und wird es nach Corona wieder geben – für einzelne Firmen, für Branchen, für die regio­nale Wirtschaft oder auch für die Weltwirtschaft. Das besondere an der jetzigen Situation ist, dass fast die gesamte Weltwirtschaft und fast alle Branchen und damit auch Lieferketten gleichzeitig betroffen sind, ohne dass es einen dafür Schuldigen gibt. Die Unternehmensführung wird immer wieder vor neuen Herausforderungen durch Turbulenzen oder stürmische Zeiten stehen, aber dafür ist sie ja da: Führung muss Verantwortung übernehmen insbesondere für die Veränderung, Manager müssen Leader werden für Change Management. Und da ist in der Tat der Turbulenztacho durch Corona neu justiert worden.

Welche besonderen Herausforderungen sehen Sie aktuell?

C. Troy: Da sind einige zu nennen, sowohl was die Führungsqualität als auch fachlich-technische Ausstattung und Durchdringung angeht. Führung auf Distanz, also ohne den regelmäßigen direkten Kontakt, erfordert besondere Fähigkeiten: Engagement, Motivation und Führung von Mitarbeitern oder Teams muss mit anderen Methoden konsequent weitergeführt werden. Das ist besonders wichtig, wenn zusätzliche Herausforderungen wie schwankende Auftragsvolumen oder die Shop-Floor-Routinen unter Corona-­Bedingungen gewohnte Abläufe verkomplizieren. In vielen Firmen gibt es digitale Defizits, die nicht nur die Verlagerung der Bürotätigkeit in ein Homeoffice, sondern auch die Remote-Steuerung der Fertigung nicht so gut gelingen lassen, wie es möglich wäre. Kompetenzlücken, die in der täglichen Arbeit durch einen Zuruf zwischen Kollegen überbrückt werden können, fallen jetzt deutlicher auf und wirken sich aus. All dies ist mit ein Grund, weshalb wir gemeinsam mit Bilfinger Digital Next das Konzept „Connected Lean“ geschaffen haben.

Sie wollen mit „Connected Lean“ die Kombination von Digitalisierung und Lean Management für Mittelstandsunternehmen in der Prozessindustrie forcieren – wie soll das genau gehen?

C. Troy: Im Mittelstand bleiben die durch Digitalisierung und Lean Management realisierten Potenziale im Industrievergleich größtenteils hinter den Erwartungen zurück. Das betrifft zum Beispiel die Wirkung von kontinuierlichen Verbesserungsprozessen und die wirtschaftliche Nutzung der vielen bereits vorhandenen Daten im Bereich Produktion. Potenziale liegen brach oder werden erst gar nicht erkannt. Gerade in der aktuellen Krise kann aber die Wettbewerbsfähigkeit durch die richtigen Fragen, die richtigen Ziele und die richtigen Technologien nachhaltig gesteigert werden.

"Im Mittelstand bleiben die durch Digitalisierung und Lean Management realisierten Potenziale oft hinter den Erwartungen zurück."

 

Die Kombination von „lean“ und „digital“ ist der logische Schritt, um auch in komplexen, flexiblen Produktionssystemen die Transparenz zu bekommen, die einem Optimierungspotenzial in Echtzeit aufzeigt. Das Ergebnis sind schnelle Reaktionsmöglichkeiten und schnelle Analysen des Einflusses von Prozessveränderungen. Connected Lean ist ein gemeinsamer Ansatz von Bilfinger Digital Next und uns, der die Werkzeuge Digitalisierung und Lean Management optimal verbindet und Mittelstandsunternehmen in der Prozessindustrie unterstützt, ihre Anlagenproduktivität zu steigern und Betriebskosten zu senken. Durch den gemeinsamen Beratungs- und Dienstleistungsansatz können die klassischen Themen der Lean Prozessoptimierung mit dem Hebel der Digitalisierung beschleunigt werden. Durch die Zusammenführung vorhandener Daten können datenbasierte Entscheidungsmodelle  entwickelt werden, um die Gesamtanlageneffektivität zu verbessern oder die Wirkung der Instandhaltung zu erhöhen. Material-Einsatz und -Ausbeuten können optimiert werden. Die Liste der Potenziale lässt sich beliebig fortschreiben.

Die Kapazitäten und Investitionsmöglichkeiten für Mittelstandsunternehmen sind begrenzt. Auch wenn die Führungsebenen der Firmen die Notwendigkeit sehen, Anlagenproduktivität und Betriebskosten zu optimieren und Prozesse zu vereinfachen, so scheuen Sie doch oft aus diversen Gründen den Schritt, sich auf eine Unternehmensberatung einzulassen...

C. Troy:  Manchmal ist es ein kleiner Impuls von außen und das Reflektieren der Herausforderungen im Dialog, das große Dinge ins Rollen bringt. Mit Connected Lean können wir die vorhandenen Verbesserungspotenziale sichtbar machen und durch Fokussierung auf die elementaren Erfolgsfaktoren schlank und wirtschaftlich nutzen. Das passende Programmdesign, ein Fokus auf die Werte, wenig Delegation und die Einbindung der Basis sind die gemeinsame Grundlage für erfolgreiche Lean- und Digitalisierungsprojekte.

"Themen der Lean Prozessoptimierung können mit dem Hebel der Digitalisierung beschleunigt werden."

Effiziente Abläufe und eine hohe technische Verfügbarkeit der Anlagen stehen bei allen Verbesserungsprogrammen im Vordergrund. Dennoch bleiben die Programme in der Prozessindustrie in über 70 % aller Fälle hinter den Erwartungen der Führung zurück, unabhängig ob diese Lean Management, Six-Sigma oder Operational Excellence genannt werden. Unsere Kooperation mit Bilfinger Digital Next verbessert den Wertbeitrag dieser Programme mit nachhaltigen physischen und digitalen Lösungen unter den besonderen Rahmenbedingungen der chemischen und pharmazeutischen Industrie.

Wenn 70 % der Operational Excellence-Projekte hinter den Erwartungen zurückbleiben, muss doch etwas gewaltig schief laufen. Woran liegt das und wie wirkt sich das in der jetzigen Coronakrise aus?

C. Troy: Mit der Coronakrise ist ein Sturm über die Wirtschaft eingebrochen, den niemand vorhersagen konnte. Alle Firmen haben schnell versucht, ihre jeweiligen Schiffe sofort wetterfest zu machen, um bestmöglich durch diese Naturgewalt zu kommen. Die Kapitäne und Steuermänner der Firmen mussten schnell handeln und sind gezwungen worden zu entscheiden, was wichtig ist und wo Abstriche gemacht werden müssen.

Wir haben während der letzten Monate in unseren Interaktionen mit Firmen der Prozessindustrie ein unterschiedliches Verhalten in Bezug auf ihre OpEx-Programme erlebt. Einige Organisationen haben die laufenden OpEx-Aktivitäten eingestellt und sich voll auf das Krisenmanagement konzentriert. Andere Firmen dagegen haben weiterhin auf die eingeübten OpEx-Routinen gesetzt, allerdings mit etwas angepassten Zielen und Priorisierungen. Manche Firmen bewerten ihr OpEx- Programm offensichtlich als „Rettungsring-um-den-Bauch“, während es von anderen als „Mühlstein-um-den-Hals“ gesehen wird.

Deckt die Krise also entlarvend auf, wo OpEx gut läuft und wo nicht?

C. Troy: Ja, so kann man es überspitzt formulieren. Unser Austausch mit den Firmen zeigt uns, worin die Unterschiede liegen. Besonders in der Krise wird Fokus auf die überlebensnotwendigen Aktivitäten gelegt. Dort wo die OpEx-Programme Antworten auf die Challenges der Krise liefern, sind Überstunden für die Optimierer angesagt. Wo das OpEx-Programm die Firmen nur wie ein Accessoire geschmückt hat, wird es als Kostenposition gesehen, die in der Krise minimiert werden muss – die Folge ist dann Kurzarbeit für die OpEx-Kollegen.  

Dieser „Lackmus-Test“ zeigt, ob die Programme einen Mehrwert liefern beziehungsweise geliefert haben. Wenn OpEx in der Krise keine Antworten oder Lösungen liefern kann, dann war das Programm bereits vorher unwirksam und folglich ein Teil der Verschwendung, die mit OpEx eigentlich bekämpft werden sollen – keine schöne Vorstellung.

Programme zur kontinuierlichen Verbesserung sind seit nunmehr 30 Jahren in der Industrie fest eta­bliert und kaum ein Unternehmen in der Prozessindustrie kommt ohne ein solches aus. Wie kann es dann sein, dass so viele der Verbesserungsprogramme mit ihren Resultaten enttäuschen?

C. Troy: Bereits seit mehr als 20 Jahren begleiten wir als Dienstleister und Berater ambitionierte Betriebe auf Ihrem Weg zu Operational Excellence, was uns zugleich ermöglicht hat, die DNA des Erfolges zu entschlüsseln. Gerade in den vergangenen Monaten haben wir intensiv analysiert, was die Ursachen für all diese Enttäuschungen sind. Dabei kamen wir auf sieben typische und immer wiederkehrende Auslöser, die sich überall dort finden lassen, wo die Wirkung von Programmen der Prozessoptimierung enttäuschen. Diese Gründe haben wir die sieben OpEx-Todsünden getauft.

Und was sind die schlimmsten dieser Sünden?

C. Troy: Die OpEx-Todsünden sind widerkehrende Muster, die negative Wirkung auf den Erfolg eines Verbesserungsprograms haben. Nehmen wir als Beispiel „Leadership Vacuum“ – Führung delegiert die Verantwortung für die Steuerung des Programms an freigestellten OpEx-Experten, die sich wiederum über Zeit verselbständigen und das Vorgehen vom Kurs abkommen lassen. Oder „Method Inflation“ – man führt immer mehr und neuen Methoden in die Organisation ein, in der Hoffnung, dass damit mehr Potenzial freigesetzt wird, frei nach dem Motto „Viel hilft viel“. Diese Inflation führt aber zu einer Negierung der Wirkung, eine Unsicherheit in der Organisation und eine administrative Hypothek am OpEx-Programm.

Ein Schlussstatement des OpEx-Forum im November 2019 – damals dachte hier noch niemand an Corona – war: „Vorne bleiben in turbulenten Zeiten“. Die Bedeutung dieser Aussage ist durch die Coronakrise besonders deutlich geworden. Sind Sie Hellseher, Visionär oder Realist?

C. Troy: Wir sind überzeugt davon, dass wir in immer turbulenteren Zeiten leben und operieren, folglich werden solche Herausforderungen auch häufiger auf unsere OpEx-Programme zukommen. Alle Firmen sind daher gut beraten, ihre Programme jetzt auf ihren Wertbeitrag zu untersuchen, denn eines ist gewiss – der nächste Sturm wird kommen. Auf alle Fälle aber kommt das nächste OpEx-Forum, wenn auch in digitaler Form: Am 18. und 19. November 2020 reflektieren wir im Live-Streaming aus dem Schwetzinger Schloss, wie wir „Vorne bleiben in turbulenten Zeiten“!

 

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