Standorte & Services

"Der Standort Deutschland muss ganzheitlich vermarktet werden"

Interview mit Peter Bartholomäus (Infraserv Wiesbaden) über die Zukunft des Industrieparks Kalle-Albert

18.06.2013 -

Der Industriepark Kalle-Albert in Wiesbaden hat seit Herbst letzten Jahres mit Peter Bartholomäus und Michael Behling eine neue Doppelspitze.

Peter Bartholomäus ist Vorsitzender der Geschäftsleitung von Infraserv Wiesbaden, der Betreibergesellschaft des Industrieparks.

Im Interview erläutert er seine bisherigen Erfahrungen, die Herausforderungen für den Betrieb von Industrieparks in Deutschland und das Konzept der Zukunft für Kalle-Albert.

Herr Bartholomäus, wie beurteilen Sie die gegenwärtige Situation und Perspektive des Industrieparks Kalle-Albert?

Peter Bartholomäus:
Der Industriepark Kalle-Albert ist insgesamt gut ausgelastet und stabil. Der Park ist heute jedoch kein homogenes Einzelunternehmen mehr, sondern ein heterogenes Konglomerat verschiedener Firmen mit unterschiedlichen Planungshorizonten.

Darüber hinaus erschwert das gegenwärtig sehr instabile konjunkturelle Umfeld eine langfristige Planung und die unterschiedlichen Bedürfnisse der einzelnen Kunden erfordern ein sehr kundenspezifisches Dienstleistungsangebot. Unser Ansatz lautet deshalb: als schlankes und flexibles Unternehmen schnelle Anpassungen an die sich stetig ändernden Marktbedürfnisse ermöglichen.

Was bedeutet das konkret?

Peter Bartholomäus:
Wir bieten jedem Kunden maßgeschneiderte, spezifisch zusammengestellte Dienstleistungen, abgestimmt auf die jeweiligen Bedürfnisse.

Für den Kunden bedeutet dies größtmögliche Effizienz.

Um eine Langfristplanung auch in Zeiten großer Volatilität zu erstellen, rücken wir noch näher an unsere Kunden heran. Wir stimmen unsere Strategie so eng wie möglich mit den mittel- und langfristigen Planungen der größten Unternehmen im Park Kalle-Albert ab und passen diese Planung jährlich rollierend an die aktuellen Marktentwicklungen an.

Welche Themen sind denn Ihrer Meinung nach für die chemische Industrie in Deutschland besonders zukunftsrelevant?

Peter Bartholomäus:
Wie in vielen anderen Industriezweigen steht der Chemiestandort Deutschland im direkten Vergleich mit den Ländern Europas und der Welt. Bei rein finanztechnischen Kennzahlen besonders zu Energie- und Personalkosten können wir vielfach auch bei größten Effizienzbemühungen nicht mithalten, weil z.B. staatliche Zuschläge und regulatorische Kosten im Energiebereich vergleichsweise hoch sind.

Also muss der Standort Deutschland ganzheitlich, zusammen mit anderen Faktoren wie bspw. Marktnähe, hervorragende Infrastruktur, Ausbildungsqualität, geringe Sicherheitsrisiken und rechtssichere Verwaltung vermarktet werden.

Das Thema Personal ist für Infraserv Wiesbaden eine echte Herzensangelegenheit. Mit eigener Aus- und Weiterbildung für uns und unsere Kunden, sowie der Initiative zu einer partnerschaftlichen Führungskräfteentwicklung zusammen mit den ansässigen Unternehmen stellen wir uns der Zukunft.

Sehen sie den Standort Deutschland dauerhaft konkurrenzfähig?

Peter Bartholomäus:
Ja. Zwar wird die Ansiedlung neuer, großer Chemiebetriebe in Stadtnähe zunehmend schwieriger. Die Summe der positiven Standortfaktoren und einzelne Beispiele aus jüngster Zeit überzeugen mich dennoch, dass die existierenden Chemieparks bei uns eine gute Zukunft haben.

So beweist z.B. BASF mit ihrem neuen Großprojekt in Ludwigshafen, dass bei sorgfältiger Planung und einer frühzeitigen Zusammenarbeit mit den Behörden auch eine stadtnahe Neuansiedlung anspruchsvoller Chemie durchaus noch möglich ist.

Es kommt dabei immer auf eine zielgenaue Standortvermarktung an, da nur durch eine realistische Sicht auf die eigenen Möglichkeiten zukunftsweisende Perspektiven erarbeitet werden können.

Für den Industriepark Kalle-Albert sind aufgrund seiner Struktur und der vorhandenen Infrastrukturen im Wesentlichen eher mittelständische und kleinere Kunden attraktiv.

Welche Eindrücke nehmen Sie aus Ihrer Zeit in Asien für Ihre Arbeit in Wiesbaden mit?

Peter Bartholomäus:
Asien beeindruckt mit großer Dynamik, unbändiger Neugier und einem vom Fortschrittsglauben getriebenen Engagement. Dabei liegt der Fokus der europäischen Perspektive derzeit sehr auf China, doch sind neben Indien und Japan auch Indonesien und andere Staaten in Asien nicht zu vergessen, die in Summe 60% der Weltbevölkerung und damit langfristig auch des Weltmarktes darstellen, die aber kulturell alle sehr unterschiedlich sind.

Japanische Unternehmen z.B. sind langfristig orientiert und schätzen gewachsene Loyalitäten. Damit bilden sie einen Gegenpol zu den oft kurzfristig orientierten Renditeerwartungen angelsächsischer Investoren. Übrigens sind mit Mitsubishi und ShinEtsu zwei japanische Unternehmen Großkunden im Industriepark Kalle-Albert.

Südkorea hat mich mit einer hohen Innovationsgeschwindigkeit und einer sehr pragmatischen Herangehensweise beeindruckt. Meine Asienerfahrungen ermöglichen es mir heute, aus verschiedenen Perspektiven auf die spezifisch deutschen Herausforderungen zu schauen.

Wie begegnen Sie denn den besonderen Herausforderungen für Industrieparks in Deutschland?

Peter Bartholomäus: Mit einer positiven Grundstimmung, die ich aus Asien mitgebracht habe.

Wenn Veränderungen als Chance begriffen werden, ist die größte Herausforderung bereits überwunden. Für den Industriepark Kalle-Albert und die Infraserv Wiesbaden bedeutet dies die offensive Vermarktung eigener Stärken. Bei der aktuellen Neuansiedlung der Mitsubishi-Tochter Alpolic ist uns das bereits gut gelungen und auf diesem Weg werden wir weitermachen.

Die aktuelle Initiative „Infraserv Wiesbaden 2020" versucht die Frage zu beantworten, was unsere Kunden langfristig von uns erwarten und wie wir dafür aufgestellt sein sollten. Auf Basis der Ergebnisse erfolgt die strategische Ausrichtung, die in Teilen bereits begonnen wurde.

Welche Themen bestimmen diese strategische Neuausrichtung?

Peter Bartholomäus:
Ein zentraler Aspekt ist die Energieeffizienz: hohe spezifische Energiekosten, unklare regulatorische Rahmenbedingungen und hohe Investitionskosten kennzeichnen die Brisanz das Themas.

Wir gehen auf drei Ebenen gleichzeitig vor.

  • Erstens optimieren wir kontinuierlich die Technologie der Erzeugung und Verteilung, um eine bestmögliche Versorgung unserer Kunden zu ermöglichen.
  • Zweitens bieten wir Beratungskompetenz, insbesondere bei behördlichen Fragestellungen.
  • Und drittens haben wir ein Energieeffizienzprogramm für Kalle-Albert gestartet. Unser Energiemanagement muss heute in Sachen Einkauf, Energiemix und Offenheit für strategische Partnerschaften genauso fit sein wie schon bisher im klassisch technischen Bereich.

Weitere Themen der Neuausrichtung betreffen die Zentralisierung der IT und der Marktbearbeitung, um nur zwei zu nennen. Wir haben in den letzten Monaten die ersten Schritte für eine nachhaltig erfolgreiche Aufstellung des Industrieparks Kalle-Albert in Wiesbaden eingeleitet. Weitere Initiativen werden folgen. Dabei sind Flexibilität gegenüber unseren Kunden und Effizienz der internen Prozesse zugunsten einer bestmöglichen Positionierung im Wettbewerb unsere Kriterien für Veränderungen.

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Peter Bartholomäus hat Energie- und Verfahrenstechnik studiert. In seiner beruflichen Laufbahn hatte er verschiedene Fach- und Führungsfunktionen bei BASF inne.

Peter Bartholomäus hat vielfältige Erfahrungen in unterschiedlichen Unternehmensbereichen gesammelt, darunter Forschung & Entwicklung, Produktion, Projektmanagement und Geschäftsführung.

Zuletzt war er über zehn Jahre in Asien eingesetzt, bevor er im November 2012 den Vorsitz der Geschäftsleitung der Infraserv Wiesbaden übernahm.
 

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