Der Biotech-Netzwerker
Wie Peter Hanns Zobel das Biotechzentrum Martinsried bei München weiter ausbauen will
Das Innovations- und Gründerzentrum Bayern, IZB, mit seinen beiden Standorten in Planegg-Martinsried und Freising Weihenstephan vermietet jungen Unternehmen Laborräume zur Entwicklung neuer Wirkstoffe. Insbesondere Martinsried punktet mit seiner Nähe zu renommierten wissenschaftlichen Einrichtungen und Kliniken. Unter der Ägide von Peter Hanns Zobel, seit 23 Jahren Geschäftsführer des IZB, ist das Gründerzentrum stark gewachsen. Doch beim Status Quo soll es nicht bleiben - der Manager will die Attraktivität des Campus weiter erhöhen. Details erläutert er im Gespräch mit CHEManager-Autor Thorsten Schüller.
CHEManager: Das IZB zählt sich selbst „weltweit zu den Top Ten“. Woran messen Sie das?
Peter Hanns Zobel: Wir beziehen uns dabei auf Rankings, die die weltweiten Biotechcluster nach bestimmten Kriterien bewerten, zum Beispiel der Zahl an Neugründungen von Biotechfirmen, dem eingesammelten Kapital oder der Anzahl klinischer Projekte. Zu den immer wieder genannten Biotechzentren zählen beispielsweise Boston, San Francisco, Barcelona, Oslo, London sowie Berlin und Martinsried bei München. Die international renommierten Spitzenforscher auf dem Campus Martinsried – und dabei meine ich nicht nur die drei Nobelpreisträger Huber, Sakman und Hänsch - kooperieren mit den internationalen Biotechzentren und besten Universitäten der Welt.
Wie messen Sie selbst die Leistungsfähigkeit und Stärke des Standorts?
P. H. Zobel: Die Start-ups und Unternehmen hier wollen vor allem eines – neue Medikamente entwickeln. Mir ist dabei wichtig, wie viele erfolgreiche Projekte dieser Standort hervorbringt, es also am Ende in die klinische Praxis schaffen. Unter Berücksichtigung dieses Kriteriums schaue ich mir am Anfang die Firmen, die sich bei uns bewerben, genau an.
Sie entscheiden, wer sich hier niederlassen darf?
P. H. Zobel: Ja.
Nach welchen Kriterien gehen Sie dabei vor?
P. H. Zobel: Zum Aufnahmeantrag gehört natürlich der Businessplan, in dem genau beschrieben ist, was die Gründer machen wollen. Auch die Finanzierung ist ein wichtiger Aspekt. Ich schaue aber auch sehr stark auf die Persönlichkeit der Gründer. In der Regel sind das Wissenschaftler mit ausgezeichneten fachlichen Qualitäten. Um langfristig als Unternehmer erfolgreich zu sein, braucht es aber auch andere Fähigkeiten: Wie gehen die Gründer damit um, wenn ihnen jemand das Patent streitig macht? Was tun sie, wenn es finanzielle Probleme gibt, wenn sie ein anderes Unternehmen übernehmen will oder gutes Personal abgeworben wird? Ich habe mir in meiner 23jährigen Laufbahn etwa 200 oder 250 Gründerteams angeschaut. Wir haben hier bislang rund 200 Start-ups gehabt, in all den Jahren aber nur acht Insolvenzen.
Worin genau liegen die Leistungen, die Sie für die Start-ups erbringen?
P. H. Zobel: An erster Stelle sind dies die Labor- und Büroflächen, die wir den jungen Unternehmen zur Verfügung stellen. Die sind generell rar und teuer bei der Erstellung. Ich denke in Quadratmetern. Im Gebäude Ost bieten wir Flächen von 165 m2 an, im westlichen Bau zu 500 m2 oder einem Vielfachen. In Summe betreiben wir an den beiden Standorten Martinsried und Weihenstephan zirka 26.000 m2. Seit elf Jahren haben wir hier einen Leerstand von null Quadratmetern.
Zu welchem Preis vermieten Sie?
P. H. Zobel: Von Firmengründern verlangen wir 12 EUR/m2. Mit zunehmender Entwicklung beziehungsweise Finanzierung der Unternehmen steigen die Mieten an.
Sie sind also ein Laborflächenvermieter, der eine Art Staffelmietvertrag macht?
P. H. Zobel: Das kann man so sagen. Aber wir betreiben auch Marketing für die Unternehmen, über unsere Homepage, über regelmäßige Publikationen und auf zahlreichen Veranstaltungen. Wir haben eine Chemieschule am Standort, ein Hotel und einen Faculty Club, in dem sich Fachleute unterschiedlichster Richtungen begegnen. Mittlerweile gibt es hier sogar zwei Kindergärten. All das ist bei dem Gesamtpaket mit zu berücksichtigen.
Wir steht es um die Themen Personalsuche und Finanzierung?
P. H. Zobel: Das sehe ich als Holschuld der Unternehmen – wenn die Firmengründer diesbezüglich Bedarf haben, unterstützen wir gerne. Ich verfüge über ein gutes Netzwerk zu Pharmaunternehmen, aber auch zu Biotech-Finanziers.
Warum siedeln sich eigentlich junge Unternehmer mit ihren Biotechideen gerade hier an?
P. H. Zobel: Das liegt sicherlich an der tollen Dynamik dieses Standorts. Hier finden Sie nicht nur Dutzende Biotechunternehmen, hier befinden sich auch die Max-Planck-Institute für Biochemie und für Neurobiologie, medizinische und pharmazeutische Fakultäten der Ludwig-Maximilians-Universität und das Klinikum Großhadern. In diesen Einrichtungen sind täglich 12.000 Menschen beschäftigt, das ist schon eine kritische Masse. Hier kann es ihnen passieren, dass Sie mit Simon Moroney, dem Chef von Morphosys, zum Mittagessen gehen. Hier können Sie mit Venture Capital-Experten oder Vertretern der weltweit größten Pharmaunternehmen leicht ins Gespräch kommen und am Kaffeeautomaten im Faculty Club neue Geschäftsideen entwickeln. Die Idee hinter dem Club ist, dass hier zwar viele Leute aus der Grundlagenforschung, der Lehre und Unternehmensgründer nah beieinander sitzen, aber nicht systemisch miteinander in Kontakt kommen und reden. So dient der Faculty Club als Kommunikationszentrum auf dem Campus.
Das Netzwerken spielt also eine große Rolle?
P. H. Zobel: Ja, der direkte Kontakt zu anderen Wissenschaftlern und Spezialisten macht einen wesentlichen Teil der Attraktivität dieses Standorts aus. Das gilt auch für mich. Ich sehe die Geschäftsführer der Start-ups ständig, ich kenne deren Geschichten. Mein Büro befindet sich nicht ohne Grund im Erdgeschoss mit Blick auf den Parkplatz. Ich sehe, wer wann kommt, was er an hat, wie er geht. Wenn ich merke, dass es jemandem nicht so gut geht, spreche ich ihn an, frage, was los ist. Immer wieder kann ich helfen.
Welche Bedürfnisse haben Biotech-Unternehmensgründer heute? Haben sich diese in den vergangenen zwei Jahrzehnten verändert?
P. H. Zobel: Natürlich stehen heute wie damals die Themen Finanzierung, Fläche und Personal ganz oben. Bei der Finanzierung reden wir heute allerdings von ganz anderen Größenordnungen. Während in den 1990er-Jahren Start-ups hier eine Anschubfinanzierung von etwa einer Million D-Mark erhalten haben, liegen die A-Runden-Finanzierungen heute bei durchschnittlich 30 bis 40 Mio. EUR.
Woran liegt das?
P. H. Zobel: Die Projekte sind viel komplexer und damit teurer geworden. Auf der anderen Seite hat es an diesem Standort auch immer wieder große Übernahmen und Transaktionen gegeben: Medigene und Morphosys sind an die Börse gegangen, Bio-Techne übernahm kürzlich Exosome Diagnostics für bis zu 575 Mio. USD, Immunic Therapeutics hat 2017 seine erste Finanzierungsrunde mit einem Gesamtvolumen von 31,7 Mio. EUR Eigenkapital abgeschlossen, Rigontec wurde von MSD für bis zu 464 Mio. EUR gekauft. Partizipiert das IZB Teil an derartigen Deals?
P. H. Zobel: Nein. Wir haben bewusst entschieden, dass wir uns nicht an den Unternehmen beteiligen. Wir fördern Gründer, das ist unser geschäftliches Ziel.
Wie finanziert sich dann das IZB? Allein aus den Mieten?
P. H. Zobel: Unser Geschäftsmodell ist die Vermietung. Wir haben in den vergangenen 23 Jahren zwar nicht in jedem Jahr einen Überschuss erwirtschaftet, aber immer ausreichend Cash-Flow, um unsere Kosten zu decken. Ich habe übrigens, als der damalige Wirtschaftsminister Otto Wiesheu mir diesen Job anbot, ausgehandelt, dass wir keinen Betriebskostenzuschuss vom Freistaat Bayern als Gesellschafter erhalten wollen. Mein Ziel war es stets, dass wir uns alleine tragen. Das hat übrigens in 23 Jahren auch immer geklappt.
Und wieviel wurde seit der Gründung in diesen Standort investiert?
P. H. Zobel: Etwa 80 Mio. EUR. Rund 37 Mio. EUR gab der Gesellschafter Freistaat Bayern als Darlehen, 13 Mio. EUR erhielten wir als Zuschuss. Die restlichen 30 Mio. EUR haben wir über Banken finanziert.Wenn Sie zurückblicken – wie hat sich die Start-up-Szene und Biotechbranche aus Ihrer Sicht seit den 1990er-Jahren verändert?
P. H. Zobel: Sie ist stabiler geworden. Anfangs gab es eine Gründungsphase, in der auch viel Blauäugigkeit herrschte. Man glaubte, mit vergleichsweise wenig Geld recht schnell neue Arzneimittel entwickeln zu können. Mit dem Kollaps des Neuen Marktes um die Jahrtausendwende erlitt auch die Biotechbranche einen massiven Einbruch. Ab etwa 2004 hat sich die Branche wieder stabilisiert und zeigt seitdem ein profitables Wachstum. Die Biotechunternehmer und Finanziers haben eine Menge gelernt, und aus vielen Forschungsergebnissen sind mittlerweile konkrete Produkte geworden.
Was sind denn bedeutende Arzneimittel, die dieser Standort hervorgebracht hat?
P. H. Zobel: Da gibt es einige. So hat beispielsweise Morphosys ein Produkt gegen Schuppenflechte entwickelt, Medigene eines gegen Genitalwarzen, Rigontec arbeitet an einer neuen Immuntherapie, Exosome bietet mittels einer Plattform Tests für die Identifizierung von Krebs und anderen Erkrankungen an.
Sie sind von Ihrer Ausbildung Betriebswirtschaftler. Was reizt Sie, täglich mit Wissenschaftlern zu tun zu haben?
P. H. Zobel: Als Betriebswirtschaftler schaue ich natürlich auf die Zahlen. Das wirkliche Highlight meiner Arbeit sind aber die Persönlichkeiten, mit denen ich es hier zu tun habe. Mich fasziniert, mit welcher Konsequenz Wissenschaftler ein Leben lang an einem einzigen Rezeptor forschen und ihnen andere Dinge dabei weitgehend egal sind.
Wie weit reicht Ihr eigenes Wissen in Sachen Biotech?
P. H. Zobel: Gar nicht weit. Das muss es auch nicht, genauso wenig, wie ich eigene Erfahrung über einen Börsengang mitbringen muss. Aber ich weiß, wo ich diese Informationen herkriege. Ich bin ein Generalist und Netzwerker.
Was hat der Generalist, Netzwerker und Immobilienvermieter Zobel mit dem Biotech-Standort Martinsried noch vor?
P. H. Zobel: Es gibt hier nebenan noch freie Flächen. Ich habe die Idee, dort beispielsweise große Räumlichkeiten für Biotechunternehmen anzubieten, die gewachsen sind und mehr Platz brauchen. Ich würde auch gerne Pharmakonzerne einladen, sich dort niederzulassen, um in unmittelbarer Nähe zu den Biotechs zu sein. Gleiches gilt für Venture Capital-Firmen. Das bayerische Wirtschaftsministerium kennt meine Ideen. Aber jetzt müssen wir erstmal die Landtagswahlen abwarten.