Compliance ausweiten
Unternehmen haften für Kartellrechtsverstöße von Handelsvertretern
Für Unternehmen, die beim Vertrieb ihrer Waren Handelsvertreter einsetzen, folgt aus einem Urteil des Gerichts der Europäischen Union ein gesteigertes kartellrechtliches Risiko. Diese Unternehmen sollten ihre Compliance-Bemühungen im Kartellrecht auf ihre Handelsvertreter ausweiten.
Das Gericht der Europäischen Union (EuG) hat entschieden: Ein Unternehmen haftet für Kartellrechtsverstöße seines Handelsvertreters auch dann, wenn es von ihnen keine Kenntnis hat. In dem zugrunde liegenden Fall hat die EU-Kommission gegen einen Stahlhersteller und seine österreichische Tochtergesellschaft gesamtschuldnerisch eine Geldbuße in Höhe von 22 Mio. EUR wegen der Beteiligung an Kartellabsprachen verhängt. Der österreichischen Tochter wurde dabei das Verhalten ihres italienischen Handelsvertreters zugerechnet, obwohl sie von dessen Teilnahme an regelmäßigen Kartelltreffen keine Kenntnis hatte. Das EuG hat diese Entscheidung im Rechtsmittelverfahren bestätigt. Lediglich die Höhe der Geldbuße wurde korrigiert.
Entscheidend für das Urteil ist, dass das Unternehmen und sein Handelsvertreter als wirtschaftliche Einheit zu behandeln sind. Eine derartige wirtschaftliche Einheit besteht zwischen einem Unternehmen und seinem Handelsvertreter nach der europäischen Rechtsprechung immer dann, wenn der Handelsvertreter im Wesentlichen kein eigenes finanzielles oder kommerzielles Risiko trägt. Kennzeichnend für einen Handelsvertreter in diesem Sinne ist, dass die Transport-, Lager-, Ausfalls-, Erfüllungs-, Produkthaftungs- und sonstigen wirtschaftlichen Risiken für das vom Handelsvertreter übernommene Geschäft vom Auftraggeber getragen werden. Der Handelsvertreter ist in diesen Fällen nicht als unabhängiger Wirtschaftsteilnehmer anzusehen, sondern faktisch wie ein in das Unternehmen eingegliedertes Hilfsorgan. Auf die gesellschaftsrechtliche Beurteilung, wonach das Unternehmen und sein Handelsvertreter zwei unterschiedliche Rechtspersonen sind, kommt es dagegen nicht an.
Die Zurechnung von Kartellverstößen des Handelsvertreters beschränkt sich jedoch auf das Gebiet, für das der Handelsvertreter vom Unternehmer eingesetzt worden ist. Außerdem gilt sie nur für Bußgeldverfahren, die von der EU-Kommission als Kartellbehörde geführt werden. Nach deutschem Kartellbußgeldrecht ist die Haftung nämlich auf diejenige Person beschränkt, die den Verstoß begangen hat.
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