Chemieparks: die Antwort auf aktuelle Herausforderungen
03.03.2016 -
Viele der deutschen Chemiestandorte sind heute Chemie- oder Industrieparks. Ausgelöst wurde diese Entwicklung durch unternehmenspolitische Entscheidungen gegen Ende des vorigen Jahrhunderts. Die Besinnung auf das Kerngeschäft, das Outsourcen der hierzu nicht gehörenden Aktivitäten und die Bildung kleinerer, selbständig agierender Einheiten führte dazu, dass viele der großen Chemieunternehmen sich gesellschaftsrechtlich aufspalteten. Dadurch wurde eine Reihe der früher im Wesentlichen unter der Aufsicht/Verantwortung eines einzigen Betreibers stehenden großen Chemiestandorte zu Chemieparks. In den neuen Bundesländern war es die Auflösung der früheren Kombinate, die im Ergebnis ebenfalls zu Chemieparks führte. Diese Entwicklung führte zu Vorteilen, die teilweise seinerzeit nicht im Fokus standen, aber heute umso wichtiger sind.
Die Schonung unserer natürlichen Ressourcen ist eine der großen Herausforderungen der Chemie. Große Standorte haben sich gebildet, weil hier ein optimaler Verbund von Stoffen und Energie realisiert werden konnte. Unvermeidliche Nebenprodukte können wertvolle Ausgangsprodukte für andere Produktionen sein, zwangsläufig entstehende Abwärme kann vom Nachbarbetrieb genutzt statt an die Atmosphäre oder den nächsten Fluss abgegeben zu werden. Chemieparks ermöglichen es auch mehreren unabhängigen Unternehmen, diesen Verbund zu nutzen. Dies schont nicht nur unsere Umwelt, sondern entlastet auch die Verkehrs- und Energienetze. Die „Economy of Scale“ größerer Standorte, die in den Parks auch kleineren Unternehmen zu Gute kommt, schlägt sich ebenfalls in niedrigeren Kosten für die Versorgung mit Energie, die Reinigung von Abwasser und die Entsorgung von Abfällen nieder.
Der Strukturwandel in der Industrie hat nicht nur die Bildung von Chemie- und Industrieparks gefördert, sondern führt auch zu Stilllegungen innerhalb der Parks. Damit können die Vorteile des Verbunds und vor allem die Wirtschaftlichkeit der Infrastruktureinrichtungen erheblich leiden. Betreiber von Parks und ihre Ansiedler haben daher größtes Interesse daran, neue Investitionen heranzuziehen. Dafür haben sie generell gute Argumente. Investoren müssen nicht eine „grüne Wiese“ neu erschließen, sondern können in den Parks vorhandene Flächen mit bereits vorhandener Infrastruktur benutzen. Die Allgemeinheit profitiert davon, dass hierdurch der Flächenverbrauch minimiert wird.
Wegen der Bedeutung von Investitionen findet gerade hier der Wettbewerb zwischen den Parks statt. Dabei geht es nicht nur um neue Ansiedler, sondern auch darum, „Bestandskunden“ zu halten. Eine Reihe großer Unternehmen sind nämlich in mehreren Parks tätig und haben damit unter Umständen die Wahl, wo sie investieren – oder stilllegen. Im Wettbewerb spielt natürlich das Angebot an Flächen und Infrastruktur eine große Rolle. Berücksichtigt wird, welche Leistungen der Parkbetreiber anbietet und in wie weit man diese auch zwingend abnehmen muss. Aber auch das Verhältnis zu Nachbarschaft, Medien und Behörden sowie die Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräfte sind wichtig und können von einem Parkbetreiber durchaus beeinflusst werden.
Die vielen Schnittstellen zwischen den verschiedenen Ansiedlern und dem Betreiber des Parks könnten potentiell Heerscharen von Rechtsanwälten beschäftigen und ein deutliches Störfallrisiko darstellen. Beide ursprünglich durchaus vorhandenen Befürchtungen erwiesen sich als unbegründet. Entscheidend war, dass man sich von Anfang an dieser Risiken bewusst war und einem guten Management der Parks große Aufmerksamkeit widmete. Dies betrifft zum einen umfassende vertragliche Regelungen, zum anderen klare Vorgaben zur Kooperation aller Beteiligten in Gremien sowohl auf Fach- als auch auf Leitungsebene.
Der Kooperation innerhalb der Parks sollte man aber weiterhin große Aufmerksamkeit schenken. Zunächst hat vieles nämlich deshalb gut funktioniert, weil man sich aus der früheren gemeinsamen Vergangenheit in den nun aufgespaltenen Unternehmen noch gut kannte und es aus dieser Zeit gut funktionierende, oft informelle Abläufe gab. Diese Übergangszeit wird bald unwiderruflich vorbei sein. Auch der Erfahrungsaustausch der Parks untereinander trägt erheblich zu den bisherigen Erfolgen dieses Standortmodells bei. Hierfür bietet der VCI mit seiner Fachvereinigung Chemieparks eine Plattform. Chemieparks ist auch ein Thema bei der 17. Handelsblatt Jahrestagung Chemie am 12. und 13. April 2016 in Frankfurt. Das Programm erhalten Sie unter www.handelsblatt-chemie.de.
Autor: Prof. Dr. Christian Jochum