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Chemie macht Zukunft

Dringender Handlungsbedarf in Sachen Energie und Entbürokratisierung

13.09.2023 - Chemie macht Zukunft – eine Aussage, die zu allen Zeiten richtig war und bleibt, die aber vor dem Hintergrund der Herausforderungen der Energie- und Mobilitätswende, dem Kampf gegen den Klimawandel und der Transformation des Industriestandortes Deutschland ganz besonders aktuell und zutreffend ist.

Aber hat die Chemie in Deutschland auch eine Zukunft? Die Frage stellt sich angesichts der dramatischen Entwicklung der Energiepreise mehr denn je. Seit Monaten fällt den hierzulande produzierenden Unternehmen, die auf große Mengen an Strom und/oder Gas angewiesen sind, zunehmend schwer, sich im internationalen Wettbewerb zu behaupten. Derweil ist der Industriestrompreis, der den besonders stark betroffenen Unternehmen zumindest übergangsweise helfen könnte, seit geraumer Zeit Gegenstand kontroverser Debatten auf der bundespolitischen Ebene.
Der Industriepark Höchst ist mit 90 Unternehmen, 22.000 Beschäftigten, 460 ha Fläche und rund 120 Produktionsanlagen einer der größten und dynamischten Forschungs- und Produktionsstandorte der Chemie- und Pharmaindustrie in Deutschland. Mehr als 8,5 Mrd. EUR Investitionen in den letzten 20 Jahren zeugen von einer erfolgreichen Entwicklung des Industrieparks, an dem Infraserv Höchst seit 1997 als Standortbetreibergesellschaft für die Infrastruktur verantwortlich ist.

Der Industriepark ist auch ein besonders internationaler Standort, denn ein Teil der in Höchst produzierenden Unternehmen haben ihre Headquarter in Frankreich und den USA, in Japan, der Schweiz, Italien oder in anderen Ländern. Diese Unternehmen verfügen in der Regel ebenso wie die großen deutschen Chemiekonzerne, die ebenfalls hier am Main ansässig sind, über Produktionsstätten in aller Welt. Dass angesichts der aktuellen Energiepreissituation Produktionskapazitäten in andere Länder verlagert werden und Investitionsentscheidungen nicht zugunsten deutscher Standorte ausfallen, ist keine Überraschung.

Vermutlich werden die Leiter deutscher Produktionsstätten mitunter aus den Firmenzentralen gefragt: „Was passiert da gerade bei Euch in Deutschland?“ Die Antwort fällt nicht leicht und sorgt bei Managern aus anderen Ländern sicherlich für Kopfschütteln: Die durch Kohle- und Atomausstieg regulatorisch bedingte Reduzierung der Stromerzeugungskapazitäten sorgt für höhere Preise, und dieser Effekt wird durch die gestiegenen CO2-Preise noch verstärkt – hausgemachte Probleme. Zwar bleibt die Hoffnung, dass mit steigenden Strommengen aus erneuerbaren Quellen das Preisniveau sinken wird, doch bekanntlich geht der Ausbau von Erzeugungs- und Netzkapazitäten eher schleppend voran. Zu langsam für Unternehmen, die heute Investitionsentscheidungen für die nächsten Jahrzehnte treffen müssen und dabei gleichzeitig die nächsten Quartalszahlen im Blick haben.

Ein Industriestrompreis könnte helfen – vorausgesetzt der Kreis der berechtigten Unternehmen wird nicht auf jene Firmen begrenzt, die als „besonders energieintensiv“ gelten. Dann könnten vermutlich viele Chemieproduzenten trotz ihres hohen Energiebedarfs nicht von den dringend benötigten Erleichterungen profitieren. Nur wenn die regulatorischen Rahmenbedingungen stimmen, kann der Industriestrompreis eine positive Wirkung erzielen. Dazu gehört auch die Berücksichtigung von Industrieparkstrukturen, in denen Standortbetreiber wie Infraserv Höchst als eigenständige Unternehmen für die Energieversorgung produzierender Firmen verantwortlich sind.

 

 „Ein Industriestrompreis könnte helfen.“

 

Nicht zuletzt wäre ein Industriestrompreis, der Chemieproduzenten in Deutschland zumindest etwas entlastet, auch endlich mal wieder ein positives Signal an die Firmenzentralen in aller Welt. Zuletzt gab es eher politische Entscheidungen, durch die Zweifel an der Zukunftsfähigkeit der Chemie in Deutschland eher gewachsen sein dürften. Dazu gehört die überraschende Streichung des Spitzenausgleichs für energieintensive Unternehmen, die von der Bundesregierung ab 2024 beschlossen wurde. Das Volumen von 1,5 Mrd. EUR Mehreinnahmen für den Staat bzw. Mehrbelastung für die chemische Industrie in Deutschland mag in Relation zum Gesamtvolumen des Bundeshaushalts oder der Wertschöpfung der Chemiebranche gering erscheinen, doch die Signalwirkung an die Unternehmen war verheerend: In der durch das hohe Strompreisniveau ohnehin schon sehr schwierigen Situation sorgt der Staat für eine zusätzliche Belastung energieintensiver Unternehmen.

Dabei ist die Chemie in Deutschland gerade dabei, die Voraussetzungen für die technisch mögliche Transformation des Industriestandorts zu schaffen. Die Chemiebranche bekennt sich zu den Klimaschutzzielen, sorgt für die Weiterentwicklung von Zukunftstechnologien und ist als Innovationstreiber gefragt, wenn es um die Umsetzung der Energie- und Mobilitätswende geht. Naturwissenschaftler und Ingenieure werden zukunftsfähige Lösungen entwickeln und verwirklichen – vorausgesetzt sie können in Deutschland auch in Zukunft noch forschen und produzieren.

Weil die Transformation der chemischen Industrie in Deutschland auch mit Investitionen verbunden sein wird, ist die gegenwärtige „Großwetterlage“ auch in Bezug auf den Klimaschutz kontraproduktiv. Aktuell suchen viele produzierende Unternehmen händeringend nach Kostensenkungspotenzialen, das Geld für Transformationsinvestitionen fehlt.

Welche Beiträge die Chemiebranche für nachhaltige Lösungen leisten kann, zeigt sich auch im Industriepark Höchst. Der Standortbetreiber engagiert sich seit mehr als 15 Jahren für die Weiterentwicklung der Wasserstofftechnologie. Bereits 2006 wurde eine öffentlich zugängliche Wasserstofftankstelle für Pkw in Betrieb genommen, seit Ende letzten Jahres können Loks mit Brennstoffzellenantrieb im Industriepark betankt werden. Der Rhein-Main-Verkehrsverbund investiert in die weltweit größte Flotte Brennstoffzellenloks und vertraut auf das Know-how des Parkmanagers in Bezug auf den Umgang mit dem umweltfreundlichen Energieträger, der im Industriepark als Koppelprodukt bei der Chemieproduktion anfällt. Daher war der Standort auch optimal für das Start-up-Unternehmen Ineratec, das eine Anlage für die Produktion synthetischer E-Fuels im IP Höchst errichtet und vom Serviceunternehmen Wasserstoff und CO2 bezieht.

Nur zwei Beispiele für die vielen innovativen Projekte, die vorangetrieben werden. Auch hier kann der Staat unterstützen: Durch schlanke Genehmigungsverfahren und den Abbau bürokratischer Hürden. Gleiches gilt für den dringend erforderlichen Ausbau der Netzkapazitäten, die eine Voraussetzung für die Transformation der chemischen Industrie darstellen.

„Wer viel Energie verbraucht, kann auch viel Energie einsparen“ – immer wieder fordern politische und gesellschaftliche Interessenvertreter in ähnlich plakativer Form zusätzliche Effizienzanstrengungen energieintensiver Unternehmen ein und sprechen sich gegen staatliche Unterstützungsmaßnahmen aus, weil der Branche dann angeblich die Sparanreize fehlen. Dabei verkennt man: Seit jeher hat Energieeffizienz in der Chemieindustrie und anderen energieintensiven Branchen rein aus Kostengründen einen hohen Stellenwert. Kraft-Wärme-Kopplung, die Nutzung der Abwärme aus Anlagen, kontinuierliche Effizienzsteigerung im Energiebereich – das alles gehört bei Chemieunternehmen zum Tagesgeschäft. Der zuletzt gesunkene Energiebedarf der Branche ist keineswegs auf Einsparmaßnahmen zurückzuführen, die auf regulatorischen Vorgaben basieren, sondern resultiert schlichtweg aus den stark rückläufigen Produktionsmengen.

Insgesamt ist die Chemieproduktion im Vergleich zum Vorjahr um 16 % zurückgegangen, bei den Unternehmen mit besonders hohem Energiebedarf ergibt sich im Vorjahresvergleich sogar ein Minus von 26 %  – alarmierende Zahlen für die Branche, die in Deutschland fast eine halbe Million Arbeitsplätze bereitstellt.

Hat die Chemie in Deutschland eine Zukunft? Ja, wenn schnell die richtigen Weichenstellungen getroffen werden, mit denen die Unternehmen den Zeitraum überstehen können, bis – hoffentlich – durch den Ausbau erneuerbarer Energien, der Stromnetze sowie Wasserstoff-Pipelines die Voraussetzungen für die Transformation der Branche geschaffen wurden, wobei auch dann das Energiepreisniveau international wettbewerbsfähig sein muss.

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