Biotechnologie in Österreich stärken
Biotech Austria: Verband verbindet die Biotechbranche mit Politik und Wissenschaft
Im Dezember 2020 wurde unter dem Namen Biotech Austria der erste spezifische Branchenverband für die Biotechindustrie in Österreich gegründet. Unter den Gründungsmitgliedern befinden sich zahlreiche Unternehmen und Einrichtungen der österreichischen Spitzenbiotechnologie. Die Gründung des Verbands geht auf eine Initiative der Vorstände und Geschäftsführer der Unternehmen Apeiron Biologics, Haplogen, Hookipa Pharma und Lexogen zurück. Das Ziel des Verbands ist es, die Zusammenarbeit zwischen Politik, Wissenschaft und der Biotechbranche zu stärken und zu fördern. Birgit Megges befragte Peter Llewellyn-Davies, Präsident von Biotech Austria und CEO von Apeiron Biologics, zur Situation der Branche und zu den Verbandszielen.
CHEManager: Herr Llewellyn-Davies, die Biotechnologie ist eine Zukunftsbranche mit großen Wachstumsaussichten. Wie steht die Branche in Österreich da? Wie hat sie sich im letzten Jahr entwickelt?
Peter Llewellyn-Davies: Die Biotechbranche ist ein sehr wichtiger Wirtschaftssektor. Biotechnologie spielt eine immense Rolle für das Wohlergehen der Menschen, die öffentliche Gesundheit und damit für die Wirtschaft. In diesem Jahr hat die Coronaviruspandemie nochmal allen verdeutlicht, wie lebenswichtig die Innovationen der Biotechnologie sind. Unternehmen wie Biontech oder Moderna haben zudem weltweit zur positiven Wahrnehmung der Biotechnologie weiter beigetragen und die Branche in den Vordergrund gerückt. Die Entwicklung und Zulassung des ersten SARS-CoV-2-Impfstoffs in weniger als einem Jahr zeigt die großen Potenziale und die Schlagkraft unserer Industrie.
Die Branche in Österreich steht auch hervorragend da und entwickelt sich stetig weiter. Es gibt vielversprechende wissenschaftliche Ansätze, sehr gute Universitäten und schlagkräftige Firmen mit motivierten Mitarbeitern.
Welche Rolle spielt sie heute und künftig für die Wirtschaft bzw. die Innovationskraft des Landes?
P. Llewellyn-Davies: Die österreichische Biotechnologie bietet Spitzentechnologie und -forschung und gilt als attraktiver, innovativer Arbeitgeber. Sie umfasst mittlerweile etwa 150 Unternehmen mit rund 2.000 Beschäftigten. Biotech ist damit eine der wichtigsten Zukunftsbranchen mit hoher Wachstumsdynamik und schafft durch intensive Forschung und Entwicklung maßgebliche Innovationen. Dadurch bieten sich attraktive Perspektiven für den heimischen Markt sowie für wissenschaftliche Nachwuchstalente und Spezialisten im In- und Ausland. Die Innovationskraft eines Landes ist maßgeblich auch für die Zukunft des Landes verantwortlich. Diese Innovationskraft spielt in der Biotechnologie die wesentliche Rolle, hier ist das Zusammenspiel aus Forschung, Entwicklung und Realisierung das Entscheidende. Die Forschung wird meistens an den Universitäten und Instituten betrieben, die Biotechnologieunternehmen übernehmen dann diese erforschten Produkte oder verschiedene Ansätze und machen daraus ein Produkt. Dies führt dazu, dass klinische Studien durchgeführt werden und diese klinischen Studien dann später zu einer Marktzulassung führen. Es ist ein sehr wertvoller Kreislauf ganz verschiedener Arbeitsbereiche.
Was gab den Ausschlag, einen Verband zu gründen?
P. Llewellyn-Davies: Unsere Branche ist ein wesentlicher Treiber der Innovationen – natürlich vor allem in der Gesundheitsversorgung. Neben dem Wissens- und Erfahrungsaustausch innerhalb des neuen Verbands können unsere Mitglieder künftig ihre Interessen bündeln und mit einer Stimme gegenüber nationalen und internationalen Entscheidungsträgern auftreten. Bisher gab es noch keinen Industrieverband speziell für die Biotechnologie. Dieser Verband war aus unserer Sicht dringend notwendig, denn wir als Biotechunternehmen brauchen in vielerlei Hinsicht mehr Unterstützung. Persönlich habe ich bei Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen aus der Branche gemerkt, dass dies genau der richtige Zeitpunkt für die Gründung eines solchen Verbands ist.
Welche Ziele verfolgt der Verband Biotech Austria?
P. Llewellyn-Davies: Der Verband soll vor allem die Biotechnologie in Österreich stärken, auch im internationalen Umfeld. Er vertritt die Interessen der Mitglieder in Politik und Gesellschaft. Die Zusammenarbeit zwischen Politik, Wissenschaft und der Biotechbranche soll durch den Verband gestärkt und gefördert werden. Die Mitglieder können Synergieeffekte, Know-how und die Netzwerke nutzen. Ziel von Biotech Austria ist zudem die Etablierung einer unabhängigen, eigenständigen Interessensvertretung der österreichischen Biotechnologie, die Förderung eines innovativen und finanziell starken Industriezweigs innerhalb der österreichischen Wirtschaft, sowie die Repräsentanz der österreichischen Biotechnologie im In- und Ausland.
„Die Innovationskraft eines Landes ist maßgeblich auch für die Zukunft des Landes verantwortlich.“
Mit welchen Maßnahmen wollen Sie diese Ziele erreichen?
P. Llewellyn-Davies: Unsere geplanten Maßnahmen sind Netzwerkveranstaltungen, Arbeitsgruppen zu wichtigen Themengebieten, Gespräche mit der Politik und mit anderen Verbänden und eine kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit, um die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit zu erhöhen. Ohne die Biotechnologie wird es schwierig sein, Medikamente und Impfungen und weitere – oftmals lebenswichtige – Produkte auf den Markt zu bringen.
Gibt es eine Vernetzung mit anderen Branchenverbänden?
P. Llewellyn-Davies: Um Synergieeffekte besser nutzen und mit einer Stimme in Politik und Gesellschaft auftreten zu können, will Biotech Austria auch mit anderen Verbänden und Clustern in Österreich eng kooperieren, ebenso wie mit Biotechorganisationen in Europa und den USA. Als Beispiele kann ich die Pharmig nennen, der Verband der österreichischen Pharmaunternehmen, mit dem wir von Beginn an eine sehr gute Zusammenarbeit pflegen. Pharmig vertritt die größeren Pharmaunternehmen. Zudem stehen wir mit LISA Vienna im engen Kontakt, die in Wien die Biotechunternehmen unterstützen. Auch zu anderen lokalen Clustern und Instituten besteht bereits ein guter Kontakt. Europaweit planen wir Mitglied bei EuropaBio zu werden.
Welche weiteren Mitglieder möchten Sie für den Verband gewinnen?
P. Llewellyn-Davies: Unter den 30 Gründungsmitgliedern befinden sich zahlreiche Unternehmen und Einrichtungen der österreichischen Spitzenbiotechnologie. Der Verband wurde erst vor wenigen Wochen in einer sehr kurzen Anlaufzeit gegründet und unser Bestreben ist es natürlich, weiter zu wachsen.
Neben der Aufnahme von Biotechunternehmen sind auch außerordentliche Mitglieder wie regionale Interessensverbände, Unternehmen der pharmazeutischen Industrie, Geräte- und Softwarehersteller oder weitere Dienstleister im Bereich der Biotechnologie willkommen. Zudem können Universitäten sowie andere akademisch-wissenschaftliche oder sonstige staatliche Einrichtungen eine assoziierte Mitgliedschaft erwerben.
„Der Verband soll vor allem die Biotechnologie in Österreich stärken, auch im internationalen Umfeld.“
Welche Aufgaben stehen in nächster Zeit auf Ihrer Agenda als Präsident des Verbands?
P. Llewellyn-Davies: Die ersten Aufgaben, die in nächster Zeit anstehen, sind zum einen die Anpassung des Investitionsschutzgesetzes, das unserer Branche teilweise große Schwierigkeiten beschert. Zum anderen müssen die Rahmenbedingungen für die Gründung von Unternehmen erleichtert werden und wir müssen dringend an der Verbesserung der Förderungen von Unternehmen, die sich mit der Medikamentenherstellung beschäftigen, arbeiten. Hier herrscht großer Nachholbedarf im Vergleich zur Impfstoffentwicklungsförderung.