Bei Organica stehen mit dem Wechsel der Geschäftsleitung die Zeichen auf Wachstum
Interview mit Dr. Bodo Schulze und Dr. Jörg Blumhoff
Organica Feinchemie wurde im Jahr 1995 gegründet und konnte zu dieser Zeit schon auf eine über 80-jährige Firmengeschichte zurückblicken. Etabliert hat sich das mittelständische Unternehmen mit rund 90 Mitarbeitern auf den Gebieten der Herstellung hochveredelter organischer Feinchemikalien und der Auftragssynthese. Dr. Bodo Schulze war bereits an der Gründung von Organica beteiligt und leitete das Unternehmen bis Ende 2016. Schulze und seinen Nachfolger Dr. Jörg Blumhoff befragte CHEManager zur bisherigen Entwicklung des Unternehmens und zu den Zielen für die Zukunft. Die Fragen stellte Dr. Birgit Megges.
CHEManager: Herr Dr. Schulze, Sie haben das Unternehmen rund zwei Jahrzehnte lang geführt. Was waren in Ihren Augen die wichtigsten Entscheidungen, die Sie in dieser Zeit getroffen haben?
Dr. B. Schulze: Die erste und wichtigste Entscheidung betraf die Gründung von Organica selbst, an der neben mir noch zwei Moskauer als Gesellschafter beteiligt waren. Bei einigen Mitarbeitern waren damals Vorbehalte und Skepsis zu spüren. Der Start war sehr schwierig, die Verluste im ersten Geschäftsjahr waren höher als der Umsatz. Die Frage war, ob die Gesellschafter die Kraft haben würden, das Unternehmen innerhalb von zwei Jahren in die Gewinnzone zu bringen und damit eine langfristige, stabile Entwicklung zu ermöglichen. Heute können wir rückblickend klar sagen, dass sich das Vertrauen in die Gesellschafter ausgezahlt hat und nunmehr eine beeindruckende Wachstumsgeschichte hinter uns liegt.
Im Jahr 2011 musste ich die Entscheidung treffen, mich von den Gesellschafteranteilen gemeinsam mit den beiden Moskauern zu trennen, oder meinen Anteil zu behalten. Das Ergebnis war Ende 2011 der Verkauf aller Anteile an die Witec Holding, ein privates Unternehmen mit Sitz in Laasdorf bei Jena. Auch diese Entscheidung hat sich als richtig herausgestellt, da der Hauptgesellschafter Alexander Khytushko eine Wachstumsstrategie verfolgt und uns ermöglicht, sowohl durch Investitionen in unsere Anlagen als auch durch Zukäufe weiter zu wachsen. In den Jahren 2012 bis 2016 war ich trotzdem noch als Geschäftsführer tätig und konnte das Wachstum auch weiterhin organisieren. In diese Zeit fiel außerdem die Suche nach einem geeigneten Nachfolger. Mit Dr. Jörg Blumhoff haben wir diesen gefunden und genügend Zeit gehabt, ihn auf diese Aufgabe gründlich vorzubereiten.
Was wünschen Sie sich für die Weiterentwicklung des Unternehmens? Welchen Ratschlag geben Sie Herrn Dr. Blumhoff mit auf den Weg?
Dr. B. Schulze: Potenzial für zukünftiges Wachstum sehe ich in den Kerngebieten der hochveredelten organischen Feinchemikalien und der Auftragssynthese. Ich empfehle Herrn Blumhoff, den engen Kundenkontakt zu pflegen und wenn möglich, diesen noch weiter auszubauen. Von unseren Kunden kam stets der Input für neue Produkte und damit auch für neue Anlagen und Technologien. Unter Einbeziehung unseres Teams qualifizierter Mitarbeiter kann mit Erreichen dieser Ziele weiteres Wachstum generiert werden. Außerdem wünsche ich Herrn Blumhoff, dass es ihm gelingt, Organica auch durch Zukäufe zu erweitern.
Herr Dr. Blumhoff, Sie sind bereits seit 2012 für Organica im Bereich Marketing tätig und haben mit Beginn des Jahres die Geschäftsführung übernommen. Welche Ziele haben Sie sich persönlich für die ersten Monate gesteckt?
Dr. J. Blumhoff: In den ersten Monaten gilt es natürlich erstmal, in der neuen Position anzukommen. Da die Einarbeitung durch Dr. Schulze bereits seit mehreren Monaten erfolgreich erfolgt ist und ich mich auf ein sehr erfahrenes und engagiertes Team von Mitarbeitern verlassen kann, sollte dieser Prozess relativ schnell und reibungslos vonstattengehen. Trotzdem möchte und werde ich mich natürlich persönlich und beruflich weiterentwickeln, um dieser anspruchsvollen Position und Aufgabe gerecht zu werden. Ich sehe diesem neuen Abschnitt optimistisch und gespannt entgegen und freue mich auf die neuen Herausforderungen.
Welche Bedeutung hat der Führungswechsel für Ihre Kunden und Kooperationspartner? Müssen sich diese auf Veränderungen einstellen?
Dr. J. Blumhoff: Organica, als ein sehr stabiles und organisch gewachsenes Unternehmen, wird schon immer von Kunden und Kooperationspartnern als flexibel und sehr verlässlich geschätzt. Diese Stärken und unsere direkte Kommunikation möchte ich natürlich weiter fokussieren und ausbauen. Unsere Geschäftspartner müssen sich also auf keine gravierenden Veränderungen einstellen. An der Stelle sei auch erwähnt, dass Dr. Schulze weitere drei Jahre als Berater zur Verfügung stehen wird.
Gerade mittelständische Unternehmen haben heute mit den gesetzlichen Neuregelungen zu kämpfen. Wie stehen Sie zu REACh?
Dr. B. Schulze: REACh ist ein nützliches Tool, die Regelung ist aber in Teilen zu bürokratisch und insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen kaum oder nur mit sehr großem Aufwand zu bewältigen. Als Beispiel möchte ich hier nur die Regelung zu Zwischenprodukten, sprich Artikel 17 und 18 der REACh-Verordnung nennen. Die Gleichsetzung von streng kontrollierten Bedingungen mit einem strikten Einschluss der Produkte über deren gesamten Lebenszyklus als Voraussetzung für vereinfachte Registrieranforderungen ist praxisfremd und lässt sich so für kleintonnagige Produkte nicht realisieren. Damit führt sich diese Regelung, die eigentlich eine Vereinfachung bringen sollte, selbst ad absurdum. Zudem wird eine Registrierung mit vollem Datensatz nach Artikel 10 für mehrstufige Produkte extrem teuer und ändert an der Handhabung der Produkte in der Produktion letztlich nichts, außer dass der Zwang zur Auslagerung der Zwischenstufen in Länder außerhalb der EU zunimmt. Hier sollte meines Erachtens im Rahmen der EU „Better Regulation Agenda“ mit dem Review der REACh-Verordnung dringend nachgebessert werden.
Worin sehen Sie weitere Herausforderungen, gerade für mittelständische in Deutschland angesiedelte Unternehmen?
Dr. J. Blumhoff: Ein Problem ist mit Sicherheit die Energiepolitik. Die Elektroenergiekosten laufen aus dem Ruder. Die Unternehmen der Feinchemie sind in der Regel nicht von der Stromsteuer befreit. Daraus resultierend haben sich bei uns in den letzten zehn Jahren die Ausgaben für Elektroenergie um 140.000 EUR erhöht und damit verdoppelt. Weitere Erhöhungen zeichnen sich ab, eine verlässliche langfristige Planung ist kaum möglich. So verwundert es nicht, dass die Chemieindustrie inzwischen mehr im Ausland als in Deutschland investiert. Hier muss den wirtschaftlichen Konsequenzen der Energiewende von Seiten der Politik größere Aufmerksamkeit geschenkt werden.
Dr. B. Schulze: Kritisch sehe ich außerdem die Zusammenarbeit in Europa. Nach 1990 war eine erfolgreiche wirtschaftliche Zusammenarbeit in ganz Europa die Basis für unseren Erfolg. Dabei haben wir hier in Ostdeutschland noch eine geraume Zeit von den alten Geschäftsbeziehungen, auch nach Russland und in die Ukraine, profitiert. Mit den Sanktionen gegen Russland hat sich das in den letzten Jahren zum Nachteil beider Seiten verändert. Mit Sanktionen wurde in der Vergangenheit wohl nie das erwartete Ziel erreicht. Im Gegenteil, meist hat das zu einer Eskalation der Probleme geführt – mit bekannten Konsequenzen. Hier hoffe ich auf ein baldiges Ende der Sanktionen und eine Wiederbelebung des Handels mit Russland zum gegenseitigen Vorteil für die EU und für Russland. Auch wir könnten dabei über das Witec-Handelshaus unserer Gruppe mit Standorten in Moskau und Odessa in der Ukraine von einer solchen Entwicklung profitieren.