Chemie & Life Sciences

Antimikrobielle Lösung für Kunststoffe

Ein auch in Zukunft Regulatorik-konformes Additiv gegen Mikroorganismen auf Kunststoffen

13.09.2023 - Heraeus hat eine antimikrobielle Technologie entwickelt, die Oberflächen und Textilien vor Keimen schützt und eine langanhaltende Wirkung gegen Bakterien, Viren, Biofilmbildung sowie multiresistente Keime zeigt.

Kunststoffe finden Anwendung in zahlreichen Bereichen wie der Medizin, in Lebensmittelverpackungen oder der Textilindustrie. Allerdings stellen Mikroorganismen wie Viren, Pilze und Bakterien eine große Herausforderung dar, da sie nicht nur gesundheitsschädlich sein können, sondern auch die Produktqualität und Haltbarkeit beeinträchtigen. Bisher wurden u. a. antimikrobielle Technologien basierend auf der Abgabe von Silberionen zur Bekämpfung der Keimkontamination von Kunststoffen eingesetzt. Diese Technologien werden jedoch nach Abschluss des „Review Programme“ (Arbeitsprogramm zur Prüfung der in Biozidprodukten enthaltener alter Wirkstoffe) der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) voraussichtlich nicht mehr einsetzbar sein.

Die Biozidverordnung (Biocidal Products Regulation – BPR) regelt die Verwendung von Bioziden, also Chemikalien, die zur Bekämpfung von Schadorganismen wie Bakterien, Viren oder Pilzen eingesetzt werden. Die Verordnung trat im September 2013 in Kraft und sieht einen strengen Zulassungsprozess für Biozide vor, der von der ECHA überwacht wird.

Mit der Einführung der Biozidverordnung wurde aber nicht nur der Zulassungsprozess für neue antimikrobielle Technologien definiert, sondern auch festgelegt, dass alle bereits damals kommerziell verfügbaren antimikrobiellen Technologien sich einer Überprüfung nach den neuen Regularien zu unterziehen haben, dem sog. ECHA Review Programme.

Eine weit verbreitete antimikrobielle Technologie basiert auf dem Einsatz von feinen Silberpartikeln oder Silberverbindungen, die kontinuierlich Silberionen abgeben und so Mikroorganismen abtöten. Bisher hat keine dieser Silberionentechnologien der Überprüfung im Rahmen des Review Programmes standgehalten. Im Gegenteil: 46% der bereits überprüften Einträge zu den Silber­ionentechnologien mündeten in der Einschätzung einer Nicht-Zulassung. Es ist daher davon auszugehen, dass die Silberionentechnologien, die bisher zur Kontrolle von Mikroorganismen-Kontamination in Kunststoffen genutzt wurde, nach Abschluss des Review Programme (geplant für 2024) nicht mehr BPR-konform sein werden.
Anders das Additiv AGXX, das den aktuellen regulatorischen Bestimmungen vollständig entspricht. Mit diesem Additiv können Hersteller sicher sein, dass sie eine gesetzeskonforme Lösung verwenden, die den höchsten Standards in Bezug auf Umweltschutz und Verbrauchersicherheit entspricht – auch nach 2024.

 

„Im Gegensatz zu herkömmlichen Technologien
basiert der Wirkmechanismus von AGXX auf einer katalytischen Reaktion
mit Luftfeuchtigkeit und Sauerstoff.“



Langanhaltende Wirkung

Im Gegensatz zu herkömmlichen Technologien basiert der Wirkmechanismus von AGXX auf einer katalytischen Reaktion mit Luftfeuchtigkeit und Sauerstoff und nicht auf der Freisetzung von Substanzen, wie etwa Metallionen und ist somit auch im Rahmen der BPR gesetzeskonform einsetzbar. Die antimikrobielle Technologie schützt Oberflächen und Textilien vor Keimen und zeigt eine langanhaltende Wirkung gegen Bakterien, Viren, Biofilmbildung sowie multiresistente Keime. Bisher wurde die antimikrobielle Wirksamkeit gegen mehr als 130 Mikroorganismen nachgewiesen, einschließlich silberresistenter E.-coli-Stämme.

Anwendungsgebiete sind vielfältig

AGXX zeichnet sich somit durch seine wirkungsvollen und regulatorisch konformen antimikrobiellen Eigenschaften aus und wird in verschiedenen Anwendungen eingesetzt, um das Wachstum von Mikroorganismen zu hemmen, eine hygienische Umgebung sowie lang­anhaltende Produktqualität zu gewährleisten. Es kann in Partikelform in Textilien und Polymere eingearbeitet werden. Das weite Anwendungsspektrum umfasst dabei neben Kunststoffen und Textilien auch Filter, Fassaden- und Antifouling-Farben, Klimatechnik, Schutzmasken, Medizinprodukte oder Sanitäreinrichtungen.

Polymeranwendungen, die stark von einer antimikrobiellen Ausstattung profitieren, sind u.a. Lebensmittelförderbänder, Wundauflagen, Matratzen, Textilien, Folien und viele mehr. Somit ist diese Technologie optimal für Polymeranwendungen, da mit ihr das Material nachhaltig antimikrobiell ausgestattet wird.

Die Wirkung der Technologie in verschiedenen Materialien, insbesondere in wasserabsorbierenden Kunststoffen, wie Polyamid 6 und Polyurethan, wurde durch zahlreiche Tests bei unabhängigen mikrobiologischen Laboren an PA6-Typen, PU-Schäumen, Textilbeschichtungen und Fasern bestätigt.

Labortests bestätigen Wirksamkeit

AGXX wurde bereits wiederholt durch Extrusion in PA6- und PA6/66-Granulat eingearbeitet, das anschließend weiter zu Platten, Folien oder Textilfasern verarbeitet werden konnte. Mit diesen Probekörpern wurden mikrobiologische Untersuchungen gemäß genormter ISO 22196-Tests für glatte Oberflächen oder nach ISO 20743 für poröse Oberflächen durchgeführt. Die antimikrobielle Wirksamkeit des ausgestatteten Materials wurde gegen E. coli-, S. aureus- und K. pneumoniae-Stämme getestet.

Alle getesteten Additiv-Konzentrationen zeigten eine sehr hohe antimikrobielle Wirkung, so wurde bei allen Probekörpern die Bakterienkonzentration um mehr als 99,9 % reduziert. Neben der antimikrobiellen Wirksamkeit der ausgestatteten PA6- und PA6/66-Platten wurde während Extrusion und Weiterverarbeitung des AGXX-modifizierten PA-Granulats eine gute Prozessierbarkeit für die additivierten Kunststoffe beobachtet. Da im Vergleich zur additiv­freien Referenz keinerlei Veränderungen der Verarbeitungsparameter auftraten, ist davon auszugehen, dass die AGXX-Additivierung die Herstellungsprozesse nicht beeinflusst.

Neben Polyamiden wurde AGXX in unterschiedliche Konzentrationen in PU-Weichschaum eingearbeitet. Nach der Einbringung wurden mit den ausgestatteten Weichschäumen Tests zur antimikrobiellen Wirksamkeit sowie Materialtests durchgeführt. Die antimikrobiellen Partikel lassen sich gut in den Schaumstoff einbringen und homogen verteilen, ohne die Schaumstruktur des Polyurethans zu beeinflussen. Gegenüber Additiv-freien Schaumstoffen waren auch für diesen Kunststoff keine signifikanten Einflüsse der Additivierung auf die Materialeigenschaften oder Verarbeitbarkeit des PU zu beobachten.
Zur Untersuchung der antimikrobiellen Aktivität des Materials wurden genormte ASTM E2149-Tests durchgeführt. Hierbei wurde eine sehr gute antimikrobielle Aktivität gegen E. coli- und S. aureus-Stämme detektiert, was wiederum zu einer Keimreduktion von mehr als 99,9 % führte.

 

„In der Textilindustrie kann die Verwendung in Textilien
einen bedeutenden Fortschritt in puncto Hygiene
und Geruchsbekämpfung erzielen.“



Im Praxiseinsatz überzeugend

AGXX findet in verschiedenen Praxisbeispielen bereits Anwendung. So konnte das Additiv erfolgreich in PA6-Hochleistungskunststoffmodule für die Vertical-Farming-Industrie implementiert werden. Da die Kontamination durch Keime und Reinigung in Urban-Farming-Anlagen herausfordernd sein kann, ist es wichtig, Biofilmbildung auf allen Oberflächen möglichst zu verhindern. Durch die Implementierung der Additive in die Module wird nicht nur die allgemeine Sauberkeit gefördert, sondern auch die Lebensdauer der eingesetzten Produkte erhöht.

In der Textilindustrie kann die Verwendung in Textilien einen bedeutenden Fortschritt in puncto Hygiene und Geruchsbekämpfung erzielen. Anwendungen in vielen Bereichen wie Sportbekleidung, Bettwäsche, medizinischen Textilien und Arbeitskleidung liegen nahe. Insbesondere die Anwendung in Gesundheitstextilien wird in einem öffentlich geförderten Projekt gemeinsam mit den Deutschen Instituten für Textil- und Faserforschung (DITF) weiterentwickelt.

Martin Danz, Co-Head Antimicrobial Technologies,
Marie-Lena Harwardt, Co-Head Antimicrobial Technologies,
und Tobias Schwob, Head of Innovation Antimicrobial Technologies
Heraeus Deutschland GmbH & Co.
KG, Hanau

ZUR PERSON
Martin Danz hat einen wirtschaftswissenschaftlichen Hintergrund. Er ist seit mehr als elf Jahren in verschiedenen Positionen bei Heraeus tätig. Seit der Gründung der Wachstumsplattform „Antimicrobial Technologies“ von Heraeus Precious Metals Mitte 2021 ist er für diese hauptverantwortlich. Derzeit konzentrieren sich die Aktivitäten auf die AGXX-Technologie.

ZUR PERSON
Tobias Schwob ist Chemiker mit dem Fokus auf die Bereiche Polymer- und Materialchemie und verstärkt seit diesem Jahr das Team Antimicrobial Technologies der Heraeus Precious Metals. In seiner Rolle als Leiter der Innovation verantwortet er die kontinuierliche Weiterentwicklung des bestehenden Produktportfolios sowie den Übertrag vom Labor- in den Produktionsmaßstab. In diesem Zusammenhang liegt der aktuelle Schwerpunkt auf der Anpassung der AGXX-Technologie an die kundenspezifischen Anforderungen.

ZUR PERSON
Marie-Lena Harwardt hat einen Hintergrund in Chemie und Biochemie und kam 2020 zu Heraeus Precious Metals. Im jungen Team für antimikrobielle Technologien baut sie Partnerschaften zu Instituten und Kunden auf, um das antimikrobielle Portfolio von Heraeus optimal an verschiedene Anwendungen anzupassen. Gemeinsam mit dem Innovationsteam treibt sie die technologische Entwicklung und Optimierung sowie die antimikrobielle Prüfung voran.

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Heraeus Deutschland GmbH & Co. KG

Heraeusstr. 12 -14
63450 Hanau
Deutschland

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