Wettbewerbsfähigkeit sichern – Unabhängigkeit schaffen
Jörg Bienert, Vorstandsvorsitzender des KI Bundesverband, erläutert, warum technologische Unabhängigkeit bedeutend für die europäische Industrie ist und wie die Chancen dafür stehen.
Interview mit Jörg Bienert,Vorstandsvorsitzender, KI Bundesverband und Volker Oestreich, CHEManager
Make or Buy – Warum wir eigenständige KI entwickeln müssen

CHEManager: Herr Bienert, warum ist es für die heimische Industrie aus Ihrer Sicht unverzichtbar, eigenständige KI-Modelle zu entwickeln?
Jörg Bienert: Spätestens seit ChatGPT erleben wir, wie künstliche Intelligenz in Form der nächsten Stufe mit generativer AI nahezu alle Lebens- und Arbeitsbereiche durchdringt und dabei zu enormen Produktivitätssteigerungen führen kann. Gleichwohl befinden wir uns mit der Entwicklung gerade erst am Anfang. Vor diesem Hintergrund treten wir als KI Bundesverband dafür ein, dass wir in Deutschland und Europa in der Lage sein sollten, Foundation-Modelle als wichtige zentrale Infrastruktur selbst herzustellen, zu betreiben und weiterzuentwickeln. Das ist strategisch entscheidend, um sowohl in technologischer als auch wirtschaftlicher Hinsicht nicht komplett von außereuropäischen Anbietern abhängig zu werden. Gerade aktuelle Themen wie Strafzölle unterstreichen diese Notwendigkeit.
Warum machen aktuell USA und China das KI-Wettrennen unter sich aus und wie viel technologisches Potenzial sehen Sie in Europa?
J. Bienert: Prinzipiell verfügen wir in Deutschland mit einer langjährigen wissenschaftlichen Historie in diesem Bereich über hervorragende Voraussetzungen. Nur ein Beispiel: Das Modell, das die Basis für Siri und viele weitere Sprachmodelle bildete, wurde ursprünglich in München erfunden. Das wissenschaftliche Know-how ist ohne Zweifel vorhanden – was uns fehlt, ist wie in vielen anderen Bereichen der Mut und die Bereitschaft zu investieren, insbesondere in großen Maßstäben.
Der Durchbruch bei den Sprachmodellen wurde schließlich erst durch den enormen und teuren Einsatz von viel Rechenkapazität ermöglicht. Leider fehlt es uns in Deutschland und Europa an digitalen Konzernen, die aufgrund ihres Geschäftsmodells, ihrer weltweiten Verbreitung und ihrer Margen über derartige finanzielle Mittel verfügen wie beispielsweise Google, Microsoft, Amazon oder Facebook.
Wie kann es Deutschland und Europa gelingen, im globalen KI-Wettbewerb eine stärkere Rolle zu spielen?
J. Bienert: Eine zentrale Steuerung und die Bündelung der Kräfte sind unverzichtbar, um dieses Ziel zu erreichen. Als KI Bundesverband plädieren wir dafür, dass die öffentliche Hand unterstützend tätig werden sollte. Ein wesentlicher Aspekt dabei ist, dass Foundation-Modelle als Infrastrukturkomponente eine unverzichtbare Basis für die gesamte Wirtschaft, aber auch für die Gesellschaft darstellen. So wie es sich bei Autobahnen ebenfalls um eine staatlich finanzierte Infrastrukturkomponente handelt, sollte dies in ähnlicher Form auch für IT- und Digital-Infrastrukturen gelten.
Gleichzeitig benötigen wir in Europa eine klare Strategie, die alle Aktivitäten zusammenführt und koordiniert. Daran hat es in der Vergangenheit gemangelt. Zwar wurde durchaus Geld investiert, aber häufig eher nach dem Gießkannenprinzip. Beispiel: Die Mittel der KI-Strategie der Bundesregierung wurden zunächst auf mehrere Bundesministerien verteilt, die sich dann untereinander kaum abgestimmt haben. Auch Wissenschaftler könnten sich noch besser miteinander vernetzen und Forschungsschwerpunkte koordinieren. Auf diese Weise hätten wir gute Chancen, eine Art Moonshot-Programm für eine konkurrenzfähige europäische KI zu initiieren.
„Automation ohne Medienbrüche kann zu einem echten Game Changer werden.“
Automation 2025
Am 1. und 2. Juli 2025 findet im Kongresshaus Baden-Baden der VDI-Kongress „Automation 2025“ unter dem Generalthema „Human-Centric Automation“ statt. Schwerpunkte sind u.a. AI, Data Science & Dataspaces, Prozessautomation, Safety & Security, Industrielle Kommunikation oder Nachhaltige Technologien und Kreislaufwirtschaft. Die Kongressleitung haben Ulrich Jumar (Ifak), Felix Hanisch (Bayer) und Rebecca Vangenechten (Siemens). Die Keynote am 2. Kongresstag mit dem Thema „Make or Buy – Warum wir eigenständige KI entwickeln müssen“ hält Jörg Bienert vom KI Bundesverband und plädiert dabei für eigenständige europäische KI-Systeme.
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