Go West: Das US-GHS





Die Vereinigten Staaten von Amerika haben sich Zeit gelassen mit der Umsetzung des UN-GHS. Doch dafür geht es jetzt Schlag auf Schlag.
Die Vorschriften für die Einstufung und Kennzeichnung von gefährlichen Stoffen und Zubereitungen/ Gemischen und das Sicherheitsdatenblatt findet man im US Code of Federal Regulations (CFR) im Titel 29 („CFR 29"), und hier im
§ 1910.1200 „Hazard Communication" (s. Tab. 1). Die GHS-induzierten Änderungen wurden veröffentlicht im Federal Register Nr. 58 vom 26.03.2012 auf den Seiten 17786 bis 17887 (= 100 Seiten).
Was muss ein Exporteur von gefährlichen Stoffen/Gemischen davon wissen?
Einstufung und Kennzeichnung
Physikalisch-chemische Gefahren
Die USA übernehmen alle Gefahrenklassen und -kategorien des UN-GHS einschließlich der Gefahrenkategorie 4 der Gefahrenklasse entzündbare Flüssigkeiten. Das bedeutet für Flüssigkeiten mit einem Flammpunkt größer 60 °C, aber kleiner gleich 93 °C:
- Die Verpackung ist kennzeichnungspflichtig (mit dem Signalwort „Warning" und dem Gefahrenhinweis „Combustible liquid" (H227), kein Gefahrenpiktogramm).
- Die Lieferung ist sicherheitsdatenblattpflichtig.
Das ist in der EU beides nicht der Fall. Für die USA bringt das keine Neuerung, weil Flüssigkeiten mit einem Flammpunkt von über 60 °C bis einschließlich 93 °C auch schon bisher den Gefahrstoff- („Klasse IIIA" gemäß § 1910.106(a)(18)(19) CFR 29 alte Fassung) und ggf. -gutvorschriften unterlagen.
Ein Beispiel: Isononanol hat einen Flammpunkt von 93 °C und ist damit eine „combustible liquid"; das Gefahrstoffetikett für Isononanol hat demnach beim Export in die USA wie in Abb. 1 auszusehen.
Gesundheitsgefahren
Die USA übernehmen alle Gefahrenklassen und -kategorien des UN-GHS außer den folgenden:
- akute Toxizität: Kategorie 5 = H303, H313, H333
- Ätz-/Reizwirkung auf die Haut: Kategorie 3 = H316
- Aspirationsgefahr: Kategorie 2 = H305
Das entspricht der Regelung in der EU.
Anders als die EU übernehmen die USA aber auch die Kategorie 2B = H320 „verursacht Augenreizung" der Gefahrenklasse „schwere Augenschädigung/Augenreizung". Bei der Wirkung von Stoffen/Gemischen auf die Augen wird unterschieden, ob die Veränderung
- irreversibel ist = „schwere Augenschädigung"
- reversibel ist = „Augenreizung", und hier noch einmal, ob innerhalb von
- 21 Tagen = schwere Augenreizung (H319)
- 7 Tagen = Augenreizung (H320).
Ein Gemisch ist nur dann H320, wenn alle relevanten Inhaltsstoffe als H320 eingestuft sind. Ein Beispiel: Calciumchlorid ist H319; ein Gemisch mit ≥ 10 % ist ebenfalls H319, ein Gemisch mit z. B. 9 % dürfte demnach nicht H320 sein.
Umweltgefahren
Die USA übernehmen die Gefahrenklassen „gewässergefährdend" und „ozonschichtgefährdend" mit allen Gefahrenkategorien des UN-GHS (= H400, H401, H402; H410, H411, H412, H413; H420) komplett nicht; die EU hat nur die H-Sätze 401 und 402 nicht übernommen. Gemäß UN-GHS geht das (siehe Unterabsätze 1.1.3.1.5.1 und 1.1.3.1.5.4 a) UN-GHS, „Baukasten"). Begründung der USA: „environmental hazards" haben mit „occupational safety and health" nichts zu tun.
Die USA haben die Kriterien für umwelt- = wassergefährdende Stoffe des UN-GHS ja auch nicht für den Transport gefährlicher Güter übernommen; Begründung: zu kompliziert (Federal Register vom 14.01.2009, S. 2208). Damit sind im Sinne des GHS gewässer- bzw. ozonschichtgefährdende Stoffe und Zubereitungen/ Gemische beim Export in die USA weder kennzeichnungs- noch sicherheitsdatenblattpflichtig. Eine ggf. schon vorhandene Kennzeichnung muss nicht entfernt werden (Anhang C.3.1 „it provides further detail").
Formale Anforderungen
Es gibt nur sehr wenige Formalvorgaben:
- Anders als im UN- und im EU-GHS sind im US-GHS die H- und P-Sätze nicht codiert.
- Anders als im EU-GHS sind im US-GHS die P-Sätze den H-Sätzen bereits zugeordnet. Sicherheitshinweise dürfen aber kombiniert und konsolidiert werden, um Platz auf dem Etikett zu sparen; ebenso ist es zulässig, spezifisch nicht zutreffende Sicherheitshinweise wegzulassen.
- Leerpiktogramme (auf der Spitze stehende Quadrate mit rotem Rand ohne Gefahrensymbol) sind ausdrücklich nicht zulässig.
- Die Angaben müssen „gut" lesbar sein; Größenvorgaben für Etikett und Piktogramme wie in der EU gibt es nicht.
Sicherheitsdatenblatt
Die Vorgaben für das Sicherheitsdatenblatt sind im CFR 29 im § 1910.1200 (g) und im dazugehörigen Anhang D zu finden. Das US-Sicherheitsdatenblatt hatte bislang nur acht Abschnitte.
Das Sicherheitsdatenblatt ist im UN-GHS im Kapitel 1.5 und im Anhang 4 geregelt. Die EU hat das Thema Sicherheitsdatenblatt nicht in der CLP-Verordnung, sondern in der REACh-Verordnung geregelt, inhaltlich aber die Vorgaben des UN-GHS vollständig übernommen. Die ISO hatte im März 2009 die aktualisierte Fassung der Norm 11014 vorgelegt, die ebenfalls mit den Vorgaben des UN-GHS übereinstimmt.
Die USA übernehmen grundsätzlich die Vorgaben des UN-GHS, mit folgender Ausnahme: Die Abschnitte
- 12: umweltspezifische Angaben
- 13: Hinweise zur Entsorgung
- 14: Angaben zum Transport
- 15: Angaben zu Rechtsvorschriften
sind freiwillig. Begründung: Das Department of Labor/die Occupational Safety and Health Administration hat für diese Inhalte keine Rechtsetzungsbefugnis. Der Mindestinhalt der Abschnitte 1 bis 16 ist dem Anhang D zu § 1910.1200 zu entnehmen; das entspricht der ISO 11014.
Fristen
Für Verpackungskennzeichnung und Sicherheitsdatenblatt geltende Fristen sind in Tabelle 2 angegeben.
Zur Erinnerung: In der EU ist die Frist für Stoffe am 01.12.2010 abgelaufen; für Zubereitungen/Gemische endet sie am 01.06.2015.
Fazit
Paragraph eins: Jeder macht sein's. Das „Baukastenprinzip" des UN-GHS („wünsch dir was") widerspricht dem Anspruch der globalen Harmonisierung der Systeme. So muss man sich nicht wundern, wenn es am Ende viele verschiedene GHS gibt: ein EU-GHS, ein US-GHS, ein XY-GHS. Gewonnen ist damit nicht viel.
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