Digitalisierung als Wachstumstreiber

Künstliche Intelligenz als Gamechanger – Thomas Jung, Chief Data Officer von Syngenta, über die Vision des Konzerns für die Agrarbranche.

Präzise Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln durch Drohnentechnologie.
Präzise Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln durch Drohnentechnologie.
© Syngenta

„Die Macht der Daten hat zu einer digitalen Revolution
in der Landwirtschaft geführt.“

Thomas Jung, Chief Data Officer von Syngenta

Bei der Syngenta-Gruppe arbeiten ca. 60.000 Mitarbeiter in mehr als 100 Ländern daran, die Landwirtschaft durch maßgeschneiderte Lösungen für Landwirte zu transformieren – und machen das Unternehmen zum weltweit lokalsten Partner für Agrartechnologie und Innovation. Im Rahmen der CHEManager-Serie über Digitalisierungsstrategien bekannter Chemie-, Pflanzenschutz- und Pharmaunternehmen sprach Stefan Guertzgen mit Thomas Jung, Chief Data Officer bei Syngenta, über die Rolle der digitalen Transformation für die Landwirtschaft und die Umsetzung der Unternehmensziele.

CHEManager: Herr Jung, der globale Markt für KI in der Landwirtschaft wird laut einer aktuellen Marktanalyse voraussichtlich von 1,7 Mrd. USD im Jahr 2023 auf 4,7 Mrd. USD im Jahr 2028 wachsen. Welche Bedeutung haben Digitalisierung und künstliche Intelligenz für die Gestaltung der Zukunft Ihres Unternehmens?

Thomas Jung: Syngenta nutzt das Potenzial digitaler Technologien und datengestützter Erkenntnisse, um das Geschäft zu transformieren und die Landwirte, mit denen wir zusammenarbeiten, zu stärken, damit sie mehr Lebensmittel für eine wachsende Bevölkerung produzieren können. 
Durch die Integration digitaler Lösungen in allen Bereichen unserer Geschäftstätigkeit, von der Forschung und Enticklung im Labor bis hin zur Unterstützung der Landwirte vor Ort, fördern wir Innovation und Effizienz in jedem Schritt der landwirtschaftlichen Wertschöpfungskette. In der Landwirtschaft gibt es noch viel ungenutztes Potenzial zur Digitalisierung. Wir verfügen über Algorithmen, die Elemente wie Bodenbeschaffenheit, Wettervorhersagen und Saatgutsorten sowie Leistungsdaten aus Forschung und Entwicklung berücksichtigen und Empfehlungen aussprechen, damit Landwirte bessere Entscheidungen treffen können. Immer häufiger kommen dabei auch KI-gestützte Lösungen zum Einsatz. 2025 wird das erste Jahr sein, in dem KI die Landwirtschaft wirklich revolutioniert – vom Labor bis zum Feld. 

„Die Macht der Daten hat zu einer digitalen Revolution
 in der Landwirtschaft geführt.“

KI scheint für Sie ein wesentlicher Treiber im Rahmen der digitalen Transformation zu sein. In welchen Bereichen sehen Sie die größten Werthebel?

T. Jung: Unsere Prozessoptimierungen sind entlang der gesamten Wertschöpfungskette ausgerichtet. Die größten Potenziale von KI sehen wir in der Forschung und Entwicklung, in den Händen der Landwirte und im Feld, im Schädlings- sowie im Lieferkettenmanagement. Der Reihe nach: Heute nutzen alle Forschungsprojekte bei Syngenta maschinelle Lernmodelle, um neue Wirkstoffe zu identifizieren – für synthetische und biologische Produkte. In den Händen der Landwirte fungieren GenAI-gestützte digitale Tools als agronomische Berater und helfen bei der Bestimmung optimaler Anbaupraktiken. Im Feld ermöglicht die Einführung KI-gesteuerter Systeme zur zuverlässigen Überwachung und Vorhersage der Bodengesundheit Forschern und Landwirten hochauflösende Bodennährstoff-, Textur- und Kohlenstoffkarten. Beim Schädlingsmanagement unterstützen Präzisionslandwirtschaft und datengesteuerte Entscheidungsfindungslösungen Landwirte, indem sie Pflanzenschutzmittel nur auf befallene Bereiche ausrichten. Und im Lieferkettenmanagement stellen Nachfrage- und Marktprognosen sowie die Reduzierung von Überproduktion und die Optimierung der Logistik sicher, dass Landwirte die benötigten Lösungen und Produkte verlässlich zum richtigen Zeitpunkt zur Verfügung haben.

Gibt es neben KI noch andere digitale Technologien, auf die Sie besondere Schwerpunkte legen?

T. Jung: Neben der Nutzung von KI unter dem Stichwort „Generative Chemistry“ oder von Large-Language-Modellen, LLMs, im Kundenkontakt und für IIoT, um Daten von Pflanzen und Bodengesundheit für KI-Modelle verfügbar zu machen, unterstützen wir die Value Chain mit Blockchain-Projekten zur vollständigen Nachverfolgbarkeit von Lebensmitteln, insbesondere in China. Quantencomputing sehen wir noch nicht reif genug für konkrete Anwendungen. Hier sind wir im Dialog mit führenden Schweizer und internationalen Forschungseinrichtungen, um auf dem Laufenden zu bleiben und potenziell bahnbrechende Lösungen in Zukunft gemeinsam zu entwickeln.

„In der Landwirtschaft gibt es noch viel ungenutztes
 Potenzial zur Digitalisierung.“


Wo stehen Sie bezüglich der Umsetzung Ihrer Digitalstrategie und was sind Ihre weiteren Pläne?

T. Jung: Zurzeit benutzen wir Technologie und Daten in unserem gesamten Unternehmen, um Innovation im Labor zu beschleunigen, die Entscheidungsfindung in unseren Geschäftsabläufen zu verbessern und Landwirten zu helfen, ihre Erträge zu steigern. 
In diesem Jahr werden wir den Einsatz von KI weiter ausbauen. Nach unserem anhaltenden Erfolg nach einem „Jahr der Automatisierung“ stellen wir dieses Jahr unter das Motto der Zusammenarbeit von Mensch und KI – Stichwort: Human Augmentation. Namentlich werden wir KI in alltäglichen Anwendungsfällen implementieren und weiter skalieren. 
Darüber hinaus statten wir Landwirte mit neuen und erweiterten digitalen Tools aus, die ihnen helfen können, intelligente, fundierte Entscheidungen zu treffen, ihre Ressourcennutzung zu optimieren und letztlich ihre Erträge und Rentabilität zu verbessern. Hierzu gehört das kürzlich lancierte GenAI-System Cropwise AI, das die Effizienz von Agrarberatern und Landwirten bei der Bestimmung der besten Anbaupraktiken steigern soll. Cropwise AI nutzt die umfangreiche Bibliothek agronomischer Modelle, die in der Cropwise Insights Engine gespeichert sind, darunter Bodenbedingungen, Wetterdaten aus über 20 Jahren, mehr als 80.000 Beobachtungen zu Wachstumsstadien von Nutzpflanzen und historische Ertragsdaten aus F&E- und landwirtschaftlichen Versuchen. Diese Informationen werden dann mit dem agronomischen Fachwissen von Syngenta verknüpft.

Welches sind besonders kritische Erfolgsfaktoren und wo sehen Sie besonderen Handlungsbedarf?

T. Jung: Hier sind im Wesentlichen drei Bereiche zu nennen: Erstens ist die interne Entwicklung neuer Fähigkeiten von entscheidender Bedeutung, insbesondere im Bereich der künstlichen Intelligenz in der Landwirtschaft, für die es noch keinen etablierten Markt an Talenten gibt. Dies erfordert eine proaktive Herangehensweise an die Ausbildung und Förderung von unseren Mitarbeitern, um eine Vorreiterrolle in diesem aufstrebenden Feld einzunehmen. Zweitens ist ein starker Fokus auf die Zusammenarbeit mit leistungsfähigen Partnern unerlässlich, da sich die Industrie mit atemberaubender Geschwindigkeit weiterentwickelt. Diese Partnerschaften können Syngenta helfen, mit den neuesten Entwicklungen Schritt zu halten und von externem Fachwissen zu profitieren. Drittens besteht ein dringender Bedarf an der kontinuierlichen Verbesserung der Dateninfrastruktur des Unternehmens. Ziel ist es, alle relevanten Daten für KI-Anwendungen nutzbar zu machen, was eine solide Grundlage für datengetriebene Innovationen und Entscheidungsfindungen schafft. 

Wo sehen Sie Ihr Unternehmen in den nächsten drei bis fünf Jahren?

T. Jung: Die Macht der Daten hat zu einer digitalen Revolution in der Landwirtschaft geführt. Syngenta ist bereits heute weit fortgeschritten bei der Umsetzung der Digitalstrategie und der Integration digitaler Lösungen in sämtlichen Bereichen der Geschäftstätigkeit. Unsere digitale Transformation revolutioniert die Art und Weise, wie wir neue Produkte im Labor entdecken und entwickeln. Durch den Einsatz von prädiktiver Wissenschaft, Datenanalyse und Automatisierung beschleunigen wir das Innovationstempo, identifizieren neue Moleküle für Pflanzenschutzlösungen und neue Eigenschaften für effektivere und nachhaltigere Nutzpflanzen. Dank Cropwise AI und durch die Kombination unseres fundierten agronomischen Wissens mit modernsten KI-Fähigkeiten bringen wir die Leistungsfähigkeit von GenAI in die Landwirtschaft und befähigen Landwirte, datengestützte Entscheidungen zu treffen.
Gleichzeitig ist die digitale Transformation nie zu Ende. In drei bis fünf Jahren werden wir unsere KI-Systeme weiter verfeinert und in alle Geschäftsbereiche integriert haben, was zu noch präziseren Vorhersagen und effizienteren Prozessen führt. Wir erwarten, dass unsere digitalen Plattformen eine zentrale Rolle in der globalen Landwirtschaft spielen werden, indem sie Landwirte, Forscher und andere Stakeholder in einem umfassenden Ökosystem verbinden. Zudem sehen wir Syngenta als Vorreiter in der Entwicklung und Anwendung von KI-gestützten Lösungen für nachhaltige Landwirtschaft, die den Herausforderungen des Klimawandels und der Ernährungssicherheit begegnen. Schließlich wird sich Syngenta auch in Zukunft dafür einsetzen, insbesondere in der EU, dass Technologie, Daten und KI verantwortungsvoll in der Landwirtschaft eingesetzt werden.

Thomas Jung, Chief Data Officer, Syngenta Group
Thomas Jung, Chief Data Officer, Syngenta Group
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