14.05.2025 • ThemenDachserLogistikMichael Kriegel

Digitale Assistenten in der Logistikpraxis

Dachser setzt heute schon auf KI-Anwendungen in unterschiedlichen Bereichen und erhöht die Schlagkraft in der KI-Forschung.

Autor: Michael Kriegel, Department Head, Dachser Chem Logistics, Kempten

Das Potenzial von KI in der Chemielogistik ist noch lange nicht ausgeschöpft

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KI hält Einzug in den Business-Alltag in der Chemielogistik.
© Dachser

Künstliche Intelligenz (KI) wird zur Alltagstechnologie. Auch der Logistik eröffnet sie beträchtliche Potenziale, die über die Analyse großer Datenmengen hinausgehen. Als praktischer Assistent unterstützt KI Mitarbeitende bei der Entscheidungsfindung oder nimmt eintönige Routinearbeiten ab. KI kommt aber auch schon heute in der Stückgutlogistik auch für Unternehmen der chemischen Industrie zum Einsatz und hat Potenzial für zahlreiche Anwendungen.

Ist künstliche Intelligenz eine Zukunftstechnologie? Die Antwort ist ja und nein zugleich. Ja, weil wir bei Weitem noch nicht alle KI-Potenziale nutzen, und nein, weil KI-Anwendungen schon längst in unserem Leben Einzug gehalten haben – ob durch Gesichtserkennung am Smartphone, Chatbots oder Übersetzungsdienste im Internet. Auch in der Logistik ist KI häufiger im Einsatz als man denkt. Hier finden sich entsprechende Anwendungen, etwa bei Vorhersagen von Sendungsmengen, der Steuerung von Materialflüssen oder der Unterstützung von adminis­trativen Prozessen.

KI, auch das ist ein Fakt, ist in vielen Bereichen noch nicht ausgereift. Die Simulation der menschlichen Intelligenz ist nichts anderes als komplexe Mathematik mit viel Wahrscheinlichkeitsrechnung. Abhängig von der Datenqualität produziert sie also zwingend Fehler, die es gerade in der Logistik für die chemische Industrie mit ihren hohen Anforderungen an Sicherheit und Qualität zu minimieren gilt: sowohl bei sog. KI-Agenten, die bei unkritischen Nebenprozessen eigenständig agieren als auch bei KI-Assistenten, bei denen der Mensch stets steuert und überwacht. Aus heutiger Sicht wird es deshalb keine Logistik ohne Menschen geben. Denn die letzte Entscheidung muss immer beim Menschen liegen, insbesondere wenn geschäftliche Risiken im Spiel sind und eine gewisse Fehlerrate nicht toleriert werden kann.

Dennoch gilt: Wer sich heute als Logistiker noch nicht intensiv mit KI beschäftigt, der wird mittel- und langfristig vom Markt aussortiert. Denn die Anforderungen der Kunden und die Komplexität der Rahmenbedingungen werden nicht geringer – und das vor dem Hintergrund des zunehmenden Fachkräftemangels. Auch Dachser setzt heute schon auf KI-Anwendungen in unterschiedlichen Bereichen, wie im Warehouse, im Umschlaglager oder im Büro, um seine Mitarbeitenden bestmöglich bei der Entscheidungsfindung zu unterstützen, die Effizienz zu steigern und um Engpässe zu minimieren. Das hilft, den Fachkräftemangel abzufedern und das Qualitätsniveau langfristig zu sichern.

Neue, unerwartete Möglichkeiten

Der Logistikdienstleister hat schon vor über sechs Jahren im sog. ‚Dachser Enterprise Lab‘ – ein Labor für Forschung und Entwicklung am Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML in Dortmund – damit begonnen, Algorithmen zu entwickeln, die bspw. die Eingangsmengen in den Niederlassungen bis zu 25 Wochen im Voraus prognostizieren, um so die saisonale Kapazitätsplanung zu unterstützen. Denn Planbarkeit ist in der Logistik das entscheidende Kriterium für Effizienz und Qualität. KI kann hier einen wertvollen Beitrag leisten, wie PAnDA One, das erste Machine Learning-Projekt von Dachser, zeigt. Das Akronym steht für Predictive (P) Analytics (An) Dachser (DA) sowie das erste seiner Art (One).

KI-Algorithmen kommen auch beim digitalen Zwilling @ILO zum Einsatz, der Packstücke im Stückgutlager in Echtzeit identifiziert, lokalisiert und vermisst. Mit Hilfe von Kameras an den Hallendecken entsteht ein exaktes digitales Abbild aller Bewegungen und Abläufe innerhalb des Lagers. Das erhöht die Transparenz und Übersicht. Gleichzeitig entfallen manuelle Prozesse, z. B. beim Scannen der Ware, sodass sich bestimmte Entladeprozesse um bis zu 30 % effizienter darstellen. Der digitale Zwilling @ILO wird bei Dachser in den kommenden Jahren sukzessive in Europa ausgerollt. Für 2025 stehen mindestens sechs neue Standorte auf dem Plan.

„Wer sich heute als Logistiker noch nicht intensiv mit KI beschäftigt, der wird mittel- und langfristig vom Markt aussortiert.“

Autonom im Lager mit AGV-Robotern

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Beim digitalen Zwilling @ILO, der Packstücke im Stückgutlager in Echtzeit identifiziert, lokalisiert und vermisst, kommen auch KI-Algorithmen zum Einsatz.
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Künstliche Intelligenz ist nicht nur im Umschlaglager, sondern auch in der Warehouse-Automatisierung von Nutzen. Mittlerweile sind in acht deutschen Dachser-Warehouses selbstfahrende Transportfahrzeuge, sog. AGVs (Autonomous Guided Vehicles), im Einsatz. Diese mobilen Roboter, die mittlerweile auch als Autonomous Mobile Robots (AMR) bezeichnet werden, erfassen über Sensorikelemente wie Kameras, Lidar und Radar die Umgebung und finden sich mittels KI selbstständig in der Umgebung zurecht. Sie können autark agieren und einfache, repetitive Abläufe abbilden. Die fahrerlosen Transportsysteme suchen sich selbstständig ihren eigenen Weg, um bspw. Paletten ebenerdig ein- und auszulagern. Sie kommunizieren untereinander und tauschen Fahraufträge aus, wenn ein anderes Fahrzeug rechnerisch schneller am Ziel wäre. Steht ein Hindernis im Weg, bremst das Fahrzeug.

So fahren die Roboter quasi nie überflüssige Wege und arbeiten sehr effizient. Zugleich sorgen Sicherheitssensoren dafür, dass die Fahrzeuge unfallfrei ihren Weg finden. Es ist faszinierend, wie gut das funktioniert.

Präzise Navigation, Schwarmintelligenz und eine nahtlose Integration in die IT-Systeme sorgen für ein deutliches Effizienzplus im Logistik­alltag – und auch die Mitarbeitenden freuen sich über Entlastung durch den „Kollegen Roboter“. Dachser setzt die AGVs im Mischbetrieb ein. Das heißt: Zusätzlich sind von Menschen gesteuerte Fahrzeuge unterwegs. Eine komplette Automatisierung ist nicht zielführend, da dies zu Lasten der Flexibilität gehen würde. Es bleibt ein Herantasten an die optimale und wertbringendste Kombination aus Mensch und Maschine.

„Es bleibt ein Herantasten an die optimale und wertbringendste Kombination aus Mensch und Maschine.“

Gemeinsam forschen

Wie sieht hier die Zukunft aus? In der Robotik wird experimentiert, autonome Fahrzeuge künftig über Foundation-Modelle anzusprechen und zu steuern. So könnten Roboter komplexe Aufgaben wie natürliche Sprachverarbeitung, Bild- und Objekterkennung sowie autonome Navigation besser bewältigen. Diese Modelle ermöglichen es Robotern auch, aus großen Datenmengen zu lernen und sich an neue Umgebungen und Aufgaben anzupassen, was ihre Flexibilität und Einsatzmöglichkeiten erweitert. Ob sich damit künftig autonome Fahrzeuge im Lager intuitiver und auch effizienter steuern lassen, wird sich schon bald zeigen. Weltweit wird daran intensiv geforscht.

Auch Dachser erhöht die Schlagkraft in der KI-Forschung. Im ersten Quartal dieses Jahres hat der Logistiker seine Forschungspartnerschaft um das Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme IAIS in Sankt Augustin erweitert. Das Fraunhofer IAIS ist eines der führenden Wissenschaftsinstitute auf den Gebieten KI, maschinelles Lernen und Big Data in Deutschland und Europa. Nahezu 400 Mitarbeitende unterstützen Unternehmen bei der Optimierung von Produkten, Dienstleistungen und Prozessen sowie bei der Entwicklung neuer digitaler Geschäftsmodelle. Mit dem neuen Partner im Dachser Enterprise Lab stärken wir noch einmal unsere Kompetenzen im Bereich der künstlichen Intelligenz.

Die weitere Forschung wird noch eine ganze Reihe von neuen KI-Anwendungsmöglichkeiten hervorbringen, die vor allem für spezielle logistische Prozesse und Lösungen mit spezifischen unternehmensinternen Daten trainiert werden müssen. Gleichzeitig sind die Kosten insbesondere von rechenleistungsintensiven KI-Modellen sowie die Einhaltung des neuen Rechtsrahmens der Europäischen Union für KI-Anwendungen (AI Act) zu beachten.

Zusammenfassend bietet KI der Logistik viele Möglichkeiten, Dinge zu tun, die vorher schlicht nicht möglich waren. Sie ist aber nicht wirklich „intelligent“, sondern ein Werkzeug basierend auf höherer Mathematik, großen Datenmengen und Rechenleistung. Und sie ist nicht für alle digitalen Problemstellungen die optimale Lösung; nicht selten sind klassische Programmierungen nach wie vor der bessere Weg. Es gilt, den richtigen Mix zwischen der Nutzung von standardisierten KI-Anwendungen und Eigenentwicklungen zu finden und diese auf die eigenen Anforderungen anzupassen.

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Michael Kriegel

blickt auf mehr als 30 Jahre Berufserfahrung in der Logistikbranche zurück. Er absolvierte 1995 ein duales Studium bei Dachser in Hannover und betreut zentral seit 2003 Unternehmen der chemischen Industrie. Seit 2007 verantwortet Kriegel in der Executive Unit IT & Development (ITD) die Branchenlösung Dachser Chem Logistics. Ziel der Einheit ist es, globale Logistiklösungen für die chemische Industrie voranzutreiben.

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