14.05.2025 • ThemenEli LillyInvestitionenPharma

„Der Zugang zu Talenten ist ein entscheidender Faktor"

Neuer deutscher Standort in Alzey ist ein Eckpfeiler der europäischen Expansion von Lilly

Im CHEManager-Interview erläutert Edgardo Hernandez, Präsident von Lilly Manufacturing, die Strategie hinter dem ehrgeizigen Investitionsprojekt.

Ende Februar kündigte Eli Lilly and Company an, 27 Mrd. USD in den Bau von vier neuen Produktionsstätten in den USA investieren zu wollen. Damit belaufen sich die weltweiten Investitionszusagen des Unternehmens seit 2020 auf mehr als 55 Mrd. USD. Das Paket umfasst strategische Investitionen in Produktionsstätten in Italien, Frankreich und Irland sowie den im November 2023 angekündigten 2,3 Mrd. EUR teuren neuen Standort im rheinland-pfälzischen Alzey. Im Interview mit Michael Reubold erläutert Edgardo Hernandez, Präsident von Lilly Manufacturing, bei einem Besuch auf der Baustelle in Alzey die Strategie hinter diesen Investitionen und gibt ein Update zum deutschen Projekt.

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Edgardo Hernandez, Präsident, Lilly Manufacturing Operations
© Lilly

CHEManager: Lilly hat eine beispiellose Investitionsoffensive gestartet, die seit 2020 unter anderem den Bau von acht neuen Produktionsstandorten in den USA und zwei in Europa vorsieht. Können Sie kurz die wichtigsten Fakten zusammenfassen, wo sich die neuen Standorte befinden werden und wie viel Sie dafür ausgegeben?

Edgardo Hernandez: Ja, wir haben weltweite Investitionen von mehr als 55 Mrd. USD an mehreren Standorten angekündigt, darunter auch Alzey. Mit diesen Investitionen wollen wir unsere Produktionskapazitäten für Arzneimittel erweitern. Einige dieser Investitionen sind bereits in Betrieb, produzieren und liefern Medikamente an Patienten. Die neuen Investitionen konzentrieren sich auf den Aufbau für die Zukunft, insbesondere in den USA, wo wir neue Plattformen für Wirkstoffe, Antikörper-Wirkstoff-Konjugate und RNA entwickeln. Außerdem bauen wir unsere Kapazitäten für niedermolekulare Wirkstoffe wieder auf. In der Vergangenheit hatte sich unsere Pipeline auf monoklonale Antikörper verlagert, was einen Ausbau unserer monoklonalen Kapazitäten erforderte. Jetzt erleben wir jedoch ein Wiederaufleben der kleinen Moleküle in unserer Pipeline und freuen uns darauf, die notwendigen Kapazitäten für die Zukunft aufzubauen.

Wir ziehen es vor,
Lieferketten zu internalisieren.

Edgardo Hernandez, Präsident, Lilly Manufacturing Operations

Sie arbeiten viel mit CDMOs für die Herstellung kleiner Moleküle. Machen Sie das hauptsächlich intern?

E. Hernandez: Wir ziehen es vor, Lieferketten zu internalisieren. Wenn die Patente für unsere Moleküle auslaufen und die Nachfrage sinkt, reduzieren wir unsere Aktivitäten. Mit Blick auf die Zukunft glauben wir jedoch, dass wir unsere Kapazitäten wieder aufbauen müssen. Wir arbeiten immer mit vertrauenswürdigen Partnern in der Lieferkette zusammen, auch hier in Deutschland, um unsere internen Ressourcen zu ergänzen. Diese Partner sind von entscheidender Bedeutung, da sie uns in verschiedenen Phasen des Produktlebenszyklus unterstützen. In der Regel ziehen wir es vor, Moleküle in der Spätphase des Lebenszyklus auszulagern, um interne Ressourcen für neue, bevorstehende Moleküle zu schaffen.

Da wir hier in Alzey sind, was ist der Zweck dieser neuen Anlage und welche strategische Bedeutung hat sie für Lilly in Europa?

E. Hernandez: Diese Anlage wird ein Standort für Arzneimittel sein, der sich auf die sterile Abfüllung von injizierbaren Produkten und die Montage von Injektionshilfen (Pens) konzentriert. Sie wird zu einer der größten Produktionsstätten von Kombinationsprodukten weltweit gehören. Wir bauen hier Kompetenzen für aktuelle und zukünftige Technologien auf. Wir haben uns für Deutschland entschieden, weil wir hier auf viele Fachkräfte zurückgreifen können und die Nähe zu den Geräteherstellern einen schnellen Service am selben Tag ermöglicht. Die strategische Lage in der Nähe von Logistikzentren ermöglicht eine effiziente Lieferung von Arzneimitteln in zahlreiche Länder, so dass Patienten weltweit versorgt werden können.

Welche weiteren Faktoren berücksichtigen Sie neben der Nähe zu den Lieferanten bei der Suche nach einem neuen Standort für eine Anlage? Wie kam es zu der Entscheidung, den neuen Standort auf der grünen Wiese hier in Alzey zu bauen?

E. Hernandez: Ein weiterer entscheidender Faktor ist der Zugang zu Fachkräften. Deutschland ist führend in den MINT-Bereichen – Wissenschaft, Technologie, Ingenieurwesen und Mathematik. Als wir uns für diesen Standort entschieden haben, war die Verfügbarkeit qualifizierter Fachkräfte ein wesentlicher Vorteil. Entscheidend ist, dass wir sie effizient rekrutieren und in unsere Einrichtungen integrieren können. Bislang ist der Prozess außerordentlich gut verlaufen, und wir sind unseren Einstellungsplänen voraus. Es liegt zwar noch ein langer Weg vor uns, aber die Energie, der Enthusiasmus und die Qualität der Kolleginnen und Kollegen, die wir in Deutschland eingestellt haben, sind beeindruckend.

Wie haben Sie die deutschen Kommunen beziehungsweise der Bund bisher in Bezug auf Anreize, Zulassungen und Genehmigungen unterstützt? Gab es Hürden?

E. Hernandez: Die Genehmigungen wurden in Rekordzeit erteilt und wir konnten innerhalb von sechs Monaten mit dem Bau beginnen. Sowohl der Bund als auch das Land Rheinland-Pfalz und die Stadt Alzey mit Bürgermeister und Stadtrat waren hervorragende Partner, die uns geholfen haben, den Prozess effizient zu steuern. Dies war eine der reibungslosesten Baustellen, die wir je hatten, und wir sind auf dem besten Weg, den Zeitplan einzuhalten.

Sie haben in früheren Interviews Bedenken hinsichtlich der europäischen Gesetzgebung oder Änderungen der Gesetzgebung in Bezug auf geistiges Eigentum geäußert. Können Sie das näher erläutern?

E. Hernandez: Der Schutz des geistigen Eigentums ist etwas, woran wir kontinuierlich arbeiten. Bei der Bewertung von Investitionsmöglichkeiten geben wir Regionen den Vorzug, in denen unser geistiges Eigentum geschützt ist, da wir erhebliche Ressourcen in dessen Entwicklung investieren. Dieses Thema betrifft nicht nur Europa, sondern wird weltweit diskutiert.

Sie sagten, dies sei eine der bisher reibungslosesten Baustellen. Können Sie erklären, warum?

E. Hernandez: In Anbetracht der Größe dessen, was wir hier bauen wollen, wird es zwangsläufig Herausforderungen geben. Einige Probleme können vom Wetter herrühren, andere von den Bodenverhältnissen, z. B. von der Verdichtung. Außerdem könnte es zu Engpässen bei der Versorgung mit Stahl oder Beton kommen. All dies sind potenzielle Hindernisse, die wir überwinden müssen.

Sie haben im April letzten Jahres den ersten Spatenstich gemacht. Können Sie uns einen Zeitplan für die nächsten Phasen nennen, bis die Anlage in Betrieb genommen wird?

E. Hernandez: Wir planen, die Fundament­arbeiten im Mai dieses Jahres abzuschließen. Danach arbeiten wir daran, die Gebäude wetterfest zu machen, um sie vor Witterungseinflüssen zu schützen. Im Dezember wollen wir mit dem Innenausbau der Gebäude beginnen. Dafür suchen wir übrigens noch Unterstützung. Unternehmen mit Erfahrung im Bau- und Ingenieurwesen in der Pharmabranche sind willkommen, sich zu bewerben. Sobald der Innenausbau abgeschlossen ist und die Anlagen installiert sind, werden wir sie qualifizieren, die Prozessvalidierung abschließen und unsere Ergebnisse den Zulassungsbehörden vorlegen. Mit diesen Schritten hoffen wir, bis 2027 oder 2028 mit der Produktion von Medikamenten für Patienten beginnen zu können. Um diese wichtigen Meilensteine zu erreichen, sind natürlich Tausende von Details erforderlich.

Wenn der neue Standort in Alzey seinen Betrieb aufnimmt, werden dort bis zu 1.000 hochqualifizierte Arbeitskräfte beschäftigt sein.

Edgardo Hernandez, Präsident, Lilly Manufacturing Operations

Wenn die Anlage in Betrieb ist, werden Sie viele Fachkräfte benötigen. Können Sie uns einen Einblick geben, wie viele Arbeitsplätze Sie mit dieser neuen Einrichtung schaffen werden?

E. Hernandez: Wenn der neue Standort in Alzey seinen Betrieb aufnimmt, werden dort bis zu 1.000 hochqualifizierte Arbeitskräfte wie Ingenieure, Bediener und Wissenschaftler beschäftigt sein. Sie werden modernste Technologien, einschließlich Automatisierung und Hochgeschwindigkeits-Fertigungslinien nutzen, um lebensverändernde Medikamente herzustellen. Unser Ziel ist es, bis Ende dieses Jahres rund 100 Mitarbeitende zu gewinnen. Diese Zahl werden wir weiter erhöhen, wenn die Ausrüstung eintrifft, und wir weitere qualifizierte Arbeitskräfte benötigen. Wir werden weiterhin zügig neue Mitarbeitende einstellen, um sicherzustellen, dass wir für die nächste Phase des Projekts bereit sind. Unser derzeitiger Fortschritt liegt deutlich über unserem Ziel, und wir planen, diesen Schwung in den kommenden Jahren beizubehalten.

Der demografische Wandel und das sinkende Interesse an MINT-Studiengängen sorgen in den europäischen Gesellschaften für Befürchtungen. Teilen Sie diese Bedenken oder glauben Sie, dass sie zu einer Herausforderung für Sie werden?

E. Hernandez: Wir arbeiten eng mit lokalen Universitäten und Hochschulen zusammen und haben gerade heute Morgen über diese Zusammenarbeit gesprochen. Wir arbeiten auch mit der Handelskammer oder der Bundesagentur für Arbeit zusammen, um das Interesse an diesen Berufen zu wecken. Ich persönlich finde, dass das die coolsten Jobs der Welt sind, aber vielleicht bin ich als Ingenieur voreingenommen. Aber wir bemühen uns ständig, das Interesse an MINT-Berufen zu wecken und zu fördern. Wir haben viel in diesen Bereich investiert und wollen noch mehr tun. Unser Ziel ist es, starke Partnerschaften mit Bildungseinrichtungen zu pflegen, um dieses Interesse zu fördern.

Man braucht eine ganze Reihe unterschiedlicher Qualifikationen, um eine so anspruchsvolle Anlage zu betreiben. Können Sie näher erläutern, welche Qualifikationen erforderlich sind?

E. Hernandez: Unsere zukünftigen Kollegen werden Mikrobiologen, Chemiker, Ingenieure, Pharmazeuten und andere Spezialisten sein. Jede dieser Rollen ist wichtig, da wir eine Vielzahl von Fähigkeiten für Aufgaben wie Qualitätskontrolle, Qualitätssicherung und Prozesswissenschaft benötigen.

Erfahrung gesucht!

Für den Innenausbau der Gebäude sucht Lilly noch Unternehmen mit Erfahrung im Bau- und Ingenieurwesen in der Pharmabranche.

Anfragen und Bewerbungen an Lilly Deutschland

Sie haben bereits mit der Rekrutierung begonnen. Wo suchen Sie und welche Tools nutzen Sie für die Rekrutierung? Schauen Sie auch über die Grenzen hinweg, wie in Frankreich?

E. Hernandez: Beim Rekrutieren von Fachkräften achten wir generell darauf, dass die kulturelle Werte passen. Wir haben eine starke Kultur, die sich auf operative Exzellenz konzentriert, mit einer Mission, die den Fokus auf Sicherheit und Qualität setzt. Deshalb suchen wir nach Mitarbeitenden, die zu unseren Lilly-Werten Integrität, Respekt für Menschen und Exzellenz passen. Wenn Bewerber diese Eigenschaften mitbringen, können wir ihnen die erforderliche technische Ausbildung bieten. Teil unseres Ansatzes ist es, Fachkräfte hier in Deutschland einzustellen und sie an unsere Standorte in Frankreich, Italien und den USA zu entsenden, damit sie dort Fähigkeiten und Erfahrungen sammeln können. Solange die Kandidaten über ein grundlegendes technisches Verständnis verfügen und sich mit unseren Werten identifizieren, sind wir bereit, in ihre Karriere zu investieren.

Es ist sehr reizvoll, für ein Pharmaunternehmen zu arbeiten, weil man Gutes für die Patienten tun kann. Außerdem ist die Arbeit an einem so modernen neuen Standort für viele, insbesondere für junge Menschen, sehr attraktiv.

E. Hernandez: Auf jeden Fall. Wir konzentrieren uns auf den Nachwuchs, haben aber auch viele erfahrene Fachkräfte eingestellt. Ihr Wissen und ihre Erfahrung bereichern unsere Kultur. Wir sind bestrebt, das, was sie mitbringen, zu integrieren und uns ständig zu verbessern. Unser Motto lautet: Mach es besser und besser. Das ist uns wichtig. Vielfalt der Kulturen und unterschiedlicher Altersgruppen oder auch Arbeitsstile – all diese Aspekte müssen in ein innovatives Team integriert werden.

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ZUR PERSON

Edgardo Hernandez ist Executive Vice President bei Eli Lilly and Company und Präsident der Produktionsbetriebe. Hernandez hat einen Bachelor- sowie einen Master-Abschluss in Chemieingenieurwesen von der Universität von Puerto Rico bzw. der North Carolina State University. Seine Karriere bei Lilly begann er 2005 als Leiter Technische Dienste in Puerto Rico und später als Standortleiter verschiedener Produktionsstätten. Von 2018 bis 2021 war er als Senior Vice President verantwortlich für die weltweite parenterale Produktion, die Produktion in Schwellenländern, die Auftragsfertigung von Arzneimitteln, die Verpackung und die Vertriebslogistik. Er überwachte die Produktionsstätten für parenterale Endprodukte in zwölf Ländern in Nord- und Südamerika, Europa und Asien.

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