Da die Nachfrage nach pharmazeutischen Produkten, Dienstleistungen und neuen Therapien weltweit steigt, sind die globalen Player des Pharmamarktes gezwungen, ihre Waren präzise zu managen.
Klima, Krisen und andere Katastrophen – die derzeitige Großwetterlage stellt die Weltwirtschaft und so auch die Pharmaindustrie vor Herausforderungen. Sie scheint aber zunächst relativ unbeeindruckt, denn robust wie sie ist, wächst sie stetig: Die Nachfrage nach pharmazeutischen Produkten, Dienstleistungen und neuen Therapien steigt aufgrund von Bevölkerungswachstum oder dem Älterwerden der Gesellschaft. Um diesen Bedarf zu decken, müssen die globalen Player des Pharmamarktes ihre Waren präzise managen. Gerade die neuen Therapien stellen hohe Anforderungen an Lager und Logistik und der Pharmamarkt diversifiziert momentan bei diesen Therapien, die Biologika sind. Ist das eine gute oder schlechte Nachricht für das Gesundheitssystem? Detailanalysen liefern Antworten.
Der globale Arzneimittelmarkt wächst seit fünf Jahren um durchschnittliche 7 %. Innovationen in sechs Therapiegebieten (Adipositas, Onkologie, Inflammatorische Erkrankungen, Psychische Gesundheit, Impfstoffe, Zentrales Nervensystem) werden diesen Trend fortsetzen. Beachtlich, da auch der Pharmamarkt den allgegenwärtigen, volkswirtschaftlichen Belastungen ausgesetzt ist und Produkte, die in den Markt eintreten werden, ihr volles Potenzial vielleicht nicht immer entfalten werden. So erschwert, wie eine Marktbetrachtung von IQVIA zeigt, etwa der Fachkräftemangel auch den Zugang zu Pharmainnovationen und aktuell könnten die US-Zollbestimmungen den Freihandel mit Medikamentenrohstoffen behindern und Preise steigen lassen. Weiterhin erschweren ländereigene, komplexe Regierungsmaßnahmen zur Kostendämpfung langfristige Planungen. Solche länderspezifischen Entwicklungen zeigen sich in den regionalen Daten zum Arzneimittelmarkt für 2024 (Grafik 1).

Anwendungsgebiet und Darreichung der Medikamente formen Markttrends
Neben der Kenntnis über regionale Entwicklungen liefern valide Daten weitere Details und Trends des Arzneimittelhandels und ermöglichen den Playern das nachhaltige Wirtschaften in turbulenten Zeiten. Diese Daten zeigen bspw., dass fast die Hälfte des globalen Umsatzzuwachses in drei Therapiegebieten erreicht wird: Onkologika, Immunologika und Antidiabetika machen 42 % des Globalumsatzes mit Arznei aus. Der US-Markt ist für diese drei Therapiegebiete bedeutend und vereint die Hälfte und mehr des Umsatzzuwachses 2024 pro Therapiegebiet auf sich. Onkologika wuchsen so auf ein Volumen von 250 Mrd. USD heran, Immunologika auf knapp 200 Mrd. USD und Antdiabetika auf über 180 Mrd. USD. Die drei Therapiegebiete sind damit Hauptumsatztreiber. Doch dies muss nicht so bleiben, wie die Daten zeigen. Verschiebungen könnten eintreten: Das Design bzw. die Weiterentwicklung von Medikamenten wie der medial bekannten „Abnehmspritze“ wird derzeit immens adressiert und somit reifen neue Umsatztreiber heran. Doch dies auch nur dann, wenn alle Akteure im Gesundheitssystem mitspielen: Das massive Problem des krankhaften Übergewichts kann bei Nicht-Behandlung dramatische Gesundheitsfolgen herbeiführen, wie Blutdruckprobleme, Herz- und Kreislauferkrankungen, Diabetes und weitere Systemerkrankungen, die die Lebensspanne der Betroffenen verkürzen und das Gesundheitssystem insgesamt schwer belasten. Dennoch wird Adipositas derzeit primär als Lifestyle-Problematik betrachtet. Angesichts der überbordenden Gesundheitsausgaben für Langzeitbehandlungen ist es nur schwer nachvollziehbar, dass Adipositas-Medikamente noch nicht in der Regelversorgung sind. Doch so einfach ist es auch nicht – das Minimieren einer Krankheitslast führt nicht automatisch zu weniger Arzneimittelausgaben. Es kann aber dazu beitragen, an anderen Stellen Ausgaben zu reduzieren.

Hochpreisige Medikamente sind komplexe Produkte
Wirkstoffe der neuen Anti-Übergewichtsspritzen sind sog. GLP-1 Agonisten. Diese komplexen Moleküle haben Blutzucker-senkende Wirkung und werden klassischerweise in der Diabetes Typ II Behandlung eingesetzt als subkutane Injektion. Ein vertiefter Datenblick in den Handel mit Injektionsarznei zeigt, dass die Darreichungsform Absatz und Umsatz direkt beeinflusst. Orale Darreichungen (Tabletten, Kapseln, Säfte) dominieren mengenmäßig, da Medizin schlucken einfacher ist. Injektionen und Infusionen machen somit auch nur 2 % des globalen Medikamentenabsatzes aus. Aber: Sie stellen die Hälfte des globalen Rx-Medikamentenumsatz dar. Die Diskrepanz zwischen Ab- und Umsatz ist enorm. Woher kommt das?
Direkt ins körpereigene System: Biologika werden injiziert
Injektionsmedikamente haben gemittelt eine jährliche Umsatzzuwachsrate von 10 %. Die Datenanalyse hierzu umfasste parenterale Lösungen, Ampullen, Infusionen, Pens und vorgefüllte Spritzen oder ähnliche Applikationen. Diese Präparate werden häufig in der Onkologie (Chemo) oder auch bei Diabetes (Insulin-Pen) angewandt, also bei Erkrankungen, die Abertausende betreffen. Die Wirkstoffe von diesen Injektionstherapeutika sind meist Biologika. Diese hochkomplexen Wirkstoffe werden anders als klassisch chemisch Wirkstoffe (sog. Small Molecules) synthetisiert und sind bereits im biotechnologischen Kreationsverfahren sehr hochpreisig.
Biologika sind im Arzneimittelmarkt seit über zehn Jahren voll im Trend und erreichten 2024 fast den doppelten Umsatz gegenüber 2014. Dieser Trend wird sich weiter fortsetzen, da Forschung und Entwicklung der Pharmaindustrie in den bereits erwähnten umsatztreibenden Therapiegebieten sowie der Fortschritt bei Zell-, Gen- und RNA-Therapien zu nochmals mehr innovativen Biologika führen wird. Sie werden schwere Erkrankungen wie Krebs, aber eben auch Adipositas behandelbar machen und somit das Leben vieler Patienten verlängern. Doch genau das verursacht auch Kosten im System: Biologika sind teuer, verlängern die Lebenszeit von Patienten und diese beanspruchen ihre Medikamente länger. Das Gesundheitssystem kommt so weiter unter Druck, da neben den Arzneimittelausgaben die langwierigen Behandlungen der Volkskrankheiten mit vielen Krankenhaustagen einhergeht: Mehr Patienten benötigen auch mehr teure Versorgung. Können Medikamentenhersteller hier einwirken?
Ein Weg zur Entspannung könnten nun die Darreichungsformen sein: Mehr vorgefüllte Applikationen, Pens und Ampullen mit bspw. Onkologie-Medikamenten, die ohne Unterstützung von medizinischem Fachpersonal und/oder klinischen Aufenthalten sich selbst verabreicht werden, das könnte die Kostenspirale entlasten. Doch ist das realistisch? Können alle Biologika in die Selbstanwendung ähnlich einer Diabetes-Spritze kommen? Der Weg dahin ist steinig.
Ein kritischer Faktor bei Biologika ist bspw. die Kühlkette. Biologika müssen fast immer gekühlt werden, bis sie in den Körperkreislauf gelangen. Ausnahmen, wie Insulin zeigen aber, dass es möglich ist, Biologika zeitweise in Umgebungstemperatur aufzubewahren. Und so ist dieser Umstand Anhaltspunkt an dieser Stelle für den nächsten Detailblick: Kühlkettenpflichtige Medikamente wachsen schneller als der Pharmamarkt insgesamt (Grafik 2)!

Fazit
Der Pharmamarkt der Zukunft wird durch komplexe Biologika-Therapien geformt. Sie haben das Potenzial, das Gesundheitssystem kostentechnisch zu entlasten, obwohl sie teuer sind. Einfachere Darreichungsformen könnten helfen. Speziell Logistiker müssen sich auf die wachsende Menge an kühlkettenpflichtigen Biologika vorbereiten, da auch noch innovative Gen- und Zelltherapien in die Versorgung treten werden, wie die CAR-T-Zelltherapie (CAR: Chimeric Antigen Receptor). Diese Krebstherapie, die auf gentechnisch veränderten T-Zellen mit synthetischen antigenspezifischen Rezeptoren basiert, benötigt Transporte im Ultratiefkühler und wird weiteren, datenbasierten Analysen zufolge, womöglich stark nachgefragt sein. CAR-T gilt als vielversprechende Behandlungsoption, wenn andere Krebstherapien nicht mehr anschlagen – und die meisten aller Krebserkrankungen sind bis heute nicht heilbar.
Pharma Day 2025
Die Air Cargo Community Frankfurt bereitet mit diesem Tag eine Plattform für Pharma, Life Sciences und Gesundheitswesen und bringt Experten aus Wissenschaft und Biotechnologie mit der Luftfracht- und Logistikbranche zusammen.
Datum: 1. Juli 2025
Ort: The Aircraft, Dreieich

Susanne van der Beck
Senior Director, Head of IQVIA PPG

Dagmar Wald-Eßer
Principal IQVIA Governmental Affairs

Stefan Lutzmayer
Senior Consultant, IQVIA Commercial GmbH & Co. OHG