Kollege KI muss keine Bedrohung sein

In seiner Kolumne sieht Franz Braun, Vorstandsmitglied des Verbands für Anlagentechnik und Industrieservice, im Einsatz künstlicher Intelligenz gewaltige Chancen für die deutsche Industrieproduktion und den Anlagenbetrieb in der Prozessindustrie.

Franz Braun, VAIS | © VAIS
Franz Braun, VAIS | © VAIS

Wer derzeit die Diskussion um die Entwicklung künstlicher Intelligenz wie bei ChatGPT verfolgt, fühlt sich zuweilen in die Handlung eines dystopischen Science-
Fiction-Romans versetzt: Die Kapitulation der menschlichen Spezies vor einer ihre Ketten sprengenden künstlichen Intelligenz scheint geradezu unausweichlich und nur noch eine Frage der Zeit, wenn wir mit der Weiterentwicklung der KI endgültig die Büchse der Pandora öffnen.

Aber auch bei einem nüchternen Blick wird man feststellen, dass die Debatte um den Einsatz künstlicher Intelligenz oft angstbesetzt ist und in der öffentlicher Diskussion den Blick auf Chancen zu verstellen droht.

So speisen sich die Pläne der Europäischen Union zum Artificial Intelligence Act, der derzeit im Trilog-Verfahren ist, neben begrüßenswerten Förderbestandteilen zumeist aus der Sorge, der Entwicklung künstlicher Intelligenz bereits früh Grenzen setzen zu müssen. Das Ziel des AI Act ist, vornehmlich hochriskante KI-Anwendungen einzuhegen: So werden Unternehmen zukünftig in einem sehr frühen Stadium Risikobewertungen vornehmen müssen, bestimmte Anwendungen sind bereits a priori ihrer Anhang-III-Einordnung als „Hochriskant“ wegen erschwert.
Wenngleich Europa frühzeitig damit ein politisch und rechtlich sicheres Umfeld für die Entwicklung von KI und somit etwas wie einen neuen „Goldstandard“ vertrauenswürdiger KI schaffen möchte, sind Befürchtungen nicht ganz unbegründet, dass man sich durch zu hohe Hürden bereits frühzeitig um die Chancen eines neuen Marktes bringt und im Wettbewerb mit den USA oder China – wie bei anderen Zukunftstechnologien auch  – ins Hintertreffen zu geraten droht.
Insbesondere in der deutschen Industrieproduktion und im Anlagenbetrieb sind jedoch die Möglichkeiten des Einsatzes künstlicher Intelligenz gewaltig. Diese reichen von der vollautomatischen Qualitätssicherung in der Produktion über die Erkennung von Anomalien bis hin zu autonomen Modellen, die als Assistenzsysteme den Anlagenbediener unterstützen. Mittlerweile sind die Lösungen durch große Entwicklungssprünge ihren Kinderschuhen entwachsen.
Neben den technologischen Möglichkeiten bietet KI aber auch einen anderen handfesten Vorteil: Gerade der Standort Deutschland sieht sich mit einem immer gravierenderen Fachkräftemangel konfrontiert, der mit dem sukzessiven Renteneintritt der Boomer-Generation mit voller Wucht durchschlagen wird und voraussichtlich selbst durch ein optimistisch hohes Maß an Fachkräfteeinwanderung nur schwer auszugleichen wäre. Der vor einigen Jahren zunächst belächelte Einsatz von Robotern in der Pflege in Japan zeigt, dass andere Nationen mit ähnlich gelagerten demografischen Herausforderungen die Potenziale zur Bewältigung nicht nur eines Fachkräfte-, sondern eines die gesamte Volkswirtschaft durchziehenden Arbeitskraftmangels schon lange erkannt haben und auf KI, Digitalisierung und Robotik setzen. Ohne den Einsatz KI-basierter Systeme oder Lösungen werden wir Schwierigkeiten bekommen, weiteres Wachstum in Deutschland zu generieren.

Was wir in der gesamten Diskussion natürlich nicht vergessen dürfen: Der Einsatz von künstlicher Intelligenz darf nicht zu Lasten des Datenschutzes und der Sicherheit von Arbeitnehmern gehen. Im Gegensatz zu klassischen Systemen ist der Einsatz maschinell lernender Systeme in der Tat mit einigen genuinen Risiken durch ein datengetriebenes, sich der Vorhersagbarkeit entziehendes Verhalten der KI verbunden, die neben Haftungsfragen auch Fragen der Arbeitssicherheit berühren. Hier werden valide KI-spezifische Tests und Prüfverfahren entwickelt werden müssen.

Der VAIS und seine Mitgliedsunternehmen aus Anlagentechnik, Service und Betrieb haben sich daher des Themas KI im Anlagenbetrieb angenommen. Digitalexperten aus den Unternehmen diskutieren das Thema, loten Einsatzpotenziale und mögliche Risiken aus. Ziel ist, einen „Blueprint“ zu erstellen, um ein praxisnahes Verständnis für den Einsatz von KI zu schaffen und die Unternehmen zu ermutigen, KI-Anwendungen einzuführen.
Für die Standortsicherung und die Innovationskraft der Industrien ist eines schließlich klar: Der „Kollege KI“ muss keine Bedrohung sein, sondern kann dazu beitragen, die Industrieproduktion in Deutschland auf hohem Stand zu sichern.
 
Ihr
Franz Braun, Mitglied im Vorstand, Verband für Anlagentechnik und Industrieservice e.V. (VAIS), Düsseldorf

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