Wege aus dem Wasserstress
Verantwortung, Kompetenz und Beiträge eines global agierenden Chemiekonzerns zur Wasserversorgung
Die Corona-Pandemie macht deutlich wie wichtig Hygiene ist, doch ohne Wasser ist Hygiene kaum vorstellbar. Für Mensch und Tier ist Wasser lebenswichtig, aber sauberes Trinkwasser ist nicht überall in ausreichender Menge verfügbar. Auch Landwirtschaft und Industrie sind auf Wasser angewiesen, um ihre Produkte zu erzeugen. Wassermangel ist schon heute keineswegs beschränkt auf Entwicklungsländer oder Wüstenregionen. Die zunehmende Konkurrenz um die knappe Ressource erfordert kontinuierlich neue, bessere Lösungen, damit Wasser in ausreichender Menge und Qualität verfügbar ist bzw. bleibt.
Eng verflochten mit den Herausforderungen Bevölkerungswachstum und Klimawandel erfordert auch der Kampf gegen Wassermangel verantwortliches Engagement und Bereitschaft zur Veränderung. So unterschiedlich wie regionale oder lokale Gegebenheiten müssen auch die Lösungsansätze sein. Am Anfang steht Wertschätzung für die Ressource Wasser, entsprechend dem Leitgedanken des diesjährigen Weltwassertags: „Valuing Water“.
Qualitative Anforderungen an sauberes Trinkwasser sind so hoch, dass bis heute viele Menschen weltweit keinen Zugang dazu haben. Noch reineres Wasser erfordern manche Produktionsprozesse, etwa von Arzneimitteln oder elektronischen Halbleiterbauelementen. Solches Reinstwasser liefern vor allem der Ionenaustausch mit spezialisierten Harzsystemen sowie Membranverfahren. Damit tragen diese zu einer sicheren Medikamentenversorgung ebenso bei wie zur Existenz unserer auf Mikroelektronik basierenden Informations- und Kommunikationstechnik.
Maßnahmen gegen Wasserstress
Um einem lokalen Missverhältnis von Verfügbarkeit und Bedarf entgegenzuwirken, bieten sich unterschiedliche Vorgehensweisen an, dazu zählen das Erschließen zusätzlicher, bisher nicht oder nur beschränkt nutzbarer Wasservorkommen, die Aufbereitung von anthropogen kontaminiertem Wasser vor dessen Rückführung in die Ökosysteme sowie die Implementierung von geschlossenen Wasserkreisläufen in Produktionsprozessen.
Voraussetzung für ein effizientes Wassermanagement ist eine sorgfältige Analyse des Status Quo. Daraus lassen sich priorisierte Empfehlungen und Maßnahmen ableiten. Das gilt für Kommunen, Regionen und Staaten, aber auch für Unternehmen mit all ihren Standorten, Produktionen und Produkten. Bei Lanxess geschieht dies im Rahmen eines Ende 2020 ins Leben gerufenen Wasserprogramms, das sowohl konzernweite Ziele und Selbstverpflichtungen als auch lokale „Water Stewardship“-Maßnahmen – zunächst vor allem für vier Wasserrisikostandorte in Indien, Italien und China – enthält.
Einige Beispiele mit Bezug zum Geschäftsbereich Liquid Purification Technologies (LPT) zeigen, was effizientes Wassermanagement von und bei Lanxess praktisch ausmacht.
Entfernen natürlicher Verunreinigungen
Zusätzliche Wasserressourcen erschließen bedeutet, Hürden zu überwinden, die deren Nutzung bisher entgegenstanden. Gelöste Schadstoffe sind eine solche Hürde. Die natürliche Arsenkontamination von Trinkwasser ist der weltweit bedeutendste natürliche Auslöser von Vergiftungen, insbesondere in Indien und Bangladesch. Auch in Teilen Argentiniens und Chiles oder im Westen der USA ist Wasser mit Arsen belastet. Neben akuten und chronischen Erkrankungen kann eine vermehrte Tumorentstehung die Folge sein. Um den von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) festgelegten Grenzwert von 10 mg/l einhalten zu können, sind Millionen von Menschen auf eine Aufbereitung ihres Trinkwassers angewiesen. Spezielle Eisenoxidadsorber aus unserem Krefelder Werk haben sich dafür als sehr effizient erwiesen und werden weltweit in Filteranlagen eingesetzt.
Verunreinigungen von Oberflächenwasser durch „Natural Organic Matter“ (NOM), also z. B. Humin- und Fulvosäuren oder Polyphenole, die bei der Zersetzung von Pflanzenmaterial entstehen, lassen sich mit stark basischen Ionenaustauschern speziell eingestellter Porosität entfernen. Diese binden die Verunreinigungen ionisch bzw. adsorbieren sie. So wird z. B. in den Niederlanden oder in Großbritannien Trinkwasser aufbreitet. Die Regeneration der Harze erfordert nur rund ein Promille der gewonnenen Trinkwassermenge, die zudem durch Fällung des organischen Materials aufbereitet werden kann.
Schwermetalle wie Nickel, Cadmium oder Blei können aus Mineralien ins Grundwasser gelangen, wenn saurer Regen den pH-Wert erniedrigt. Aus sulfidischen Mineralen kann auch Nitrat aus natürlichem oder synthetischem Dünger Metalle oxidativ freisetzen. Selektive Ionenaustauscher mit chelatisierenden Gruppen binden selbst Spuren solcher Verunreinigungen zuverlässig. Liegen Metallionen in höherer Konzentration vor, etwa in industriellen Abwässern, lohnt sich ggf. eine Rückgewinnung. Bei wertvollen Edel- und Platinmetallen ist dies längst eine etablierte Technologie.
Aufbereitung vielfältiger Abwässer
Anthropogene Schadstoffe in Grund- und Oberflächenwasser konfrontieren die Trinkwassergewinnung und auch die Abwasseraufbereitung mit Herausforderungen. Das gilt z. B. für den Eintrag von Schwermetallen aus Bergbau und Industrie, aber auch von organischen Verunreinigungen. „Zero Liquid Discharge“ also das völlige Vermeiden flüssiger Abfälle und Abwässer, ist nicht immer möglich. Dann erlauben spezifische Ionenaustauscher, wie zuvor am Beispiel des Nickels vorgestellt, eine Reinigung des Abwassers. So können z. B. selbst Spuren des sehr giftigen und krebserregenden Chromat(VI) hoch selektiv mit einem regenerierbaren, stark basischen Anionenaustauscher aus dem Grundwasser entfernt werden. Das gelingt auch für andere Oxoanionen wie Chlorat oder Perchlorat.
Auch in landwirtschaftlich genutzten Regionen können Schadstoffe ins Grundwasser gelangen. Gerade in Deutschland ist Nitrat aus mit Gülle überdüngten Feldern ein aktuelles Problem. Doch selbst wenn die Gülle eingedickt und zu festem Dünger verarbeitet wird, darf die ammoniakhaltige, flüssige Restphase nicht unbehandelt in Oberflächengewässer eingeleitet werden. Ionenaustauscher erlauben eine effiziente Abtrennung der Nitrat- und Ammoniumionen und letztlich deren Überführung in Feststoffe, die entweder deponiert oder gezielt als Dünger eingesetzt werden können.
Aktuell im Fokus steht auch die weltweit verbreitete Kontamination von Wasser mit per- und polyfluorierten Alkylverbindungen (PFAS), etwa aus Feuerlöschschäumen, Textil- und Papierimprägnierungen oder Schmierstoffen. Vertreter dieser biologisch kaum abbaubaren Verbindungsklasse reichern sich nach der Aufnahme im Körpergewebe an. Ihre Langlebigkeit macht es erforderlich, selbst Spuren aus Abwasser zu entfernen und kontaminiertes Grundwasser zu sanieren. Das gelingt mit einem heterodispersen, gelartigen, stark-basischen Anionenaustauscherharz aus der Lewatit-Produktpalette. Dieses bindet selbst PFAS-Spuren bis hinab in den ppt-Bereich. Daher und aufgrund seiner größeren Aufnahmekapazität ist das Verfahren der konventionellen Filtration über Aktivkohle sowohl bei Effizienz als auch Wirtschaftlichkeit überlegen.
Industrielle Wasserkreisläufe
Wird Wasser in industriellen Prozessen im Kreis geführt, so sinkt der Speisewasserbedarf erheblich – im Extremfall bis auf Null. Klassisches Beispiel dafür sind Wasser-Dampf-Kreisläufe, etwa in Kraftwerken oder bei der industriellen Nutzung von Dampf. Durch den Einsatz von Kühltürmen kann vermieden werden, dass Kühlwasser die Flüsse aufheizt. Wird auch die Restwärme im Prozess genutzt, erschließt dies zudem Energieeinsparpotenziale.
Auch Effizienzsteigerungen bei den Ionenaustauscherharzen ebnen den Weg zu niedrigerem Wasserverbrauch bei ihrem Einsatz. So besitzen spezialisierte, bereits erwähnte, stark basische Anionenaustauscher eine rund fünfmal höhere Kapazität für komplexe Oxoanionen wie etwa Chromat als Standardharze. Sie müssen daher deutlich seltener regeneriert werden, sodass insgesamt weniger Chemikalien und Wasser erforderlich sind. Dass zugleich längere Standzeiten der Harze möglich wurden, verringert ihren Wasser-Fußabdruck weiter.
Schon die Herstellung von Ionenaustauscherharzen bei Lanxess profitiert von Wasserkreisläufen. So werden die neu erzeugten Harzkügelchen in einem aufsteigenden Wasserstrom klassiert, also nach ihrer Größe in Fraktionen aufgetrennt. Dazu ist, je nach Trennanforderungen, ein Mehrfaches des Harzvolumens an Wasser notwendig. Das Wasser aus dem Überlauf wird filtriert, gesammelt, ggf. mit Frischwasser ergänzt und dann im gleichen Klassierprozess wieder eingesetzt.
Eine kontinuierliche Herausforderung
Nicht nur der ständig steigende Trinkwasserbedarf für eine wachsende Weltbevölkerung, auch der im gleichen Maße steigende Bedarf an landwirtschaftlichen Produkten und Industriegütern stellen angesichts natürlicher und anthropogener Schadstoffe in Grund- und Oberflächenwasser immer komplexere Anforderungen an Technologien und Produkte zur Wasseraufbereitung.
Sparsamer Wassereinsatz und eine Minimierung der anthropogenen Kontamination sind essenziell für ein nachhaltiges Wassermanagement. Innovative Wasseraufbereitung und intelligente Wasserkreisläufe können wichtige Beiträge leisten.
Autor: Stefan Neufeind, Head of Technical Marketing, Business Unit Liquid Purification Technologies, Lanxess Deutschland GmbH, Köln
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DAS LANXESS-WASSERPROGRAMM
Lanxess verwendet rund 80% des weltweit im Unternehmen eingesetzten Wassers zur Kühlung, den Rest für Prozesszwecke oder als Dampf. Entsprechend der Verpflichtung zu verantwortungsvollem Umgang mit Wasser soll weltweit das ökonomische Wachstum des Konzerns vom Wasserverbrauch und der Abwasserbelastung entkoppelt werden. Es gilt, Wasser immer effizienter zu nutzen und verstärkt Regen- oder Abwasser einzusetzen. Seit 2015 sank der spezifische Wasserverbrauch bereits um rund 18%. Ziel ist des Weiteren die jährliche Reduktion des spezifischen Wasserverbrauchs, ebenso wie des spezifischen TOC (Total Organic Carbon) im Abwasser, um jeweils 2%.
Der lokale Kontext spielt beim Wassermanagement eine wesentliche Rolle. Nur etwa 1,8% aller Wasserentnahmen von Lanxess fanden 2019 an vier Wasserrisikostandorten in Indien, Italien und China mit extrem hohem Wasserstress statt. Dort soll bereits bis 2023 die absolute Wasserentnahme um 15%, bezogen auf 2019, reduziert werden. Verantwortung für Wasser endet zudem nicht an den Werkstoren. In einem ganzheitlichen Ansatz sollen daher alle relevanten Stakeholder und insbesondere die lokalen Gemeinden berücksichtigt werden. Dies stellt Lanxess durch die Implementierung lokaler „Water Stewardship Programs“ an diesen Standorten bis 2023 sicher.
ZUR PERSON
Stefan Neufeind studierte Chemie an der Universität zu Köln und promovierte in Organischer Chemie. Nach einem Forschungsaufenthalt am Massachusetts Institut of Technology in den USA arbeitet er seit 2012 bei Lanxess. Zunächst war er als Anwendungstechniker für Ionenaustauscher u.a. für die Bereiche Hydrometallurgie, Abwasserbehandlung, Chlor-Alkali-Elektrolyse sowie Katalyse verantwortlich. Seit 2019 leitet er das globale Technische Marketing für Ionenaustauscher und Adsorber im Geschäftsbereich Liquid Purification Technologies.
Kontakt
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