Wacker erprobt CO2-Abscheidung aus Silicium-Produktion in Norwegen
Das Abscheideverfahren wurde am norwegischen Produktionsstandort in Holla getestet, wo Wacker aus Quarz und Kohlenstoff Silicium für seine Siliconprodukte herstellt. Bei dieser Reaktion entsteht ein großer Teil der für Wacker und seine Produkte relevanten CO2-Emissionen. Durch den nun erprobten Abscheideprozess wird das Treibhausgas wieder nutz- bzw. speicherbar gemacht und nicht freigesetzt. Ein wichtiger Schritt hin zu einer Net-Zero-Chemieproduktion.
SLB-ACC JV ist spezialisiert darauf, CO2 aus Abgasen industrieller Großprozesse abzuscheiden, inklusive sogenanntes „unvermeidbares“ CO2. Dieses entsteht zum Beispiel bei der Herstellung von Rohsilicium. Wacker stellt diesen wichtigen Rohstoff an seinem Standort in Holla her – als Basis für Mikrochips, Solarmodule und für die gesamte Bandbreite an Siliconen.
Die mobile Versuchsanlage (MTU) von SLB ACC JV wurde am Standort von Wacker in Holla installiert. Die MTU ist eine komplette CO2-Abscheidungsanlage in kleinem Maßstab. Das bei der Herstellung von Silicium entstehende Abgas gelangte über eine Leitung direkt in die Pilotanlage. Dort wurde nach dem chemischen Verfahren der Aminwäsche Kohlenstoffdioxid abgeschieden. Bei der Aminwäsche löst eine aminhaltige Waschflüssigkeit gezielt den Rohstoff CO2 aus dem Gasgemisch heraus. Im großindustriellen Prozess wird das CO2 danach durch Desorption von der Flüssigkeit getrennt, abgekühlt, unter Druck verflüssigt und gereinigt.
Auf dem Weg zu geschlossenen Kohlenstoffkreisläufen
Wacker hat das Verfahren der Aminwäsche und die Abscheidung von Kohlenstoffdioxid zum ersten Mal an einem eigenen Prozess demonstriert. Die Testkampagne wurde Ende Juni erfolgreich abgeschlossen. Abscheideraten von über 95% wurden erreicht. Darüber hinaus wurden die Prozessparameter eingehend untersucht und validiert. Damit gewann das Projektteam wichtige Informationen für die großtechnische Umsetzung. Parallel dazu lief bei Wacker und SLB-ACC JV eine ingenieurtechnische Machbarkeitsstudie. Darin wurde ein Anlagenaufbau entworfen, der ein CO2-Abscheidevolumen von jährlich 180.000 t vorsieht. Diese Berechnungen wurden nun um die aus der Praxis gewonnenen Daten ergänzt.
„Die Ergebnisse der Pilotstudie sind für uns ein großer Erfolg. Wir haben gezeigt, dass es mit dieser Technologie möglich ist, CO2 effektiv abzuscheiden“, sagt Wacker-Vorstandsvorsitzender Christian Hartel. Wenn Kohlenstoffdioxid abgeschieden wird, gelangt es nicht als Treibhausgasemission in die Atmosphäre. Es kann dann auch anderweitig genutzt werden, etwa zur Synthese von Methanol als Ausgangsstoff für weitere chemische Prozesse oder bei der Herstellung synthetischer Kraftstoffe (E-Fuels). Auch eine unterirdische Speicherung (Carbon Capture and Storage, CCS) ist möglich. Ein wichtiger Schritt hin zu geschlossenen Kohlenstoffkreisläufen. „Was wir jetzt brauchen, sind Kunden, die uns das CO2 abnehmen, und ein regulatorischer Rahmen, der es für uns zu einem Business Case macht“, so Hartel weiter.
Net Zero bis 2045
Wacker hat sich ehrgeizige Nachhaltigkeitsziele gesetzt. Bis 2030 sollen 50% weniger absolute Treibhausgasemissionen ausgestoßen werden (vgl. zu 2020). Bis 2045 möchte der Chemiekonzern Net Zero erreichen, also netto gar kein CO2 mehr ausstoßen. Die Siliciumproduktion in Holla ist dabei ein großer Hebel. Ziel ist es, diesen Produktionsstandort komplett CO2-neutral zu gestalten. Bereits seit 2022 läuft die energieintensive Produktion zu 100% mit grünem Strom unter anderem aus Wasserkraft. Außerdem wird bis 2030 schrittweise von Steinkohle auf biogene Kohlenstoffquellen umgestellt. Grünstrom, nachhaltiger Kohlenstoff und auch Carbon Capture werden zukünftig klimaneutrale Silicium-Wertschöpfungsketten ermöglichen.
Für den CO2-Fußabdruck von Siliconen ist vor allem ausschlaggebend, wieviel Kohlenstoffdioxid bei der Silicium-Herstellung freigesetzt wird. Mit CO2-neutralem Rohsilicium aus Holla könnte der Konzern den CO2-Fußabdruck seiner Siliconprodukte signifikant senken.