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Tüv-Studie über Korrosion und Werkstoffwahl zeigt die Grenzen von Duplexstahl

27.01.2014 -

Duplexstähle gelten als besonders widerstandsfähig gegen Korrosionsangriffe. Für den Einsatz in der chemischen Industrie sind sie deshalb ein gängiger Werkstoff. Doch abhängig von Temperatur und Medium stoßen auch Duplexstähle an Belastungsgrenzen. Tüv Süd legt einen Fall von Spannungsrisskorrosion an einer kontinuierlich betriebenen Destillationskolonne dar. Der zeigt: Werkstoffe müssen sorgfältig auf den spezifischen Einsatzzweck abgestimmt sein.

In der chemischen Industrie gelten für Druckgeräte wie Destillationskolonnen besondere Anforderungen an deren Sicherheit und Verfügbarkeit. Sie werden deshalb aus besonders widerstandsfähigen Werkstoffen gefertigt. „Nichtrostende" Duplexstähle sind solche Werkstoffe. Aufgrund ihrer austenitisch-ferritischen Zusammensetzung war lange Konsens, dass sie unempfindlich gegenüber Spannungsrisskorrosion (SpRK) sind.

Doch unter bestimmten Bedingungen ist auch diese Korrosionsform festzustellen - meist in chloridhaltigen Medien bei erhöhten Temperaturen. Sorgfältige Schadensanalysen und Korrosionsversuche sind daher unerlässlich. Neben den Aspekten der Sicherheit und Verfügbarkeit ist es auch mit Blick auf die Wirtschaftlichkeit und Lebensdauer von bestehenden Anlagen entscheidend, wie es um den momentanen Zustand der eingesetzten Werkstoffe bestellt ist.

Fallbeispiel Destillationskolonne

Nach zehn Jahren ist eine kontinuierlich betriebene Destillationskolonne in einer Chemieanlage ausgefallen. Der Grund: In verschiedenen Bereichen der Wand kam es zu Spannungsrisskorrosion. Am stärksten war der Sumpf der Anlage betroffen, aber auch in höher gelegenen Bereichen bis 15 m war Spannungsrisskorrosion feststellbar. Zurückzuführen war der Schaden auf eine saure, sauerstofffreie wässrige Chlorid-Lösung mit stark oxidierenden Zusätzen, deren Temperatur 125 °C im Sumpf und im oberen Teil etwa 90 °C betrug. Gefertigt war die Anlage aus robustem austenitischen Stahl (1.4571, Titan stabilisiert).

Welcher alternative Werkstoff ist gänzlich unempfindlich gegen Spannungsrisskorrosion? Laboruntersuchungen zeigten Duplexstahl (1.4462) als geeignet. Die Komponente wurde aus diesem Werkstoff nachgefertigt. Um dessen Widerstandsfähigkeit gegenüber Spannungsrisskorrosion noch zu verstärken, wurde die innere Oberfläche gezielt abtragend gebeizt.

Die Anlage wurde in Betrieb genommen und bei jedem Shut-down zu Wartungszwecken auf Korrosionsangriffe untersucht. Fünf Jahre später zeigte das Sumpfteil der Kolonne - mit direktem Kontakt zur Lösung - Korrosionsangriffe: Die Blechinnenoberfläche wies ausgeprägte muldenförmige Löcher auf, an der Schweißnaht lagen grabenartige Anfressungen vor. Eine elektrochemische Untersuchung mit der Chlorid-Lösung aus dem Sumpfteil als Test-Medium zeigte eine hohe Wahrscheinlichkeit für Lochkorrosion bereits bei 90°C. Experten gingen daher beim vorliegenden Befund ebenfalls von Lochkorrosion aus.

Deren Fortschreiten wurde in den Folgejahren überwacht und dokumentiert: Ausgewählte Oberflächenbereiche wurden markiert und auf eine Folie übertragen - dies, um eine mögliche Ausbreitung in der Fläche festzustellen. Zum anderen wurde die Tiefe der auffälligsten Anfressungen gemessen. Ein Vergleich der Lochtiefen und der auf den Folien abgebildeten Flächen zu verschiedenen Zeiten zeigte, dass sich weder neue Löcher gebildet, noch sich die vorhandenen Löcher verändert hatten - sowohl in die Tiefe als auch in der Fläche. Im vorliegenden Fall handelte es sich also offenbar um einen einmaligen Korrosionsvorgang, der nicht weiter fortschritt. Lochkorrosion ist bis zu einem gewissen Grad tolerierbar. Kommen allerdings Zugspannungen hinzu, kann Spannungsrisskorrosion entstehen, die die Integrität des Bauteils möglicherweise entscheidend beeinträchtigt.

Duplexstahl: Aus Löchern werden Risse

Nach vier weiteren Betriebsjahren sollte die Destillationskolonne einer Gasdruckprüfung unterzogen werden. Deshalb wurden im Vorfeld einige der grabenartigen Anfressungen an Bodenrund- und Längsnaht des Sumpfteils zur Sicherheit nochmals untersucht. Eine Farbeindringprüfung blieb ohne klares Ergebnis. Die Oberfläche der Schweißnaht wurde vorsichtig abgeschliffen. Um Risse auszuschließen, wurde der Farbeindringtest erneut vorgenommen: Nun kamen Risse zum Vorschein, die zuvor nicht festzustellen waren. Weitere Untersuchungen zur Risstiefe zeigten, dass sie teils fast die gesamte Wand durchdrungen hatten.

Einzelne Stücke wurden herausgetrennt und metallografisch untersucht. Es stellte sich heraus, dass es sich um Spannungsrisskorrosion handelte, die fast ausschließlich im Austenitkorn verlief. Somit wurde das unterschiedliche Erscheinungsbild der Schäden am Innenblech und in der Schweißnaht erklärlich: Im Blech verlaufen die beiden Phasen des austenitisch-ferritischen Gefüges in Zeilen parallel zur Oberfläche. Aufgrund dieser Anordnung kam es lediglich zu einem flachen, lochartigen Korrosionsangriff. Die Risse konnten nicht weit in die Tiefe dringen und wurden an den ferritischen Zeilen „gebremst". Anders in der Schweißnaht: Die austenitisch-ferritischen Zeilen verlaufen hier nahezu senkrecht zur Oberfläche. Zugeigenspannungen vom Schweißen wirken parallel zur Oberfläche und sind dort am stärksten. Risskeime entstehen und wachsen üblicherweise vertikal zur wirksamen Zugspannung, sodass Risse im Austenit auf diese Weise recht tief und weit verzweigt in die Schweißnaht eindringen. Zum Teil waren die Risse mit Korrosionsprodukt gefüllt. Die Befunde konnten anhand von geschliffenen Proben im Korrosionsversuch nachgestellt werden. Das Sumpfteil wurde durch das in diesem Fall korrosionsbeständigere Titan ersetzt, sodass die Kolonne wieder funktionstauglich war.

Experten ermitteln die geeigneten Werkstoffe

Das Fallbeispiel zeigt, dass und wie sich auch an widerstandsfähigem Duplexstahl Spannungsrisskorrosion entwickelt - in Abhängigkeit von Medium und Temperatur. Die Zugspannungen am Werkstoff bewirken ein unterschiedliches Erscheinungsbild des Korrosionsprozesses an Schweißnaht (Risse) und Blech (Löcher). Da die Risse in der Schweißnaht nicht immer ersichtlich sind, sollten diese in jedem Fall genauer untersucht werden, sobald sich vermeintliche Lochkorrosion im Blech bildet. Korrosionsprodukt kann die Risse in den Schweißnähten so verschließen, dass ein Farbeindringtest ohne vorsichtiges Anschleifen von verdächtigen Stellen zu nicht validen Ergebnissen führt.

Um Korrosionsprozesse wie diesen zu klären, ist u. a. sorgfältiges Monitoring sowie Jahrzehnte lange Erfahrung und Expertise im Bereich Werkstofftechnik unerlässlich. Der Chemie Service des TÜV verfügt über ein akkreditiertes Korrosionslabor. Die Experten beraten in Fragen zur Werkstoffauswahl und Korrosionsschutz, übernehmen das Monitoring bis zur Schadensanalyse und Erstellung von Gutachten. Denn: Der Schutz vor Korrosion ist zentral für die Sicherheit, Verfügbarkeit und Wirtschaftlichkeit von chemischen Anlagen.

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