Thost Projektmanagement beschreibt künftige Laborwelten
Interview über moderne Arbeitsformkonzepte
Im Interview mit CHEManager erklärt Sven Baade, Experte für moderne Arbeitsformkonzepte und Leiter Center of Competence „Integrierte Bedarfsplanung“ bei Thost Projektmanagement, welche Trends sich in Laboren abzeichnen und was eine moderne Laborwelt so attraktiv macht. Die Fragen stellte Oliver Pruys.
CHEManager: Herr Baade, wie wirkt sich die Coronakrise langfristig auf unsere Arbeitsformen aus?
Sven Baade: Wir beobachten schon seit den ersten Monaten der Pandemie, dass Corona vor allem einen unmittelbaren Einfluss auf die Planung und Nutzung von Gebäuden und damit auch von Laborwelten hat. Hier hat bei vielen Unternehmen bereits früh ein Umdenken stattgefunden. Unabhängig davon, wie die Beschränkungen kurzfristig umgesetzt wurden, wird langfristig die Frage bleiben: Wie arbeiten wir in Zukunft?
Bei der Suche nach diesen Antworten muss der Fokus auf räumlichen Konzepten liegen. Die Hygiene- und Sicherheitsauflagen haben den Wandel hin zu modernen Arbeitsformkonzepten beschleunigt. Corona hat dafür gesorgt, dass viele kreative, innovative Lösungen für bestehende Probleme realisiert wurden. Auch konnten oft lähmende administrative Hürden genommen werden. Trotzdem gab es die Entwicklung hin zu zukunftsorientierten, automatisierten und digitalen Prozessen auch schon vorher.
Die Pandemie hat also viele Unternehmen zum Umdenken bewegt. Wie ist der Status Quo in Laboren?
S. Baade: Die aktuelle Situation stellt die modernen Laborwelten auf die Probe. Bedingt durch den Lockdown wurden in kurzer Zeit viele pragmatische und kreative Lösungen entwickelt, um den Laborbetrieb aufrecht zu erhalten. Es wird sich zeigen, welche Entwicklungen bleiben und die neue Normalität prägen werden. Viele Unternehmen haben erkannt, dass die modernen Konzepte um Digitalisierung und Automatisierung auch abseits von Corona viele Vorteile bieten. Umdenken wird also belohnt.
Was macht moderne Arbeitsformkonzepte überhaupt so attraktiv?
S. Baade: Moderne Arbeitsformkonzepte können ein echter Wettbewerbsvorteil sein. Haben Mitarbeiter die Möglichkeit für räumliche Zusammenarbeit und Austausch, kann das die Produktivität und Kreativität maßgeblich fördern. Eine Flexibilisierung des Arbeitsumfelds trägt zur Zufriedenheit und zur Work-Life-Balance der Mitarbeiter bei. Das macht Unternehmen auch aus Recruiting-Perspektive attraktiv.
Welche Trends beobachten Sie für die Arbeitswelt der Zukunft?
S. Baade: Insgesamt sind hier drei Trends bestimmend. Dazu gehört zum einen dezentrales und flexibles Arbeiten, sprich die physische und technische Entkopplung von Leistungserbringung aus der festen Umgebung. Wir beobachten – und das ist ein Trend, der sich durch Corona deutlich beschleunigt hat –, dass Labore immer stärker digitalisiert, technologisiert und auch automatisiert werden. Das führt dazu, dass immer mehr Versuchsreihen auch remote und aus dem Homeoffice heraus gesteuert werden können.
Das könnte den Gedanken nahelegen, dass es in Laboren nun auch um Flächenreduzierung geht…
S. Baade: Ganz im Gegenteil. Und das ist der dritte Trend: Gerade weil die Nutzertypen in einem Labor und der zugehörigen Infrastruktur so unterschiedlich sind und sich ihr Arbeitsort aktuell umstrukturiert, müssen die bestehenden Flächen für Kommunikation und Kollaboration genutzt werden. Wenn die „klassische“ Laborfläche also reduziert wird, sollte die Fläche für gemeinsamen Austausch und kreative Zusammenarbeit erweitert werden. In Zeiten von Corona findet Kommunikation natürlich oft noch virtuell statt. Jedoch hat der physische Austausch große Qualitäten, die es in Zukunft wieder darzustellen gilt.
Vor welchen Herausforderungen stehen Unternehmen, wenn es um die Umsetzung moderner Arbeitsformkonzepte geht?
S. Baade: Eine Umstellung auf moderne Konzepte bringt natürlich auch Herausforderungen mit sich. Und zwar für alle Beteiligten. Mit der Entscheidung für eine moderne Laborwelt ändern sich auch die Anforderungen bei der Gebäudeplanung und -nutzung. Laborwelten sind, räumlich-organisatorisch betrachtet, Zonenmodelle. Wenn sich die Grenzen dieser Zonen auflösen, müssen Arbeitsplatzumgebungen neu gestaltet werden. Gleichzeitig müssen die Standards, mit Blick auf besondere Raumkonditionen, etwa BSL oder ISO, eingehalten werden. Aber auch die Mitarbeiter sind betroffen: Sie müssen sich auf Veränderungen ihres Arbeitsumfelds einstellen. Das kann auch Konflikte zur Folge haben. Ein Beispiel: Der Dokumentationsarbeitsplatz entfällt, weil die Datenverarbeitung remote gelöst wird oder – auch aus Kostengründen – in Büroräumlichkeiten ausgelagert wird. Kommen wir nun zurück zur Normalität, besteht das Risiko, dass wieder die Bedenkenträger auf den Plan treten und dynamische Lösungsansätze verhindern bzw. viele gute Themen wieder rückgängig machen.
Welche Fehler werden also häufig noch gemacht?
Sven Baade: Die Mitarbeiter nicht in die Pläne zu integrieren. Wenn Arbeitsplätze modernisiert werden, müssen die Anforderungen der Mitarbeiter in der Planung berücksichtigt werden. Da die Umgestaltung des Arbeitsumfelds auch kulturelle Herausforderungen mit sich bringt, sind Top-Down-Entscheidungen hier meist nicht der richtige Weg. Vielmehr sollte ein Ansatz verfolgt werden, der von den ersten Überlegungen bis zum Abschluss des Projekts verschiedene Stakeholder-Gruppen berücksichtigt.
Ist die Sorge vor einem zu großen Aufwand ein berechtigtes Argument, um an alten Mustern festzuhalten? Wie sieht die Verwirklichung moderner Konzepte konkret aus?
Sven Baade: Nein, denn die Vorteile überwiegen. Ohne moderne Arbeitsformkonzepte sind Unternehmen langfristig nicht mehr attraktiv. Das gilt auch für die Laborbereiche. Moderne Laborkonzepte kommen überall dort zum Einsatz, wo zukünftige Arbeitsweisen nicht mehr durch bestehende Konzepte unterstützt werden. Dies gilt nicht nur für die Planung von Neubauten, sondern besonders für bestehende Laborarbeitsbereiche. Dabei ist natürlich jeder Arbeitsort individuell. Mithilfe von Strategie- und Planungsworkshops sowie einer Soll-Ist-Analyse wird zunächst eine Idealplanung erstellt, die dann auf das entsprechende Zielgebäude angewandt wird. Während dieses Prozesses werden häufig verschiedenste Szenarien konzipiert, die erst nach einzelnen Bewertungsvorgängen zu transparenten Empfehlungen und schließlich zur Realisation führen.