Siemens: Bei Sensorik breit aufgestellt
TIA bringt Durchgängigkeit von Planung bis Betrieb
Interview mit Dr. Jürgen Spitzer, General Manager Field Instrumentation bei Siemens Industry, zu aktuellen Themen der Prozessgerätetechnik und zur Einbindung in Totally Integrated Automation.
CHEManager: Herr Dr. Spitzer, wie zufrieden sind Sie mit Ihrem Prozessgerätegeschäft im abgelaufenen Siemens-Geschäftsjahr?
Dr. Jürgen Spitzer: Das letzte Geschäftsjahr war für uns in jeder Hinsicht sehr erfolgreich: Wir sind sehr stark gewachsen, haben einen neuen Höchstwert beim Umsatz erreicht und konnten Marktanteile hinzugewinnen. Darüber hinaus haben wir einige neue, sehr innovative Produkte auf den Markt gebracht, wie den neuen Radarfüllstandmessumformer Sitrans LR560 und den Drucktransmitter Sitrans P500, um nur die Wichtigsten zu nennen.
Welche Rolle spielen die Prozessgeräte im Konzert der „Totally Integrated Automation"?
Dr. Jürgen Spitzer: Prozessinstrumente sind ein wichtiger Bestandteil der „Totally Integrated Automation". Das fängt bereits beim Engineering an. Wenn Sie sich anschauen, welche Möglichkeiten z.B. die Verbindung der Engineeringumgebung COMOS mit dem Siemens Prozessleitsystem PCS7 bietet: Der Anwender kann in einem System das komplette Engineering seiner Anlage durchführen, die passenden Feldgeräte von Siemens aus einer Bibliothek auswählen und dies dann in PCS 7 übertragen und projektieren. Dabei sind in der Praxis bereits Einsparungen im Engineeringaufwand von bis zu 50% erreicht worden.
Diese nahtlose Integration in das Prozessleitsystem bringt natürlich auch Vorteile im Betrieb einer prozesstechnischen Anlage, wie beispielsweise einfache Bedienbarkeit, schnelle Fehlerdiagnose und effektivere Wartung von Feldgeräten. Aus diesen Gründen investieren wir auch stark in die weitere Einbindung der Feldgeräte in die Prozesslandschaft von Siemens Industry Automation.
Der Bereich der Siemens Prozessgeräte ist in den letzten Jahren ja nicht nur organisch, sondern auch durch etliche Akquisitionen gewachsen, so dass Sie heute mehrere Fertigungsstandorte koordinieren müssen - eher ein Fluch oder mehr ein Segen?
Dr. Jürgen Spitzer: Unsere letzte Akquisition, die Clamp-on Ultraschall Durchflussmessgeräte Controllotron in den USA. liegt ja nun auch schon mehrere Jahre zurück und wir haben in den vergangenen Jahren den Schwerpunkt auf Konsolidierung und organische Weiterentwicklung gelegt. In diesem Zusammenhang wurden sogar einige Fertigungsstandorte, wie Stonehouse in England oder Zagreb in Kroatien, geschlossen.
Im Augenblick sehe ich uns bezüglich der Anzahl und räumlichen Verteilung der Standorte optimal aufgestellt. Mit Peterborough in Kanada, Haguenau in Frankreich, und Dalian in China haben wir leistungsfähige Fertigungen in allen wichtigen Regionen der Welt. Damit sind wir in der Lage, ein komplettes Portfolio an Feldgeräten anzubieten, von Druck-, Temperatur, Durchfluss- und Füllstandmessgeräten bis hin zu Stellungsreglern und der Wägetechnik.
Die NAMUR fordert seit Jahren Vereinheitlichungen bei der Normung von Feldbussen, der drahtlosen Kommunikation oder bei der Geräteintegration. Bei FDI ....
Dr. Jürgen Spitzer: ...ja, wir sehen in der Field Device Integration einen wichtigen Schritt zu reduzierter Komplexität und einem verbesserten Kundenservice. Auf der NAMUR Hauptsitzung im November wurden die Vorteile dieser Vorgehensweise durch die beteiligten Unternehmen sehr eindrucksvoll demonstriert. Siemens hat das FDI Konsortium maßgeblich mit initiiert, nachdem auf dem Gebiet der Geräteintegration in Leitsysteme keine Einigung der beiden Lager (EDD vs. DTM) erreicht werden konnte.
Die Forderung der NAMUR ist dabei auch in unserem Interesse, weil wir als Hersteller für jedes unserer Geräte gegenwärtig die unterschiedlichen Standards sowie die Besonderheiten der Leitsysteme unterstützen müssen. Der Integrationsaufwand hat daher bisher trotz aller Standardisierungsbemühungen stetig zugenommen. Mit FDI sehen wir die Chance, dem entgegenzuwirken und gleichzeitig die Vorteile beider Technologien in vorteilhafter Weise zu nutzen.
Auf der Stellgeräte-Seite punkten Sie derzeit mit Ihrem Stellungsregler Sipart PS2. Was wird es bei der Aktorik in Zukunft Neues geben?
Dr. Jürgen Spitzer: Die Stellungsregler sind ein sehr wichtiger Bestandteil unseres Produktportfolios, was sich auch durch unsere Position als Nummer 2 auf dem Weltmarkt deutlich widerspiegelt. Wir sind sehr aktiv dabei, diese Position weiter auszubauen.
So ergänzt beispielsweise unser neuer Stellungsregler Sitrans VP300 unser Portfolio um eine weitere robuste Variante, die sich ideal für den Einsatz in rauen Industrieumgebungen mit Vibrationen und häufig verschmutzter Druckluft eignet. Seine herstellerunabhängige OPOS Schnittstelle nach VDI/VDE 3847 ermöglicht die frontseitige Montage des Stellungsreglers mit nur zwei Schrauben - ohne eine externe Verrohrung.
Weitere Pluspunkte sind die vorbeugende Wartung und SIL. Mit einem regelmäßigen Partial Stroke Test sorgen beispielsweise sowohl der Sipart PS2 als auch der Sitrans VP300 dafür, dass ESD-Ventile (Emergency Shut Down) und andere Auf-/Zu-Armaturen im Notfall beweglich bleiben.
Insgesamt ist es unsere Planung, die Produktfamilie der Stellungsregler weiter zu ergänzen und abzurunden und dabei auch die zukünftige Erwartungshaltung unserer Kunden in der Prozessindustrie nach zusätzlichen Diagnoseinformationen zur Erhöhung der Anlagenverfügbarkeit und Minimierung der Wartungsaufwendungen zu berücksichtigen.
Welche besonderen technologischen Entwicklungen haben nach Ihrer Meinung die Prozessautomation in den letzten Jahren besonders beeinflusst und was erwarten Sie für die nahe Zukunft?
Dr. Jürgen Spitzer: Die Weiterentwicklung der Kommunikation mit der Etablierung von Profibus und Fieldbus Foundation ermöglicht heute schon den verbesserten Austausch von Informationen zwischen Feldgerät und Leitsystem. Mit der Verfügbarkeit weiterer Diagnosefunktionen in den Feldgeräten und der wachsenden Notwendigkeit von Energy Monitoring wird sich die Kommunikation weiterentwickeln und z.B. auch Wireless seine Bedeutung erhalten.
Die Integration von Engineering-Systemen (wie z.B. COMOS) und Leittechnik (wie z.B. PCS7) sind ein weiterer wichtiger Trend, der in den letzten Jahren begonnen hat und künftig einen starken Einfluss auf die Prozessautomation haben wird. Ebenso das Thema FDI, das wir ja schon vorher angesprochen haben.
Speziell bei Siemens ist die weitere Integration der Feldgeräte in Simatic ein wichtiger Trend. Nehmen Sie als Beispiel Siflow, wo wir ebenfalls in 2011 eine spezielle Lösung für die Durchflussmessung von Compressed Natural Gas auf den Markt gebracht haben, die sich nahtlos in die Simatic Welt integriert. Ähnliche Lösungen gibt es z.B. auch für unsere Wägetechnik, dort Siwarex genannt.
Als weiteres Thema ist natürlich auch noch WirelessHART zu nennen. Siemens hat hier bereits vor einiger Zeit Druck- und Temperaturtransmitter auf den Markt gebracht und wird auch weiter in diese zunkunftsträchtige Technologie investieren.
Die Biotechnologie als Grundlagentechnologie in den Life Sciences nimmt an Bedeutung zu. Wird sich Siemens dem Thema der Prozessführung bei biotechnologischen Prozessen in der Zukunft mit der Entwicklung von entsprechenden Feldgeräten stellen?
Dr. Jürgen Spitzer: Generell sind Chemie und Pharma Branchen, auf die wir unser Portfolio zukünftig noch stärker ausrichten werden. Die Biotechnologie stellt hierbei besondere Anforderungen.
Eine Vielzahl von Studien und Experten prognostiziert der Biotechnologie eine entscheidende Bedeutung nicht nur in den Life Sciences; dies nehmen wir sehr ernst, somit werden wir unser Produkt-Portfolio für diesen Bereich Schritt für Schritt vervollständigen und weiterentwickeln. Unsere Forscher arbeiten bereits heute an der Machbarkeit alternativer Möglichkeiten zur Messung von Prozessgrößen.
Durch die technologische Weiterentwicklung der Leit- und Feldtechnik rücken diese Systeme immer enger zusammen. Welche Antwort gibt Siemens hierauf?
Dr. Jürgen Spitzer: Wir beantworten diese Herausforderung mit dem Main Automation Vendor Ansatz, also die Lieferung von Leittechnik und Feldgeräte aus einer Hand. Dies verbinden wir mit einer gemeinsamen Engineering Plattform, nämlich Comos PT. Somit ist die Durchgängigkeit von der Planung über die Inbetriebnahme bis zum Betrieb gewährleistet und eine durchgängige Kompatibilität sichergestellt.
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