Quantensprung in das digitale Zeitalter
Klosterfrau will international wachsen und gleichzeitig die Digitalisierung vorantreiben
Die Entstehungsgeschichte des Traditionsunternehmens Klosterfrau mit Stammsitz in Köln liest sich wie ein Märchen. Nach den geheimen Kräuterrezepturen einer Nonne entstand ab 1826 der berühmte Melissengeist und wurde zum Verkaufsschlager. Heute gehört die Klosterfrau Healthcare Group mit 50 Marken und mehr als 220 Produkten zu den führenden Anbietern im Bereich der Selbstmedikation; produziert wird vornehmlich in Berlin und Lüchow. Die Strategie für die Zukunft lautet: weiter international wachsen und gleichzeitig die Digitalisierung vorantreiben.
Traditionen zu erhalten, ist Klosterfrau wichtig – der Melissengeist wird noch immer nach der Originalrezeptur hergestellt. Gleichzeitig hat sich das Unternehmen stetig modernisiert, auch, um jüngere Kunden zu gewinnen, und um die Herausforderungen in der pharmazeutischen Industrie zu meistern: Steigende Kosten bei der Entwicklung und Herstellung von Medikamenten, sinkende Gewinnmargen, wachsende Konkurrenz sowie strikte Regularien.
Internationalisierung und Wachstum erfordern neue IT
2016 entschied Klosterfrau, die gesamte Gruppe zu reorganisieren. Dabei sollten sowohl alte Strukturen und Prozesse erneuert als auch die drei Unternehmensstandorte in Deutschland zusammengeführt werden. Die 600 Mitarbeitende in Köln, Berlin und Lüchow arbeiteten historisch bedingt weitgehend autark mit verschiedenen ERP-Systemen. An zwei Standorten wurde unterschiedlich ausgeprägte Software von SAP eingesetzt, an einem eine Lösung der GUS Group. Medienbrüche und ineffiziente Prozesse waren die Folge, der Aufwand für die Wartung und Pflege der Systeme war hoch. Zudem war es arbeitsintensiv, die Konzernbilanz über die Standorte hinweg zu erstellen.
Weil die Erfahrungen von Klosterfrau mit SAP ERP sehr gut waren, stand von Beginn an fest, wieder auf ein System von SAP zu setzen. Zusätzlich sollten Stammdaten harmonisiert sowie effiziente und agile Abläufe etabliert werden.
„Das wichtigste Kriterium bei der Entscheidung für unseren Partner war dessen Pharmaexpertise.“
SAP S/4HANA und das Fit4LifeScience-Template
Um herauszufinden, welche Lösungen am geeignetsten ist, gab Klosterfrau eine Vorstudie in Auftrag. „Wir haben die verschiedenen Alternativen auf Herz und Nieren geprüft. Auf Basis der Ergebnisse fiel die Wahl auf SAP S/4HANA als On-Premises-Deployment“, erklärt Frank Roth, CIO der Klosterfrau Healthcare Group. Und weil drei Standorte konsolidiert werden sollten, kam für die Migration nur der Greenfield-Ansatz infrage.
Klosterfrau entschied sich aber nicht nur für SAP S/4HANA, sondern auch für das Roll-out-fähige Fit4LifeScience-Template von Nagarro ES. Dieses basiert auf vorkonfigurierten und standardisierten End-to-End-Prozessen und Best Practices der Pharmaindustrie. Es unterstützt Anwender darin, die Logistik- und Fertigungsprozesse zu optimieren. Damit lassen sich Beschaffungskosten, Lagerbestände und manuelle Tätigkeiten reduzieren und rechtliche Anforderungen leichter einhalten. Zudem umfasst das Fit4LifeScience-Template vorkonfigurierte Echtzeit-Datenanalysen, um schnell bessere Entscheidungen treffen zu können.
„Der Fit4-Standard bietet schon bei der Implementierung erhebliche Vorteile. Beim Projektaufwand und bei der Dauer werden bis zu 30 % eingespart“, erläutert Stefan Freitag, Senior Director Prozessindustrie bei Nagarro ES. Aus über 300 Business-Prozessen wurden die für Klosterfrau relevanten ausgewählt und das Template somit individuell abgestimmt. Fit4LifeScience war auch ein Grund, weshalb sich Klosterfrau für Nagarro ES als Implementierungspartner entschied. „Das wichtigste Kriterium bei der Entscheidung für unseren Partner war dessen Pharmaexpertise. Aufgrund der über 20 Jahre langen Erfahrung in dieser Branche und des vorkonfigurierten S/4HANA-Templates fiel die Wahl für die Vorstudie und das Implementierungsprojekt auf Nagarro ES“, so Frank Roth von Klosterfrau.
Eine Einführung von SAP S/4HANA
in dieser Größenordnung ist in der deutschen Pharmabranche bisher einzigartig. Referenzen sind kaum verfügbar, viele Ansätze noch nicht ausgereift. Hinzu kommt: Die Migration in der Pharmaindustrie ist wesentlich anspruchsvoller als in vielen anderen Branchen. Vor allem wegen der Validierung. Sämtliche Prozesse müssen im Vorfeld beschrieben, dann implementiert und getestet werden. Dies bedarf einer genauen Planung, Abstimmung und gemeinsamen Vorgehensweise. „Herausfordernd ist hierbei, die benötigten Ressourcen auf Kundenseite für die Projekttätigkeiten zur Verfügung zu stellen, da diese in der Regel auch weiterhin in das Tagesgeschäft eingebunden sind“, sagt Martin Reinke, Senior Director Sales von Nagarro ES.
Um auch die Belegschaft von Klosterfrau mitzunehmen, wurde das gesamte Projekt von Beginn an mit einem aktiven Change Management begleitet. So konnten eingefahrene Verhaltensmuster frühzeitig aufgebrochen, Beschäftigte in die Prozessgestaltung eingebunden und die zukünftigen Key-User im Fachbereich für das neue ERP-System begeistert werden. „Einen wesentlichen Beitrag für die erfolgreiche Projektumsetzung stellte vor allem die offene und vertrauensvolle Zusammenarbeit aller Teams sowie die Freude am Neudesign von Prozessen dar“, so Martin Frecker, Projektleiter bei Klosterfrau.
Mit Prince2 und Scrum schrittweise zum Go-live
2018 erfolgte der offizielle Projekt-Kick-off. Besonderes Augenmerk bei der Implementierung lag auf der Reduzierung von Eigenentwicklungen, um die Komplexität zu verringern, Kosten bei künftigen Releasewechseln zu senken und Rollouts leichter durchzuführen. Von den rund 2.000 eigenentwickelten Z-Programmen wurden weniger als 100 ins neue System übernommen – die Anwendung ist dadurch deutlich näher am Standard und weitaus weniger komplex.
Sämtliche Projektphasen wurden nach etablierten Methoden durchgeführt, um Reibungsverluste weitestgehend zu vermeiden und eine komplikationslose Implementierung zu erreichen. Als projektübergreifende Methode wurde Prince2 eingesetzt. Das prozessorientierte Verfahren bietet die richtigen Werkzeuge für eine flexible Projektumgebung. So lässt sich das schrittweise Vorgehen im Projektlebenszyklus von der Vorbereitung bis zum Abschluss beschreiben. Die Konzeptionsphase erfolgte nach der agilen Scrum-Methodik.
Bevor das System genutzt werden darf, wurden alle Mitarbeitende geschult – so setzt es die Pharmaindustrie voraus. Die fast 2.000 Schulungen wurden teils als Präsenz-, teils als Videotraining durchgeführt und die Teilnahme über ein digitales Tool bestätig.
„Einen wesentlichen Beitrag für die erfolgreiche Projektumsetzung stellte die Freude am Neudesign von Prozessen dar.“
Größtes IT-Projekt seit 1998
Im Januar 2021 erfolgte, nach fast dreijähriger Projektlaufzeit, der Go-live in der Zentrale in Köln sowie an den Standorten Berlin und Lüchow. Im nächsten Schritt wird das Projekt in den internationalen Standorten ausgerollt.
Der größte Mehrwert für Klosterfrau besteht vor allem in klaren Strukturen und schlanken Prozessen über Standorte und Abteilungen hinweg. Das Organisationsmanagement ist endlich einheitlich, die Stammdaten harmonisiert. Besonders die von der Digitalisierung am stärksten betroffenen Produktionsstandorte in Berlin und Lüchow profitieren von der neuen S/4HANA-Lösung. Dort werden auch Datenbrillen statt Scanner für Warenbewegungen eingesetzt. Das Augmented-Reality-Szenario ermöglicht den Mitarbeitern, kontaktlos Warenbewegungen durchzuführen.
„Dank der professionellen Umsetzung des Projekts sind wir bereit, uns den Herausforderungen des pharmazeutischen Marktes noch effizienter stellen und Synergien besser zu nutzen“, sagt Christian Wurzinger, Group CFO, Klosterfrau Healthcare Group.
Autorin: Verena Holz, Senior Managing Consultant, Teamlead Data Management, Nagarro ES
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