Pt100-Thermometereinsätze für die Prozessmesstechnik
itherm von Endress+Hauser: Hart im Nehmen
Fragt man Verantwortliche und Anlagenbetreiber heute, worin sie derzeit das größte Verbesserungspotenzial bei ihren Temperaturmessstellen sehen, wird man ziemlich sicher zuerst etwas zu Vereinfachungen bei der Ein- und Anbindung der Transmitterelektronik an die Leittechnik hören. Vielleicht auch etwas zu praxisgerechteren Diagnose- und Überwachungsfunktionalitäten, und eventuell auch etwas zu optimierten Schutzrohren, die nicht nur mechanisch ausreichend robust sind, sondern auch noch eine ausreichend schnelle und fehlerarme Temperaturmessung ermöglichen. Aber nur ganz wenige Praktiker werden antworten, sie wünschten sich bessere Thermometer-Messeinsätze.
Vielleicht liegt das daran, dass die heute eingesetzten Messeinsätze meist scheinbar problemlos funktionieren und nur bei einem Sensor- oder Leitungsbruch wirklich auffällig werden. Nur ganz vorsichtige Anwender überprüfen ihre Thermometer-Messeinsätze tatsächlich regelmäßig, kalibrieren sie oder ersetzen sie vorbeugend zyklisch durch Neugeräte. Aufgetretene Alterungen des Pt100-Sensorelements und damit verbundene Kennliniendriften, die direkt zu Messfehlern führen, werden so aber auch nur selten erkannt und oftmals auch unterschätzt. Man vertraut vielfach der versprochenen Qualität und Langzeitstabilität der Messeinsätze sowie dem Know-how des Herstellers, ohne es unter konkreten Prozessbedingungen zu verifizieren.
Das Herz des Thermometers
Dabei sind die Messeinsätze quasi das Herz des Thermometers und haben direkten Einfluss auf die messtechnischen Eigenschaften der gesamten Temperaturmessstelle, wie Messgenauigkeit und thermische Ansprechzeit. Obwohl sie scheinbar einfach und von außen betrachtet gleich aufgebaut sind - ein Pt100-Messwiderstand mit typischerweise vier voneinander elektrisch isolierten Anschlussleitungen in einem Rohr - unterscheiden sich die Pt100-Messeinsätze verschiedener Hersteller durchaus deutlich im Detail. Auch hier zählen letztlich die „inneren Werte". Die konkrete Konstruktion der Sensorspitze, die aufgewendete Sorgfalt und viele vermeintliche Kleinigkeiten bei seiner Fertigung, von denen der Anwender per se nichts weiß, entscheiden über ihre tatsächliche Qualität.
Standard ist mittlerweile für höhere Einsatztemperaturen überall die Verwendung so genannter mineralisolierter Mantelleitungen. Sie enthalten die Anschlussleitungen aus Kupfer, Nickel oder Nickel/Chrom, an welche der eigentliche Temperatursensor (Pt100) später mittels Hartlötung oder Verschweißung angeschlossen wird. Solche Mantelleitungen werden aufgerollt geliefert. Sie sind für die Herstellung eines Messeinsatzes zu richten und auf die gewünschte Länge zu kürzen. An ihren Enden wird anschließend die Mineralisolierung (MgO- oder Al2O3-Pulver) teilweise entfernt, um die Drähte freizulegen, und das Sensorelement angeschweißt bzw. gelötet.
Danach ist die Leitung mit einer passenden Hülse wieder zu verlängern, alle verbleibenden Hohlräume mit Keramikpulver möglichst kompakt auszufüllen und das Ganze mit einem Boden zu versehen und zu verschließen. Dies ist seit vielen Jahren die Standard-Fertigungstechnologie für solche Messeinsätze, die zu einem Großteil immer noch manuell ausgeführt wird. Natürlich bleiben dabei Qualitätsschwankungen nicht aus. Verunreinigungen, die das Pt100-Sensorlemente bei höheren Temperaturen schneller altern lassen, eingedrungene Luftfeuchtigkeit, welche den Isolationswiderstand der Leitung herabsetzt oder verbleibende Hohlräume im Bereich der Messeinsatzspitze, die bei Vibrationen zu Leitungsbrüchen führen, sind hier nur beispielhaft zu nennen. Gerade das ausreichend kompakte und dichte Verfüllen mit möglichst reinem, trockenem Keramikpulver und das sichere Einbetten des Pt100-Elements gestalten sich dabei aufwändig und lassen sich trotz des Einsatzes von Rüttelapparaturen o. ä. in der Praxis kaum wirklich zufrieden stellend mit gleich bleibender Qualität realisieren.
Gerade die Art des verwendeten Pt100-Sensorelements und seine Einbettung und Kapselung sind aber wesentlich für die spätere Kennlinien-Langzeitstabilität und die mechanische Belastbarkeit des Messeinsatzes unter Prozessbedingungen.
Genau und langzeitstabil
Endress+Hauser verfolgt seit einiger Zeit ein völlig neues Konzept für die Fertigung seiner Pt100-Messeinsätze. Erstes Ergebnis dieser Produkt- und Fertigungsentwicklung ist der itherm TS101. Der Messeinsatz mit Pt100-Dünnschichtsensorelement hat 6 mm Außendurchmesser. Er ist für den Dauereinsatz im Temperaturbereich -50...+500 °C geeignet und kombiniert überdurchschnittliche messtechnische Eigenschaften mit exzellenter mechanischer Robustheit. Neben thermischen Ansprechzeiten t90 von < 10 s, gemessen nach IEC 60751 in Wasser, minimalen Eigenerwärmungsfehlern von ≤ 25 m/mW und hoher Langzeit-Kennlinienstabilität und Messgenauigkeit, selbst bei maximaler Einsatztemperatur, zeichnet er sich z. B. durch eine dauerhafte Vibrationsbeständigkeit selbst bei Beschleunigungen von ≥ 500 m/s2 (≥ 50 g) aus und ist in dieser Kombination von Eigenschaften derzeit wohl einzigartig auf dem Markt.
Das „Geheimnis" liegt in der Konstruktion dieses Messeinsatzes. Zwar wird auch hier eine mineralisolierte Mantelleitung als Basis verwendet, doch neu sind der strikt modulare Aufbau und die Gestaltung der Messeinsatzspitze mit dem Pt100-Sensorelement. Es wird völlig auf die Verwendung von Keramikpulvern zur Verfüllung verzichtet. Stattdessen ist das Pt100-Dünnschichtsensorelement in einer Kappe, gefüllt mit einer speziellen Keramikvergussmasse, fest und hohlraumfrei eingebettet. Ein relativ komplexes Keramikformteil dient als ein Verbindungselement zwischen den Anschlussdrähten des Sensorelements und den Innenleitern der Mantelleitung, welche bei der späteren Montage miteinander verschweißt werden.
Dieses Modul „Sensorkappe" wird dabei unabhängig vom eigentlichen Messeinsatz gefertigt und kann, beispielsweise durch die Verwendung eines anderen Sensorelements oder eines anderen Kappenmaterials, einfach modifiziert und an spezielle Kundenwünsche angepasst werden. Eine besondere Hochtemperaturvariante für Einsätze ≥ 600 °C ist auf diese Weise ebenso realisierbar wie Kappen mit anderer, thermisch optimierter Sensoranordnung für noch schnelleres thermisches Ansprechverhalten. Auch Messeinsätze mit anderen Außendurchmessern sind vorstellbar. Durch die Verwendung jenes immer gleichen Keramik-Steckadapters ist eine Art Baukastensystem entstanden, aus dem unterschiedliche Sensorkappen-Varianten mit diversen Mantelleitungen einfach und kostengünstig kombinierbar werden.
Das Know-how liegt in der Fertigung
Für die komplexe Fertigung dieser Sensorkappen, die Bearbeitung der Mantelleitungen, die Montage und Verschweißung von Mantelleitung und Kappe sowie für die Prüfungen der fertigen Messeinsätze wurde bei Endress+Hauser eine eigene, komplett neue Fertigungstechnologie entwickelt und umgesetzt. Die Pt100-Messeinsätze werden in der neuen Anlage nahezu vollautomatisch mit gleich bleibend hoher Qualität gefertigt und geprüft.
Alle ausgelieferten Messeinsätze werden auf die Einhaltung ihrer spezifizierten Eigenschaften geprüft. Ebenso wird die Qualität der Schweißverbindungen überwacht sowie die Einhaltung der eng tolerierten äußeren Abmaße. Der Widerstandswert jedes einzelnen Pt100-Messeinsatzes wird mindestens bei 0 °C gemessen, und anhand dessen wird eine Klassifizierung in die Toleranzklassen A oder besser gemäß IEC 60751 vorgenommen. Ebenso wird bei jedem Messeinsatz eine Bestimmung des Isolationswiderstandswertes sowie der Spannungsfestigkeit zwischen Anschlussleitungen und Metallmantel mit typischerweise ≥ 1000 V DC durchgeführt.
Alle diese Messwerte sind in Datenbanken abgelegt und für den späteren Käufer des jeweiligen Messeinsatzes über die Seriennummer transparent und jederzeit abrufbar. Natürlich sind alle jeweils verbauten Materialien und Komponenten mit Hinblick auf ihre Chargennummern dokumentiert und eindeutig rückverfolgbar.
Mit dieser neuen Generation von Pt100-Messeinsätzen übernahm Endress+Hauser nicht nur die Technologieführerschaft in diesem Bereich und setzte neue Maßstäbe, was die messtechnischen und mechanischen Eigenschaften von Thermometer-Messeinsätzen betrifft. Damit verbunden ist auch ein seit langem fälliger Paradigmenwechsel bei der Endress+Hauser Wetzer Fertigung, weg von der Manufaktur hin zu einer automatisierten Großserienfertigung auf hochtechnologischem Qualitätsniveau. Der jetzt vorgestellte itherm TS101 in Ø 6 mm für den Standard-Temperaturbereich ist dabei nur der erste Vertreter einer ganzen Familie von neuen Thermometer-Messeinsätzen, die auf dieser Technologie basieren werden.
Das Alpha und Omega des Messens
Um den Kreis wieder zu schließen: Auch wenn diese neuen Endress+Hauser Pt100-Messeinsätze überdurchschnittlich robust und langzeit-kennlinienstabil sind und das Vertrauen in ihre Qualität sicher sehr viel mehr rechtfertigen als andere, auf eine zyklische Überprüfung durch den Anwender, zumindest bei kritischen Messstellen, sollte auch bei ihnen nicht verzichtet werden. Selbst dann nicht wenn festgestellt wird, dass dieser Pt100-Messeinsatz in den letzten Monaten und Jahren nicht nennenswert gealtert ist und weiterhin unauffällig seine Hauptaufgabe erfüllt: die möglichst exakte Messung der Temperatur auch unter anspruchsvollen Prozessbedingungen.
Lesen Sie auch ein Interview mit Stefan Pistorius, Bereichsleiter Marketing bei Endress + Hauser zum Thema:
Stefan Pistorius, Endress + Hauser im Interview: Vom Messgerät zum Generalunternehmer