Anlagenbau & Prozesstechnik

Partikelmessungen nach neuer Vorgabe

Änderungen im Annex 1 des EC Guide

22.06.2011 -

Der in den reinraumtechnischen Fachkreisen berühmt - berüchtigte Annex 1 ist ein Anhang aus den „EU Guidelines to Good Manufacturing Practice Medicinal Products for Human and Veterinary Use", hier speziell für „Manufacture of Sterile Medicinal Products". Der Annex 1 wird in gewissen Zeitabständen überarbeitet. Die vorangegangene Überarbeitung trat im September 2003 in Kraft. Die aktuelle Version wurde im Februar 2008 veröffentlicht und ist seit März 2009 gültig.

Die Anwender von Reinräumen und deren Dienstleister sind schon immer gespannt, welche Neuerungen die EU-Kommission ausgearbeitet hat. In der aktuellen Version sind sowohl Grenzwerte als auch Vorgaben zur Messdurchführung geändert, was zu Änderungen in vielen SOP´s der Anwender und Dienstleister führt.
Im folgenden Beitrag wird ausschließlich auf die Auswirkungen in der Messtechnik und beim Monitoring eingegangen. Alle anderen Änderungen im Annex 1, die sonstige Themen der Reinraumtechnik betreffen, bleiben unberücksichtigt.
Die wesentlichen Änderungen im Hinblick auf die Messtechnik erfolgte durch die Veränderung der Grenzwerte der Partikelkonzentrationen bei 5µm und der jetzt zugelassenen Auswertung nach ISO 14644. Alle anderen Werte wie Luftgeschwindigkeiten im A-Bereich, Differenzdrücke zwischen den Reinheitsklassen und die Recoveryzeiten sind quasi gleich geblieben.

Erstqualifizierung, Requalifizierung und Monitoring
Bei der Durchführung von Messungen im Reinraum ist der Status des Raumes zu definieren. Die Qualifizierungsmessungen werden üblicherweise im Betriebszustand „at rest" durchgeführt. Die erstmalige messtechnische Qualifizierung erfolgt zur Übergabe von reinraumtechnischen Anlagen an den Nutzer. Sobald die Erstqualifizierung erfolgreich abgeschlossen wurde, werden regelmäßige wiederkehrende Requalifizierungsmessungen, üblicherweise einmal pro Jahr, durchgeführt. Davon unterscheidet sich das Routinemonitoring, das in jedem pharmazeutischen Reinraum in individuell definierten Zeitabständen erfolgt. Die in der ISO 14644-2 dazu empfohlenen Zeitintervalle sind für pharmazeutische Produktionen zu lang. Aus der Art der Nutzung und der damit einhergehenden Beeinflussung der Parameter eines Reinraums werden die Zeitintervalle für das Routinemonitoring abgeleitet. Lediglich für Sterilbereiche, also Klasse A, wird im Annex 1 die kontinuierliche Partikelmessung als auch die kontinuierliche Messung der Luftgeschwindigkeit während der Produktion gefordert.

Annäherung des Annex 1 an die ISO 14644
Erstmalig verweist der EC-Guide auf diese Normenreihe der Reinraumtechnik. Die ISO 14644 mit dem übergeordneten Titel „ Reinräume und zugehörige Reinraumbereiche" beinhaltet zwischenzeitlich 9 Teile. Teil 1, 2 und 3 sind im Rahmen der Messtechnik für pharmazeutische Reinräume von Bedeutung. Die 9 Unterteilungen nach Ihren Titeln:
1. Klassifizierung der Luftreinheit
2. Festlegungen zur Prüfung und Übereinstimmung zum Nachweis der fortlaufenden Übereinstimmung mit ISO 14644-1
3. Prüfverfahren
4. Planung, Ausführung und Erstinbetriebnahme
5. Betrieb
6. Terminologie
7. SD-Module (Reinlufthauben, Handschuhboxen, Isolatoren und Minienvironments),
8. Klassifikation luftgetragener molekularer Kontamination
9. Klassifikation der Oberflächen - Reinheit bezüglich Partikel

Teil 1 der ISO 14644 definiert die Reinheitsklassen. Bekanntermaßen gab es schon immer Diskrepanzen zwischen Grenzkonzentrationen der Reinheitsklassen der ISO Norm und des Annex 1. Von pharmazeutischem Interesse sind dabei lediglich die Partikelgrößen 0,5 und 5 µm.
Werden die Grenzkonzentrationen nach ISO 14644-1 berechnet, erfolgt dies mit Hilfe folgender Gleichung: Cn = 10N * (0,1/D)2,08. Die ISO spricht von der Vorgehensweise der Festlegung oder Bestimmung des Grads der Partikelreinheit der Luft, wobei der Grad in Form der ISO Klasse N ausgedrückt wird. D stellt den Partikeldurchmesser dar und die Potenz von 2,08 stellt die Steigung der Geraden dar.

Probenvolumen bei der Partikelmessung
Bei der letzten Revision des Annex 1 (2003) wurde das Probenvolumen je Reinraum mit einem Kubikmeter eingeführt. Hatte man z. B. fünf Messstellen war an jeder Messstelle ein Probenvolumen von 200 Litern zu erfassen. In der nun gültigen Fassung des Annex 1gibt es hierzu folgende Neuerung:
An Messpunkten der Klasse A muss an jedem Messpunkt ein Probenvolumen von einem Kubikmeter erfasst werden. Für die anderen Klassen (B, C und D) gib es keine Aussage. Dies kann so interpretiert werden, dass das Probenvolumen nach ISO 14644 - 1 berechnet wird.
Die ISO 14644 definiert das Probenvolumen [Vs] wie folgt:
Vs = (20/Cn,m) *1000, im Minimum jedoch mindestens 2 Liter bzw. 1 min. Probenahmezeit je Messpunkt. Dabei ist Cn,m die Grenzkonzentration bzw. Klassengrenze in Abhängigkeit der Reinheitsklasse und der zu betrachtenden Partikelgröße. Wird diese Berechnung auf die Reinheitsklassen ISO 5 bis ISO 8 angewendet ergibt sich die Darstellung von Diagramm 2.

Fazit zu den Vorgaben des Probenvolumens
Erwartet man wenige Partikel bei der Messung, ist es statistisch richtig ein großes Probenvolumen zu erfassen. Gegenüber der bisherigen Vorgabe von 1 m³ Probenvolumen für den gesamten Raum ist das Probenvolumen beim Raumzustand at rest der Klasse B an den Messpunkten sehr hoch.
Die Vorgabe des Probenvolumens von einem Kubikmeter bei Requalifzierungsmessungen in den A-Bereichen ist technisch nicht vertretbar. Ein funktionstüchtiger A-Bereich verfügt über keine signifikant messbare Partikelkonzentration bei 5 µm. Aus Erfahrung wird es schon schwierig, in einem Kubikmeter Probenvolumen 20 Teilchen von 0,5 µm zu erfassen. Diese Forderung ist unter dem Aspekt des Partikelnachweises sinnlos und erhöht die Probenahmezeiten. Unter dem Kostenaspekt einer Requalfizierung wirkt sich das negativ aus. Weder dem Betreiber des Reinraums noch dem Qualifizierer liefert das große Probenahmevolumen technisch mehr Information. Aus der Sicht des Autors wären größere Mindestprobenvolumina in den Reinheitsklassen C und D deutlich vorteilhafter, da man dadurch mehr Information zur Dynamik dieser Reinräume gewinnen würde.

Auswertung der Partikeldaten nach ISO 14644-1
Diese Art der Auswertung entstammt bereits den Zeiten des Federal Standard, so dass hier nicht näher darauf eingegangen wird. Viele pharmazeutische Reinraumanwender werden allerdings Ihre SOP´s dahingehend modifizieren müssen.
Der Autor wünscht, dass eine weitere Überarbeitung des Annex 1 im Bereich der Messtechnik erfolgt. Aus den seit vielen Jahren vorliegenden Erkenntnissen ließen sich die technischen Ungereimtheiten sinnvoll optimieren.
Anmerkung: Annex 1 ist im Gegensatz zu den ISO-Normen kostenlos als pdf - File zugänglich. http://ec.europa.eu/enterprise/pharmaceuticals/eudralex/vol-4/2008_11_25_gmp-an1.pdf

 

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