Nachhaltig erfolgreich mit nachwachsenden Rohstoffen
Verantwortung für die Lieferkette ist ein Wachstumstreiber bei Symrise
Symrise entstand im Jahr 2003 durch die Fusion der beiden Holzmindener Traditionsunternehmen Haarmann & Reimer und Dragoco. In den vergangenen zehn Jahren hat das Unternehmen seinen Umsatz mehr als verdoppelt und erwirtschaftete zuletzt 3,5 Mrd. EUR im Jahr 2020. Heute steht Symrise nicht nur für nachhaltiges Wachstum, sondern zählt laut dem aktuellen Rating der Non-Profit-Organisation Carbon Disclosure Project (CDP) auch weltweit zu den zehn führenden Unternehmen in puncto Nachhaltigkeit.
Andrea Gruß sprach mit CEO Heinz-Jürgen Bertram, warum Rückwärtsintegration nicht nur zu mehr Verantwortung in der Lieferkette führt, sondern auch zum Unternehmenserfolg beiträgt.
CHEManager: Herr Bertram, wie hat sich das Geschäft von Symrise seit Ihrem Amtsantritt als Vorstandsvorsitzender 2009 verändert?
Heinz-Jürgen Bertram: Als ich CEO wurde, waren wir ein traditioneller Aromen- und Duftstoffhersteller, die Nummer vier am weltweiten Markt. Uns war klar, nur guten Duft und guten Geschmack zu verkaufen, reicht auf Dauer nicht. Ohne Veränderung haben wir keine Zukunft. Daher haben wir bereits damals die Weichen gestellt und uns früh in die neuen Felder gutes Aussehen und gesundes Essen gewagt, zum Beispiel mit funktionalen, kosmetischen Wirkstoffen oder Probiotika. Später kamen durch Übernahme von Diana die Geschäftsfelder Heimtierernährung und Aqua, hinzu. Mehr als ein Drittel unseres Umsatzes erzielen wir heute in Geschäftsfeldern, die es bei meinem Amtsantritt vor über zehn Jahren noch nicht gab. Wir sind zum Vorreiter der Branche geworden. Viele unsere großen Wettbewerber wollen heute in Geschäftsfelder expandieren, in denen wir als erste aktiv waren. Der frühe Einstieg war ein wesentlicher Wachstumstreiber für uns. Ein zweiter Treiber war die Rückwärtsintegration. Als wir uns auf eine nachhaltigen Rohstoffproduktion konzentrierten, konnten wir das Wort Sustainability noch gar nicht richtig schreiben.
Heute sind Sie über die Branche hinaus dafür bekannt. Warum war dieser Schritt so wichtig für Ihren heutigen Erfolg?
H.-J. Bertram: Wir wollen die besten Produkte machen, dafür benötigen wir gute Rohstoffe. Viele Rohstoffe kommen jedoch aus Ländern, in denen Kinderarbeit praktiziert und die Umwelt zerstört wird. So stammen zum Beispiel 80 % der weltweiten Vanilleproduktion aus Madagaskar.
Um die Beschaffung natürlicher Vanille mit hoher Qualität und lückenloser Rückverfolgbarkeit zu gewährleisten, arbeiten wir seit vielen Jahren direkt mit Vanillebauern im Nordosten Madagaskars zusammen. Damit mehr Wertschöpfung aus der Vanilleproduktion vor Ort bleibt, haben wir dort 2014 eine Extraktionsfabrik gebaut. Alle Schritte der Verarbeitung von der Fermentation bis zur Extraktion der Vanille finden nun in Madagaskar statt. 10 % unserer Erträge in Madagaskar reinvestieren wir in Bildung und Ausbildung, Wiederaufforstung und den nachhaltigen Anbau verschiedener Agrarrohstoffe.
Davon profitieren mehr als 30.000 Menschen direkt und indirekt im Hinblick auf Einkommen, Gesundheit, Bildung und Ausbildung.
Bei allen Rohstoffen, die wir einsetzen, wollen wir die Landwirte und die Bedingungen kennen, unter denen sie erzeugt wurden – das gilt für die Banane aus Ecuador genauso wie für die Rote Beete aus Frankreich. Damit treffen wir im Jahr 2021 genau den Nerv.
…und erfüllen wahrscheinlich bereits die Vorgaben zu Sorgfaltspflicht in Bezug auf Menschenrechte und Umweltfreundlichkeit für Unternehmen, wie sie der Entwurf des neuen Lieferkettengesetzes vom Januar 2021 vorsieht?
H.-J. Bertram: Ja. Wir engagieren uns in der Initiative für nachhaltige Agrarlieferketten und haben bereits im Juli 2020 gemeinsam mit 33 anderen Unternehmen ein Statement unterzeichnet, in dem wir der Bundesregierung unsere Unterstützung für ein nationales Lieferkettengesetz sowie eine anspruchsvolle europäische Regelung zusagen.
„Verantwortung in der Lieferkette ist ein Trend,
der sich nicht mehr aufhalten lässt.“
Wir halten uns bewusst aus politischen Diskussionen zum Lieferkettengesetz heraus. Verantwortung für die Lieferkette ist für uns jedoch ein Teil der Überzeugung. Zudem ist es ein Trend, der sich nicht mehr aufhalten lässt. Dank Blockchain und anderer Technologien wird künftig transparent sein, wer was und von wem bezieht. Unternehmen, die das ignorieren, verlieren wertvolle Zeit.
Symrise bezieht über 10.000 Rohstoffe aus mehr als 100 Ländern, wie gewährleisten Sie bei dieser Vielfalt eine nachhaltige Beschaffung?
H.-J. Bertram: Für unsere wichtigsten Rohstoffe arbeiten wir direkt mit den Farmern zusammen, dazu zählen insbesondere Vanille und Zwiebel, aber auch Bananenpüree in Bioqualität, das für Babynahrung verarbeitet wird. Bei anderen Rohstoffen auditieren wir unsere Lieferanten. Zudem müssen sich unsere Lieferanten an unseren Verhaltenskodex halten, der neben vollständigen Angaben zur Rohstoffquelle auch Faktoren wie Menschenrechte, Gesundheit und Umwelt beinhaltet. Nur so können wir nachhaltig produzieren und voll umfänglich die Verantwortung für unsere Produkte übernehmen.
Inwieweit hat sich Ihre Rohstoffbasis in den letzten Jahren verändert?
H.-J. Bertram: Vor zehn Jahren war ein großer Teil unserer Rohstoffe noch mineralölbasiert. Heute trifft das nur noch auf einen Bruchteil zu, etwa 10 %. In mineralölbasierte Chemie investieren wir nicht mehr. Denn bei unserem Geschäft gibt es einen klaren Trend hin zu natürlichen Rohstoffen. In Europa werden zum Beispiel bei mehr als zwei Drittel der Aromen natürliche Rohstoffe eingesetzt, in den USA liegt der Anteil bei über 90 %, in Asien etwa bei einem Drittel. Für alle Regionen gilt: Tendenz steigend. Vor diesem Hintergrund macht es keinen Sinn mehr, nicht natürliche Produkte im Bereich Aromen zu entwickeln.
„In mineralölbasierte Chemie
investieren wir nicht mehr.“
Riechstoffe stellen wir zum Teil noch synthetisch her, zum Beispiel für Waschmittel. Denn hier wünschen unsere Kunden vor allem günstige Produkte. Trotzdem wollten wir auch hier die Natur bei der Herstellung vernünftig berücksichtigt wissen. Deswegen haben wir im Jahr 2017 das US-Unternehmen Pinova akquiriert, um unsere erdölbasierten Produkte auf erneuerbare Rohstoffe umzustellen. Palmöl war für uns keine nachhaltige Alternative. Wir setzen auf Holz als Rohstoff. Für die Papierherstellung wird viel Holz verbraucht. Es besteht im Wesentlichen aus zwei Bestandteilen: den Fasern, die die Papierindustrie nutzt, sowie den Harzen und Ölen, die die Fasern zusammenhalten, diese verwenden wir. Das Holz dafür kommt aus nachhaltig beforsteten und bewirtschaften Wäldern, in der Regel Nordamerika. Einer unserer Kunden brachte uns auf die Idee, uns als erste Firma für die nachhaltige Beforstung von Wäldern nach den Standards der Sustainable Forestry Initiativ zertifizieren zu lassen.
Welche weiteren Vorteile schafft die Rückwärtsintegration für Symrise?
H.-J. Bertram: Setzt sich der Trend zu natürlichen Rohstoffen weiter fort, müssen wir uns einen guten Zugang zu diesen Rohstoffen sicherstellen. Die Rückwärtsintegration ist daher nur zum Teil eine ethische Frage, sie sichert uns auch einen stabilen Geschäftsverlauf, insbesondere in Krisenzeiten. Da wir hier gut aufgestellt sind, waren wir stets lieferfähig während der vergangenen beiden Krisen.
Rückwärtsintegration ist übrigens ein Trend, der sich auch in anderen Industrien beobachten lässt: So fängt beispielsweise Apple an, eigene Chips zu produzieren und VW will in die Softwareproduktion einsteigen.
Welche Rolle spielt Kreislaufwirtschaft für Symrise?
H.-J. Bertram: Im Segment Nutrition, zu dem Diana und die kürzliche akquirierte ADF/IDF gehören, stellen Produkte aus Seitenströmen einen großen Teil des Umsatzes dar. Wir haben rund 40 verschiedene Materialien aus Lebensmittelproduktionen identifiziert, zum Beispiel ausgepresste Zwiebeln oder Hühnerknochen, aus denen wir werthaltige Produkte produzieren. Aktuell forschen wir an Bananenschalen. Sie werden bislang als Dünger in den Plantagen wiederverwendet. Wir suchen aktiv nach höherwertigen Anwendungen, zum Beispiel in dem wir die Ballaststoffe der Schalen gewinnbringend nutzen oder gesundheitsfördernde Polyphenole extrahieren.
Der wohl etablierteste Kreislauf ist die Mentholproduktion. Früher wurde ein Großteil des Pinienholzes als Reststoffe verbrannt. Heute wird mittels sogenannter grüner Chemie und katalytischer Prozesse nahezu der gesamte Rohstoff genutzt und so Abfallmengen drastisch reduziert.
Wirkt die Coronakrise aus Ihrer Sicht eher beschleunigend auf den Trend zu Nachhaltigkeit oder bremst sie ihn?
H.-J. Bertram: Corona ist ein Beschleuniger für viele Dinge, die sowieso gekommen wären, wie die Digitalisierung oder neue Geschäftsmodelle. Aus meiner Sicht ist es müßig darüber zu diskutieren, ging es durch Corona schneller oder nicht? Wichtig allein ist zu wissen: Nachhaltigkeit wird kommen, wir müssen uns danach ausrichten.
Wie wird sich der Wohlstand in Europa im Kontext der Nachhaltigkeitstrends entwickeln?
H.-J. Bertram: Er wird sich verändern. Ich vermag nicht zu sagen, ob unser Wohlstand sich verringern oder steigen wird. Ich halte die Aussage auch zum jetzigen Zeitpunkt für gegenstandslos. Es wird auf alle Fälle eine Herausforderung werden. Und Herausforderungen bieten Chancen für die, die sie sehen wollen. Und da wären wir gerne dabei.
Das Interview mit Heinz-Jürgen Betram führte Andrea Gruß, CHEManager
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