Anlagenbau & Prozesstechnik

Luftkeimzählung in Echtzeit

Autofluoreszenz-Systeme und ihre Anwendungsfehler

23.11.2010 -

Das Monitoring luftgetragener, keimbildender Organismen gehört zum klassischen Repertoire der pharmazeutischen Mikrobiologie. Als Diagnosewerkzeuge halten gegenwärtig Schnellmethoden Einzug in das aseptische Produktionsumfeld. Der Artikel beschreibt eine Methode zur Luftkeimzählung in Echtzeit mitsamt ihrer Grundlagen und den apparativen Aufbau. Anwendungsfelder werden ebenso diskutiert, wie die Abgrenzungen zur konventionellen Methodik.

Klassische Methoden und Pharmazeutische Regelwerke
Treibende Kraft hinter dem Mikrobiologischen Monitoring in der Pharmaindustrie sind die einschlägigen Standards. Den Produktionsalltag dominieren der FDA "Guidance for Industry, Sterile Drug Products" und der korrespondierende EU "Guide to Good Manufacturing Practice". Diese Dokumente beachten nur diejenigen Luftkeime, die noch zu einem Stoffwechsel fähig sind. Denn eventuell vorhandene Keime sind auf geeigneten Nährmedien zu sammeln und durch Bebrütung zu vermehren. Nach Abschluss der Vermehrungsphase werden die Bakterienkolonien ausgezählt und als sog. Colony Forming Units (CFU) ausgewiesen. Die EU/FDA Anforderungen an aseptische Produktionsbereiche sind streng. Für Grade A Bereiche (EU) respektive Critial Areas (FDA) werden weniger als eine CFU pro m3 Reinraumluft spezifiziert. Bei derartig engen Akzeptanzkriterien leuchtet es ein, dass eine mikrobiologische Bewertung schnellstmöglich vorliegen sollte. Leider liefert der konventionelle Weg zur CFU Bestimmung erst nach einigen Tagen verlässliche Zählergebnisse. Zudem bildet die Probenahme per Sedimentationsplatten oder aktivem Luftkeimsammler nur einen kurzen Zeitabschnitt der Fertigung ab.
Geschädigte oder inaktive Keime sind ebenso wenig erkennbar, wie mikrobiologische Systeme, die sich vom verwendeten Nährmedium nicht zur Vermehrung angeregt fühlen. Völlig illusorisch ist auch der Nachweis von Keimen, die vom physikalischen Prozess des Sammelns (z.B. Impaktion) geschädigt werden.
Insgesamt also Gründe genug für Mikrobiologen, sich Methoden zu wünschen, die eine mikrobiologische Luftbelastung vollständig und ohne Zeitverzug nachweisen. Mit der Verfügbarkeit neuer Laserlichtquellen erhalten die konventionellen Methoden nunmehr genau diese Ergänzung.

Die Vorstufe - Durchflusszytometrie
Zahlreiche biologische Systeme lassen sich gut mit kurzwelligem Licht energetisch anregen und reagieren mit Re-Emission von niederfrequenterem Licht. Dieser Fluoreszenz Effekt wurde auch bereits in der jüngeren Vergangenheit für mikrobiologische Analysen eingesetzt. In sog. Durchflußzytometern werden Fluoreszenzfarbstoffe durch Stoffwechselprozesse an Miroorganismen gekoppelt. Dieser Vorgang erfolgt grundsätzlich in wässriger Lösung. Die Kombination Organismus/Farbstoff gelangt in die Wechselwirkungs-zone eines oder mehrerer Laser. Während passive, nicht stoffwechselnde, Partikel lediglich Streulichtimpulse elastisch emittieren (emittierte Lichtwellenlänge entspricht eingekoppelter Lichtwellenlänge), verraten sich stoffwechselnde Organismen durch ein zusätzliches Fluoreszenzsignal. Damit repräsentiert die Durchflußzytometrie ein durchaus brauchbares Analyseverfahren zur Keimzahlbestimmung. Prinzipbedingt werden flüssige Proben nur mit einer vorhergehenden Probenaufbereitung analysiert. Auch dauert die Anbindung des Fluoreszenzfarbstoffes eine gewisse Zeit. Daher liegt eine typische Labormethode im diskontinuierlichen Betrieb vor. Um auch Reinraumluft - in Echtzeit - analysieren zu können, ist eine Erweiterung des Prinzips zum Verzicht auf Farbstoffe nötig.

Autofluoreszenz Methode
Die Methode basiert auf der Idee, charakteristische Moleküle eines Mikroorganismus zur selbstständigen Fluoreszenz anzuregen. Spektroskopische Detailanalysen ergeben, welche Schlüsselmoleküle mit möglichst einer einzigen Wellenlänge anzuregen sind. Beim vorgestellten Analyseverfahren werden NADH (ein Koenzym, an zellulären Stoffwechselreaktionen beteiligt) und Riboflavin (Vitamin B2; wichtig für Stoffwechselprozesse) als repräsentative Molekülarten in vegetativen Bakterien angeregt. Dekosa Pantaensäure (DPA - eine Fettsäure) emittiert ebenfalls Fluoreszenz und ist in Bakteriensporen zu finden. Die Fluoreszenz-Emissionskurven aller drei beschriebenen Moleküle überlappen sich interessanterweise in nahen UV und im violetten Spektralbereich. Daher liegt es nahe, zur Anregung der Fluoreszenz hochwertige Diodenlaser mit 405 nm Wellenlänge (violettes Licht) einzusetzen.

Apparativer Aufbau
Abbildung 1 zeigt schematisch den optischen Aufbau eines solchen Gerätes. Grundsätzlich sind Anleihen aus der Konstruktion von konventionellen Laser Streulicht Partikelzählern (OPC) erkennbar. Die Gasprobe wird durch dass Messgerät gesaugt und mittels Düsensystemen zur optimierten Wechselwirkungsgeometrie geformt.
Hauptunterschied zum konventionellen OPC ist die Verwendung eines recht kurzwelligen 405 nm Lasers und die Integration eines zweiten Nachweiskanals. Ein Sekundär Elektronen Vervielfacher (Photomultiplier) erfasst schwache Autofluoreszenz Signale der biologischen Luftbestandteile. Simultane Detektion elastischer und inelastischer Streuvorgänge erlaubt eine Erkennung und Größenklassifizierung biologischer Systeme. Das Auflösungsvermögen der Optik stellt sicher, dass Sporen und Bakterien darstellbar sind.
Als Hilfsinformation liefert die Erfassung von 405 nm Streulicht in Vorwärtsstreuung konventionelle Partikeldaten, deren Größenkanäle mit ISO 5 Reinräumen konform sind. Speziell der 5,0 um Partikelkanal kann die Interpretation von biologischen Zählergebnissen sinnvoll unterstützen. Der apparative Gesamtaufbau eines solchen Systems (Abb. 2) unterscheidet sich nicht wesentlich von dem eines konventionellen Partikelzählers.
Alle praktischen Erkenntnisse zur bestmöglichen Probenahme (isokinetische Probenahmesonde; BevALine Verschlauchung, Minimierung der Schlauchlängen, etc.) können für die neue Meßmethode übernommen werden.

Empfindlichkeit und der Vergleich mit konventionellen Methoden
Zunächst einmal detektiert ein Autofluoreszenz Luftkeimzähler konventionelle Luftkeime mit aktivem Stoffwechsel (klassische CFU's) und Luftkeime im Sporenstadium (potentielle CFU's). Darüber hinaus werden aber auch geschädigte und sogar abgetötete Luftkeime nachgewiesen, die konventionelle Nährmedien-Methoden unter keinen Umständen als CFU's erfassen. Jedem Mikrobiologen ist daher unmittelbar klar, dass die Zählergebnisse eines Autofluoreszenz Gerätes über denen einer konventionellen Nährmedienmethode liegen müssen. Auch führt der Umstand einer zeitlich lückenlosen Beobachtung, mit Auflösungen im Sekundenbereich, zu signifikant verbesserten Zählstatistiken. Autofluoreszenz Luftkeimzähler „sehen" deutlich mehr Ereignisse, als Verfahren, die auf Vermehrung mit anschließender CFU Zählung basieren. Ferner haben sie eine unvergleichbar bessere zeitliche Auflösung mit verbesserter Zählstatistik. Ein typisches Beispiel hierfür zeigt Abbildung 3.
Es verbleibt die wichtige Frage, wie diese Schnellmethoden in den betrieblichen Alltag zu integrieren sind.

Einsatzfelder
Fest steht zunächst, dass die Zählergebnisse der neuen Methode, denen aus konventioneller CFU Zählung massiv überlegen sind. Daher ist ein 1:1 Methodentausch nicht machbar - und auch nicht unmittelbar sinnvoll. Die klassischen Methoden sind fest in den pharmazeutischen Regelwerken verankert und sollten zunächst die Kommunikationsbasis mit den Überwachungsbehörden bleiben. Das Autofluoreszenzgerät wird nun der klassischen Methodik als mächtiges Diagnose- und Qualifizierungswerkzeug zu Seite gestellt. Bei auftretenden Problemen in der konventionellen Mikrobiologie wird die Schnellmethode zu Rate gezogen. Größere Messvolumina mit hoher statistischer Signifikanz lassen nicht nur Einzelprobleme sichtbar werden, sondern erlauben sogar ein stabiles Trending in Reinraumbereichen mit wenig Zählereignissen. Die Schnellmethode hilft dem Mikrobiologen, Problemen auf die Spur zu kommen oder sogar frühzeitig zu erkennen, daß sich die mikrobiologische Integrität einer aseptischen Produktion ungünstig zu entwickeln beginnt.

Ausblick
Mittels Autofluoreszenz Keimzählern können pharmazeutische Produktionsprozess lückenlos begleitet, auf Einzelereignisse und sogar Niveauverschiebungen begutachtet werden. Unverhältnismäßige Aktionen nach der Auszählung einzelner CFU's können damit in Zukunft vermieden werden oder können deutlich abgeschwächt ausfallen. Anwenderberichte zeigen, daß Autofluoreszenz Keimzähler ein wichtige Rolle bei der Erstqualifizierung von Produktionsanlagen übernehmen. Anwendungen im Bereich des kontinuierlichen GMP Monitoring und der Produktfreigabe (Stichwort Parametric Release) sind in der Vorbereitung und werden in kommenden Fachbeiträgen diskutiert.

Quellenangaben auf Anfrage beim Autoren erhältlich.

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