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Kunststoffe und Fußball

Wie Polymere den Fußballsport revolutionierten und welche Rolle Recycling heute spielt

12.06.2024 - Die Fußball-Europameisterschaft 2024 in Deutschland zeigt erneut, dass Materialien aus der Chemie wie Kunststoffe und Klebstoffe den Sport revolutioniert haben und künftig auch zu mehr Nachhaltigkeit beitragen.

Von Bällen, Schuhen und Trikots bis hin zu Trainingsanlagen und Stadien – Kunststoffe haben Sportarten wie Fußball maßgeblich verändert. Die polymeren Werkstoffe machen das Spiel dynamischer und ermöglichen in vielen Fällen erst die sportlichen und technischen Spitzenleistungen, auf die sich Fans bei Großereignissen wie der Fußball-Europameisterschaft 2024 freuen. Gleichzeitig rücken bei Vereinen und Fußballverbänden das Thema Nachhaltigkeit und dessen Aspekt der Kreislaufwirtschaft immer mehr in den Fokus. Das wirft die Frage auf: Wie eng sind Kunststoffe und Fußball verbunden – und wie muss sich der Fußballsport in Zukunft ändern, um eine funktionierende Kreislaufwirtschaft mit Kunststoffen zu ermöglichen? Doch blicken wir zunächst einmal zurück.

Stellen Sie sich vor, Sie betreten einen nassen, matschigen Fußballplatz, und Ihr Ball wird schwer wie ein Ziegelstein, während Ihre Schuhe sich anfühlen wie Betonklötze. In den frühen Tagen des Fußballs waren die Bälle aus Leder gefertigt, schwer und oft ungleichmäßig geformt, was das Spiel unberechenbar machte. Auch die Fußballschuhe waren aus Leder, robust, aber sehr schwer und starr. Schienbeinschoner, wenn damals überhaupt schon getragen, boten wenig Schutz.

Die Ära der synthetischen Materialien

In den 1960er Jahren, als Pelé die Fußballwelt begeisterte, begannen synthetische Materialien Einzug in den Sport zu halten. Die 1970er und 1980er Jahre brachten weitere Innovationen mit sich. Die Bälle wurden leichter und aerodynamischer, und der Fußballsport wurde technologischer.

Der Durchbruch kam bei der Weltmeisterschaft 1986 in Mexiko mit dem ‚Azteca México‘, dem ersten komplett aus synthetischen Materialien hergestellten Spielball. Dieser Ball, dessen Kunstleder aus Polyurethan (PU) und Polyvinylchlorid (PVC) bestand, prägte eine neue Ära, denn er ermöglichte ein präziseres und schnelleres Spiel.

In den 1990er und 2000er Jahren setzte sich dieser Trend fort. Die WM 2006 in Deutschland brachte nicht nur ein Sommermärchen, sondern auch einen einzigartigen Ball, der mit minimalen Nähten und aus innovativen Materialien gefertigt wurde, um eine perfekte Rundheit und ein konsistentes Spielverhalten zu gewährleisten.

Wurden die Turnierbälle früher genäht, werden die heute aus thermoplastischem Polyurethan (TPU) bestehenden Bälle schichtweise geklebt. So verbindet u.a. eine Klebeschicht das textile Substrat der Außenhülle des Balls mit den oberen Schichten.

Darüber liegt eine etwa 1 mm dicke Polyurethan-Schaumschicht aus Millionen gasgefüllter Mikrokugeln. Dieser Schaum ist hochelastisch, so dass der durch einen Tritt verformte Ball sofort wieder in seine Ursprungsform zurückkehrt. Dadurch ist eine optimale Flugbahn gewährleistet. Die Außenhaut besteht aus zwei Polyurethanschichten und einer Zwischenschicht aus einem EPDM-Kautschuk (Ethylen-Propylen-Dien-Monomer), die für die Beständigkeit gegen äußere Einflüsse und Abrieb sowie für die hohe Elastizität des Balls sorgen und ein optimales Abprallverhalten des Balls beim Spiel unterstützen.

Aufgrund der so entstehenden nahtlosen Oberfläche ist der Ball maximal abriebfest und nimmt bei Regen weniger Wasser auf. Durch die innovativen Materialtechnologien haben die Fußbälle seit dem Beginn der modernen Ballentwicklung immer bessere Spiel- und Flugeigenschaften erhalten und den Sport revolutioniert.

Der offizielle Spielball für die Fußballeuropameisterschaft 2024 in Deutschland heißt ‚Fußballliebe‘ und kommt erneut von Adidas.

 

Schuhe aus Kunstledermachen das Spiel eleganter

Parallel dazu entwickelten sich auch die Fußballschuhe weiter. Auch im Fußballschuh steckt heute jede Menge Kunststoff- und Klebstoff-Know-how. Hersteller begannen, leichtere Kunststoffe in di e Sohlen und Stollen zu integrieren. Seit 1973 mussten austauschbare Stollen aus Leder, Gummi, Aluminium oder ähnlichem Material bestehen, während Sohlen mit festangebrachten Stollen auch aus Kunststoff, Polyurethan oder ähnlichen weichen Materialien hergestellt werden konnten. Diese neuen Materialien reduzierten das Verletzungsrisiko und machten die Schuhe flexibler und bequemer, was den Spielern auf dem Feld mehr Beweglichkeit und Geschwindigkeit verleiht.

Seit der Europameisterschaft 2016 wurden mehr als zwei Drittel der erzielten Tore mit Fußballschuhen geschossen, die eine Sohle aus einem Polyetherblockcopolyamid haben – einem Materials, dessen Vorteile sich in drei Worten zusammenfassen lassen: Leichtigkeit, Elastizität und Energierückführung.

Auch die Obermaterialien der Schuhe wurden verbessert, mit synthetischen Stoffen, die den Ballkontakt optimierten und gleichzeitig wasserabweisend waren. Im Profifußball tragen Spieler heute meist Schuhe aus leichtem Kunstleder und die Sohlen bestehen meist aus robusten Hochleistungskunststoffen, die mit Hightech-Klebstoffen nahtlos mit dem Obermaterial verbunden sind. Die neue Schuhgeneration mit reduziertem Gewicht bietet aufgrund der im Zusammenspiel von Material und Design erreichten Kombination aus hoher Festigkeit und Elastizität einen erhöhten Tragekomfort, bessere Ballkontrolle – perfekt für schnelles Dribbeln und kraftvolle Schüsse. Und schwarze Fußballschuhe, wie sie früher Standard waren, sieht man heute selten. Immer bunter wird die Fußbekleidung, auch dies dank Kunststoff. Musste man früher verschiedenfarbige Teile wie die Schuhschäfte und die Markenzeichen der Hersteller – bspw. Puma‘s Formstrip, Nike‘s Swoosh oder die drei Streifen von Adidas – mühsam vernähen, werden die Materialien heute einfach mit Mustern bedruckt. Auch neue 3D-Drucktechnologien eröffnen beim Design und bei der verbesserten Leistungsfähigkeit von Sportausrüstung neue Perspektiven.

Synthetische Fasern in der Sportbekleidung

Eine weitere große Veränderung kam mit der Einführung von synthetischen Fasern in der Sportbekleidung. Erinnern Sie sich noch an den Geruch und die Haptik von durchnässten Baumwolltrikots? Heute tragen Spieler moderne Polyestertrikots, die Feuchtigkeit ableiten und auch an den heißesten Spieltagen trocken halten. Diese neuen Trikots und Hosen sind leichter, trocknen schneller und sind im Vergleich zu den Baumwoll-Leibchen aus der Vergangenheit deutlich angenehmer zu tragen.

 

Kunststoffe im Stadionbau

Auch die Stadien profitierten von den neuen Materialien, insbesondere bei der Verkleidung und den inzwischen bei neuen Arenen zum Standard gewordenen oft sehr aufwändigen, tragenden Dachkonstruktionen, welche die Zuschauer und Spieler vor Regen, Wind und Sonne schützen sollen. Zuschauer sitzen heute meist auf leichten und robusten Kunststoffsitzen, die witterungsbeständig und schwer entflammbar sind und selbst im Fall von Vandalismus einfach ersetzt werden können. In einigen Stadien sind die Stadionsitze zudem beschichtet, so dass sie noch resistenter gegen Feuer sowie wasserabweisend sind oder sich in der Sonne langsamer aufheizen. Auch bei der modernen Stadiontechnik wie den elektronischen Displays und Videowalls spielen Kunststoffe wie überall in der Informations- und Kommunikationstechnik eine wesentliche Rolle.

Eine weitere Innovation mit Kunststoff sorgt für die dringend notwendige Steigerung der Strapazierfähigkeit des Rasens. Seit den 1960er Jahren wurden Kunstrasenplätze im Fußball immer beliebter, insbesondere im Amateurbereich, da sie ein gleichmäßiges Spielerlebnis ermöglichen und weniger Wasser und Pflege als Naturrasen benötigen. In einem Hybridsystem werden die Vorzüge des robusten, aber bei Spielern unbeliebten Kunstrasens mit den angenehmen Spieleigenschaften des Naturrasens kombiniert.

Kunstrasenfasern, in der Regel aus Polyethylen (PE), werden so in Naturrasen implantiert, dass die Graswurzeln mit den Synthesefasern verwachsen. Es entsteht die Basis eines robusten Hightech-Spielfelds, das mindestens dreimal häufiger bespielt werden kann als üblicher Sportrasen. Ein typischer Kunstrasen hält etwa 12 bis 15 Jahre und muss danach fachgerecht entsorgt werden. Die Entsorgung ist allerdings sehr aufwändig, da der Kunstrasen aus verschiedenen Materialien besteht – neben dem Kunststoff für die Fasern werden z. B. Sand oder Gummigranulat aufgebracht, um den stumpfen Kunstrasen besser bespielbar zu machen. Deshalb wird Kunstrasen bislang meist thermisch verwertet. Da auch im Fußball das Bewusstsein für Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft zunimmt, gibt es jedoch auch hier Bemühungen, bessere Sortier- und Aufbereitungsverfahren zu entwickeln, um die verschiedenen Materialien leichter voneinander zu trennen, oder Kunstrasen bereits von Beginn an so zu entwerfen, dass er sich optimal trennen und recyceln lässt.

Kreislaufwirtschaft im Fußball

Das Beispiel mit dem Kunstrasen zeigt, vor welchen großen Herausforderungen der Fußballsport noch steht, trotz des wachsenden Bewusstseins für Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft. Einige Sportartikelhersteller wie Puma und Adidas haben mittlerweile damit begonnen, Rücknahmeprogramme für alte Ausrüstungen anzubieten, um abgenutzte Trikots und Accessoires zu recyceln. Das Polyester, das in diesen Produkten verwendet wird, kann gut recycelt und zu neuen Fasern verarbeitet werden. Die offiziellen Trikots der deutschen Nationalmannschaft für die Fußball-Europameisterschaft 2024 bestehen bspw. nach Angabe des Herstellers bereits zu 100 % aus recyceltem Polyester. Anders sieht es jedoch bei Fußbällen oder Fußballschuhen aus, die schwieriger zu recyceln sind, da sie meist aus mehreren Kunststoffen bestehen, die fest miteinander verklebt sind. Es gibt jedoch auch hier vereinzelt Initiativen, um gebrauchte Schuhe und Bälle zu sammeln und wiederzuverwenden oder sie für andere Zwecke aufzubereiten. Doch diese Initiativen stecken bislang noch in den Kinderschuhen. Immer mehr Kunststofferzeuger und verarbeiter beliefern die Sportartikelhersteller inzwischen mit – wenigstens zum Teil – biobasierten oder recycelten Materialien.
 

Ein Blick in die Zukunft

Um eine Kreislaufwirtschaft im Fußball zu erreichen, müssen sich viele Dinge ändern. Sportartikel sollten von Anfang an so hergestellt werden, dass sie möglichst wenig Material verbrauchen, lange halten, leicht reparierbar sind, einen hohen Rezyklatanteil haben und sich am Ende ihrer Nutzungsphase leicht recyceln lassen. Ein gutes Beispiel für zirkuläres Produktdesign sind Trikots aus Monomaterial, die einfach mechanisch recycelt werden können. Außerdem könnten Hersteller und Vereine zunehmend Rücknahmesysteme einführen, damit Fans und Spieler ihre alten Sportartikel gesammelt zurückgeben können, sofern sie sie nicht mehr brauchen. Einige Hersteller, wie die Schweizer Firma On, experimentieren zudem mit zirkulären Geschäftsmodellen. Über den Online-Shop von On ist es möglich, Sportausrüstung über ein Abomodell zu leihen und sie nach ihrer Nutzung zurückzugeben.

Sofern es, wie bei Fußballschuhen und Fußbällen, nicht so einfach möglich ist, auf leicht recycelbares Monomaterial auszuweichen, sollten die Hersteller und Vereine zumindest versuchen, den CO2-Fußabdruck des Produkts zu verbessern, bspw. indem der Anteil von Materialien aus fossilen Rohstoffen reduziert wird und durch Kunststoffe aus Biomasse oder chemisch recycelten Materialien ersetzt wird. All diese Maßnahmen könnten in der Kombination dazu beitragen, dass wir auch weiterhin – wie bei der Europameisterschaft 2024 – Fußball auf höchstem Niveau zu sehen bekommen und gleichzeitig sicher sein können, dass der Sport seinen Beitrag zur Kreislaufwirtschaft leistet. Denn Fußball, wie auch die meisten anderen Sportarten wären ohne den Einsatz von Kunststoffen zumindest mühsamer, oft langweiliger und mit Sicherheit schädlicher für eine nachhaltige Entwicklung unserer Gesellschaft.

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