Die sieben OpEx-Todsünden
Misserfolge auf dem Weg zur Operational Excellence vermeiden
Kaum ein Unternehmen in der Prozessindustrie kommt auf dem Weg zur Operational Excellence ohne Programme zur kontinuierlichen Verbesserung aus. In mehr als zwei Dritteln der Fälle enttäuschen jedoch die Resultate. Was ist die Ursache für diese schlechten Ergebnisse?
Bereits seit mehr als 20 Jahren begleiten wir als Dienstleister und Berater ambitionierte Betriebe auf ihrem Weg zu Operational Excellence, was uns zugleich ermöglicht hat, die DNA des Erfolges zu entschlüsseln. In den vergangenen Monaten haben wir intensiv reflektiert, welche Ursachen hinter den enttäuschenden Programmen stecken. Dabei kamen wir auf sieben typische und immer wiederkehrende Auslöser: die sieben OpEx-Todsünden.
1. Führungsvakuum
Häufig hören wir von Führungskräften den Satz „…wir setzen klare Ziele für die OpEx-Programme und stellen Ressourcen zur Verfügung, dann muss die Organisation liefern“. An diesem Punkt ist Vorsicht geboten: Natürlich ist eine klare Formulierung der Ambition eines Programms Führungsaufgabe, die Führungsverantwortung endet allerdings nicht an diesem Punkt.
Es ist zwingend notwendig, dass sich Führungskräfte ihrer Vorbildfunktion bei einer Transformation gewahr sind. Diese Rolle kann nicht an Stabstellen, Fachabteilungen oder Junior-Manager delegiert werden. Genauso wichtig, und leider oft vernachlässigt, ist das Zollen von Anerkennung und Aufmerksamkeit für gewünschte Verhaltensanpassungen. Werden hier Verantwortungen und Aufgaben abgegeben, verlieren OpEx-Programme schleichend an Wirkung und verkümmern!
Wir erleben leider sehr häufig, dass Führungskräfte nach der Startphase eines Programms die Steuerung eines Projekts abgeben, da sie dieses vermeintlich einfach delegieren können. Die dauerhafte Beteiligung der Führung ist allerdings von essentieller Notwendigkeit für den Erfolg eines Programms.
Aus unserer Erfahrung ist eine fehlende Steuerung und Beteiligung von Seiten der Führung und die oft damit verbundene „Results only“-Orientierung eine der häufigsten Gründe für die mangelnde Wirkung von OpEx-Vorhaben in der Prozessindustrie.
2. Fehlende Wertverbindung
Ziel von allen OpEx-Vorhaben ist, synchronisierte und systematische Vorgehen im Unternehmen zu etablieren, die kontinuierlich und dauerhaft einen spürbaren Mehrwert liefern. Die Ambitionen und Erwartungen an die Programme können unterschiedlich ausfallen, aber gleich ist allen eines: Die positive Rückzahlung des investierten Aufwands ist die übergreifende Konstante in der OpEx-Philosophie!
Einen „Return on Continuous Improvement“ (ROCI) zu generieren ist daher Pflicht. Sollte ein OpEx-Programm diese Vorgabe nicht erfüllen, dann verursacht es selbst Verschwendung und wird damit zum Teil des Problems und nicht der Lösung! Meist sind die Programme zu Beginn sehr klar auf gewisse Ziele und Themen ausgerichtet, entfernen sich aber mit der Zeit schleichend von dieser klaren Ausrichtung.
Es gehört zur Pflichtübung, eine direkte und quantifizierbare Verbindung zwischen den OpEx-Aktivitäten und den Werttreibern des Unternehmens herzustellen. Die Investitionen in ein OpEx-Programm müssen sich klar und transparent darstellen lassen – dabei ist es egal, welcher Art die Investitionen sind. Der investierte Zeitaufwand muss sich ebenso wiederfinden wie die sonstigen Ausgaben.
Eine fehlende Verbindung zwischen OpEx-Programm und Werthebel des Unternehmens kann lange Zeit unbemerkt bleiben. Es geht sogar so weit, dass viele Unternehmen sehr aufwändige und ausgeklügelte Instrumente installiert haben, um die Effekte der OpEx-Aktivitäten zu erfassen und zu verfolgen. In den seltensten Fällen gibt es allerdings eine Verzahnung zwischen den erfassten Ergebnissen im OpEx-Tracker und den finanziellen Instrumenten der Firma. Diese Scheinwelt wird als Schutzschild für hinkende Programme genutzt und lenkt von der Wirklichkeit ab.
„OpEx-Programme gedeihen nur auf einer Unternehmenskultur, die Teamarbeit und die Einbeziehung aller Mitarbeiter honoriert.“
3. Kulturelle Vernachlässigung
Wir erleben oft OpEx-Programme, die starken Schwankungen unterliegen und sich dadurch auszeichnen, dass sie trotz anfänglicher positiver Effekte keinen dauerhaften Fortbestand erfahren. Nachhaltigkeit und Performance der Verbesserungsprogramme sind dabei von verschiedenen Faktoren abhängig, die unterschiedlich stark auf sie einwirken. Ist man selbst Teil des Verbesserungsprozesses, so ist der neutrale Blick von oben schwierig. Eine Ursachenfindung erscheint fast aussichtslos.
In unseren Projekten gehen wir daher immer wieder der Frage nach, was die Gründe für auftretende Irritationen sein können. Wirft man einen Blick auf die Top-Challenges von OpEx-Programmen, so sticht ins Auge, dass über dreiviertel aller Organisationen einen fehlenden Kulturwandel zu ihrer Top-Challenge erklären. Nur wenn jeder Mitarbeiter in der Organisation seine Rolle annimmt und verantwortungsvoll ausfüllt, kann sich eine neue Unternehmenskultur entwickeln, die für das tägliche Handeln maßgeblich ist und Verbesserungsprozesse unterstützt. OpEx-Programme gedeihen nur auf einer Unternehmenskultur, die Teamarbeit und die Einbeziehung aller Mitarbeiter honoriert – sie verwelken, wenn nicht alle Ebenen der Firma gemeinsam am Prozess arbeiten. Ohne eine Kultur für Kontinuierliche Verbesserungsprozesse (KVP) werden Verbesserungsprogramme nie ihr volles Potenzial entfalten können.
4. Methodeninflation
Eine schier unendliche Methodenvielfalt zur Prozessoptimierung hat zur Folge, dass sich viele Entscheider freizügig aus dem Methodenkoffer bedienen und mit einer wahren Methodeninflation an ihre Mitarbeiter herantreten. Dies führt dazu, dass sich die Mitarbeiter von der Vielzahl der angewandten Methoden regelrecht überrannt fühlen. Anstatt sich zu fokussieren und eine klare Problem- und Methodenanalyse vorzunehmen, wird die Fülle der Methodenmöglichkeiten durchlaufen. Zum anderen werden neue Problemstellungen häufig in die einmal gewählte Methodenauswahl hineingepresst. Bekannte Methoden werden dann so lange gequält, bis auch das letzte Problem in den schon ausgesuchten Rahmen passt – ganz nach dem bekannten Sprichwort „was nicht passt, wird passend gemacht“.
Die Herausforderung für Entscheider besteht daher darin, die geeigneten Methodenwerkzeuge in einer übersichtlichen Anzahl für die jeweilig festgelegte Zielvorgabe zu wählen. Wir empfehlen eine gezielte Auswahl an passgenauen Methoden, die den Aufbau einer künstlichen Komplexität vermeidet und dabei doch nie den Anspruch ständiger Optimierung aus den Augen verliert.
5. Anerkennungsdefizit
Anerkennung ist eines der wichtigsten Werkzeuge der Mitarbeiterbindung. Bereits seit Jahren sammeln sich zu diesem Thema Vorträge, Fachartikel und Ratgeberseiten, doch nur den wenigsten ist tatsächlich bewusst, welchen direkten Einfluss dieses Verhalten insbesondere auf den Erfolg von Verbesserungsprogrammen hat.
Ein Anerkennungsdefizit lässt das Motivationsniveau der Belegschaft für Verbesserungsprogramme systematisch und stetig abkühlen. Dies wiederum beeinträchtigt die Ergebnisse der Programme im negativen Sinne. Mitarbeiter verlieren die Motivation und bringen sich immer weniger aktiv ein. Dies kann sich bis zu einer ablehnenden Haltung gegenüber Verbesserungsprogrammen entwickeln. Mitarbeitern Anerkennung entgegenzubringen ist maßgeblich für den Erfolg von OpEx-Programmen.
Eine besondere Möglichkeit, um Mitarbeitern Wertschätzung zu bekunden, sind Incentives. Die Suche nach einem Event, das herausragenden Mitarbeiten von Verbesserungsprogrammen Anerkennung zollt und gleichzeitig das Teamgefüge stärkt, war bspw. die Geburtsstunde unserer jährlich stattfindenden Lean Challenge.
„Viele Unternehmen haben sehr ausgeklügelte Instrumente installiert, um die Effekte der OpEx-Aktivitäten zu erfassen.“
6. Programmstarrheit
Flexibilität, Agilität und Anpassungsfähigkeit sind An- & Herausforderungen, auf die auch die OpEx-Programme Antworten und Lösungen finden müssen. Zahlreiche Programme erfüllen nur in den ersten Jahren die Erwartungen und bleiben danach oft dahinter zurück. Das Programm selbst liefert in der Regel keinen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil, da das dynamische Umfeld nicht als Chance verstanden wird und die Anpassungsfähigkeit zu träge ist. In der Folge ist die Leitagenda und die Inhalte der OpEx Programme oftmals zu statisch und teilweise auch aus der Zeit. Damit trägt die Programmstarrheit zum Verlust der Relevanz dieser Programme bei und ist damit nicht mehr Teil der Lösung, sondern Teil des Problems.
7. Versteckte Organisation
Oft werden künstliche Organisationen geschaffen, die nicht Teil des Tagesgeschäfts und/oder nicht in den operativen Prozessen integriert sind. Führungskräfte delegieren OpEx-Aktivitäten in ausgelagerte Abteilungen. In der Folge machen dann einige wenige die kontinuierliche Verbesserungsarbeit des Kollektivs.
Um Veränderungen anzustoßen und sie insbesondere nachhaltig zu etablieren, sollte die Rolle und die Identität der OpEx-Organisation, als Multiplikatoren im Sinne der kontinuierlichen Verbesserung, entsprechend gelebt werden. Damit gelingt es, diese spezifischen Fertigkeiten und Fähigkeiten punktuell zur Anwendung zu bringen, aber im Schwerpunkt durch „Hilfe zur Selbsthilfe“ für eine Ausbreitung dieser KVP-Kompetenzen im operativen Tagesgeschäft zu sorgen.
Fazit
Um Misserfolge auf dem Weg zur Operational Excellence zu vermeiden, sollten Unternehmen die sieben Todsünden in OpEx-Programmen sorgsam vermeiden. Mit Benchmarking und branchenübergreifenden Vergleichen in der OpEx-Community lassen sich die Ergebnisse von OpEx-Programmen zudem messen. Mit unserem OpEx-Index analysieren wir, in welchen Bereichen die größten Wertbeiträge geliefert werden, wo Führungskräfte die größten Herausforderungen in den nächsten Jahre sehen, wie OpEx-Programme ausgerichtet werden müssen, um den höchsten Impact zu haben, aber auch, warum fehlende Verbindungen zwischen OpEx-Programmen und den Werthebeln des Unternehmens oft lange Zeit unbemerkt bleiben können.
Autor:
„Anerkennung ist eines der wichtigsten Werkzeuge der Mitarbeiterbindung.“