CABB setzt auf flexible Produktion in Pratteln
Standortleiter Dr. Frank Krückel im Interview über CABBs Rolle als strategischer Partner und Zulieferer
Pratteln in der Schweiz ist der größte Produktionsstandort des Spezialchemieunternehmens CABB. Dort werden ausgehend von Chlor und Schwefel in einem integrierten Verbundsystem Reagenzien, Zwischenprodukte und höher veredelte Folgeprodukte hergestellt. Das Werk kann in diesem Jahr auf eine 100jährige Geschichte zurückblicken. Bereits im Jahr 1917 wurde die Säurefabrik Schweizerhall von der Chemischen Fabrik Schweizerhall, der späteren Ciba, Sandoz, Geigy und der Chemischen Fabrik Uetikon gegründet. Bis 2004 blieb das 2001 in SF-Chem umbenannte Unternehmen im Besitz von Clariant und Syngenta, dann übernahm es Capvis. 2007 wurde es in die Spezialitätenchemie-Gruppe CABB integriert. CHEManager befragte Dr. Frank Krückel, Standortleiter des Werks in Pratteln, zu den Besonderheiten des Standorts und der geplanten Weiterentwicklung.
CHEManager: CABB betreibt Produktionsstätten in Deutschland, der Schweiz, Finnland, China und Indien. Wodurch zeichnet sich insbesondere der Schweizer Standort Pratteln aus?
Dr. F. Krückel: Der Standort Pratteln gehört gemeinsam mit dem finnischen Standort Kokkola zum Geschäftsbereich Custom Manufacturing. Dieser Geschäftsbereich entwickelt und optimiert in enger Partnerschaft mit den Kunden einzelne Schritte in deren Wertschöpfungskette zur Synthese von Pflanzenschutzmitteln, aber auch anderen anspruchsvollen, in der Regel patentgeschützten chemischen Produkten.
Während in Kokkola überwiegend lange Kampagnen in großen Reaktoren laufen, sind Prattelns Mehrzweckanlagen auf die flexible Produktion wechselnder Chargen in unterschiedlichen Mengen spezialisiert.
Den Schweizer Standort zeichnen insbesondere das komplexe Verbundsystem, ein hoher Automatisierungsgrad, effektive Recyclingprozesse und eine sehr gute Anbindung an Transportwege aus. Hinzu kommen die zahlreichen Nachbarfirmen im Bereich Schweizerhalle, mit denen wir uns sehr effizient Infrastruktur wie Abwassersystem, Gleise, Dampfversorgung und dergleichen teilen.
Erst im November 2016 haben Sie in Pratteln eine neue Chlor-Elektrolyseanlage in Betrieb genommen. Welche Bedeutung hat diese Investition für den Standort?
Dr. F. Krückel: Mit rund 50 Mio. EUR war die neue Elektrolyseanlage in Pratteln die bislang größte Einzelinvestition der CABB überhaupt. Chlor ist der wichtigste Rohstoff für die in Pratteln durchgeführten Synthesen.
Die neue Anlage hat das zuvor verwendete Amalgamverfahren durch die neueste Generation des Membranverfahrens ersetzt. Damit ist kein Einsatz von Quecksilber mehr nötig, zudem ist der Energieverbrauch um etwa ein Drittel gesunken. Wir verfügen damit über die weltweit energetisch effizienteste Anlage. Ein weiterer Aspekt: Die erhöhte Kapazität macht uns von Chlortransporten praktisch unabhängig.
All diese Punkte machen die neue Elektrolyse zu einem zentralen Baustein der Zukunftsstrategie für den Standort Pratteln.
Wie ist der Stoffverbund am Standort strukturiert? Welche Produkte aus der Anlage verbrauchen Sie selbst, was geschieht mit den anderen Produkten?
Dr. F. Krückel: In Pratteln sind wir bis auf die Grundstoffe Kochsalz und Schwefel rückwärtsintegriert. Hieraus gewinnen wir die Schlüsselrohstoffe Chlor und Oleum, die wir zu unseren Basisreagenzien wie DMS, Thionylchlorid oder Chlorsulfonsäure weiterverarbeiten. In den weiteren Reaktionsstufen und Kundensynthesen wird HCl und SO2 frei, das wir in unserem Recyclingprozess zu 100% aufarbeiten. Von den 570.000 t/a Ausgangsprodukten verarbeiten wir über die Hälfte selbst.
Wie beurteilen Sie die Standortbedingungen insbesondere bei Steuern sowie Personal- und Energiekosten in der Schweiz? Wo hoffen Sie auf Verbesserungen?
Dr. F. Krückel: Die Standortbedingungen in der Schweiz sind im Allgemeinen positiv und wirtschaftsfreundlich. Unternehmen und öffentliche Institutionen verstehen sich als Partner – das spürt man zum Beispiel bei der Bearbeitungszeit von Anträgen oder bei der Abstimmung von großen Investitionsentscheidungen. Dazu kommt die sprichwörtliche Schweizer Präzision und Verlässlichkeit, die gerade bei kundenspezifischen Produkten wichtig ist. Die dafür nötigen gut ausgebildeten Arbeitskräfte finden wir in der Region.
Auch steuerlich sind wir in der Schweiz und speziell im Kanton Baselland gut positioniert – obwohl die Ablehnung der Unternehmenssteuerreform beim Referendum im Februar natürlich ein Dämpfer war.
Dem gegenüber stehen die hohen Personalkosten. Um damit wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen wir eine ebenfalls stark überdurchschnittliche Produktivität sicherstellen. Auch die massive Aufwertung des Frankens seit Januar 2015 stellt nicht gerade eine Unterstützung dar.
Wir begegnen den Herausforderungen mit laufender Prozessoptimierung und weiterer Automatisierung. So stellen wir zum Beispiel, wo immer das möglich und wirtschaftlich sinnvoll ist, von Batch-Verfahren auf kontinuierlichen Betrieb um.
Welche Rolle spielt Forschung & Entwicklung am Standort Pratteln und wie stellt sich im Vergleich mit anderen Standorten die Forschungsförderung in der Schweiz dar?
Dr. F. Krückel: Die Entwicklung spielt hier traditionell eine große Rolle und wird perspektivisch noch wichtiger. Dafür gibt es vor allem zwei Gründe: Zum einen stellt unsere Spezialisierung auf die flexible Produktion besonders hohe Anforderungen an Bereiche wie Innovation und Prozess-Engineering; zum anderen binden uns Kunden immer früher in ihre Innovationsprozesse ein – mit dem Ergebnis, dass wir zunehmend größere Teile der Entwicklungsarbeit übernehmen.
Wie wird sich Ihrer Meinung nach das Marktumfeld für Unternehmen wie CABB in den nächsten Jahren entwickeln?
Dr. F. Krückel: Mit dem Geschäftsbereich Custom Manufacturing, für den ich tätig bin, ist CABB ein strategischer Partner aller großen Agrochemieproduzenten und Zulieferer wichtiger Unternehmen in den Bereichen Pharmazeutik und Spezialchemie.
Insbesondere in der Agrochemie erwarten wir nach zwei eher schwachen Jahren im Markt ab 2018 eine Erholung. Die Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung lässt sich ohne intelligente und innovative Lösungen zum Pflanzenschutz nicht sicherstellen.
Gleichzeitig benötigen die Großkonzerne, die im Agrobereich durch die aktuellen Fusionen entstehen, verlässliche Partner mit dem entsprechenden Know-how und den Produktionskapazitäten.
CABB ist auf all diesen Feldern gut aufgestellt und investiert weiter erhebliche Summen in den Ausbau seiner Mehrzweckanlagen, weshalb wir für die kommenden Jahre sehr optimistisch sind.