Boston Consulting Group: Supply-Chain-Organisation optimiert in sieben Schritten
Supply Chain: Konzentration auf Zusammenarbeit zwischen Business und Operations
Auch in der Chemieindustrie ist viel von Supply-Chain-Management die Rede. Bei manchen Unternehmen, weil die Supply-Chain-Kosten, also vor allem die Kosten für Transport und Lagerung, einen erheblichen Anteil an den Gesamtkosten ausmachen. Bei anderen Unternehmen, weil differenzierte Marktzugänge und hohe Leistungsfähigkeit in der Belieferung einen wesentlichen Wettbewerbsfaktor darstellen. In beiden Fällen stehen jedoch vorrangig prozessuale Fragen im Mittelpunkt: Wie lassen sich Abläufe verbessern? Wie können Kosten eingespart werden? Wie lässt sich der Service erhöhen?
Die Konzentration auf prozessuale Themen führt dazu, dass zu wenig über die Organisation aller Tätigkeiten, die man mit Supply-Chain-Management verbindet, nachgedacht wird. In vielen Unternehmen sind diese Tätigkeiten auf verschiedene Unternehmensbereiche verteilt und unterstehen keinem einheitlichen Management. Von einer Steuerung der Wertschöpfungskette aus einem Guss sind viele Unternehmen auch in der Chemiebranche noch weit entfernt.
Um die Supply-Chain optimal zu organisieren, müssen Unternehmen sieben Schritte durchlaufen. Nur so lassen sich die angestrebten prozessualen Verbesserungen auch in die Tat umsetzen. Denn nicht selten scheitern die Bemühungen daran, dass sie nicht hinreichend in der Unternehmensorganisation verankert sind.
Schritt 1: Umfang der Supply-Chain-Aktivitäten festlegen
In einem ersten Schritt muss definiert werden, welche Tätigkeiten überhaupt in den Zuständigkeitsbereich der zukünftigen Supply-Chain-Organisation fallen sollen. Dabei ist vor allem zu klären, wie mit den Funktionen Einkauf und Produktion zu verfahren ist. Chemieunternehmen entscheiden sich häufig dafür, diese Funktionen nicht in eine Betrachtung ihrer „End-to-End"-Supply-Chain-Aktivitäten einzubeziehen. Der Grund sind spezielle Mechanismen und Vorgaben wie etwa das Rohstoff-Trading im Einkauf oder Sicherheitsbestimmungen in der Produktion, die man in einer eigenen Organisationseinheit besser aufgehoben glaubt. Abgesehen davon gibt es jedoch eine Vielzahl von Tätigkeiten, die in den Zuständigkeitsbereich einer eigenständigen Supply-Chain-Organisation gehören.
Schritt 2: Rolle der Supply-Chain-Organisation klären
Im nächsten Schritt gilt es, die grundsätzliche Rolle der Supply-Chain-Organisation zu bestimmen. So kann sich etwa der zentrale Teil der Supply-Chain-Organisation auf eine pure „Richtlinienrolle" und damit auf die Sicherstellung der festgelegten Standards für die definierten Supply-Chain-Aktivitäten beschränken. Die Ausführung obliegt dann den Geschäftseinheiten. Beim entgegengesetzten Modell sind Richtlinienkompetenz und Ausführung in einer Organisationseinheit gebündelt. Dieses Modell, bei dem sämtliche operativen Tätigkeiten bei einer Person - meist dem COO - zusammengefasst sind, wird mit dem Begriff „One Operations" umschrieben.
Schritt 3: Ausmaß der Zentralisierung festlegen
Der Grad der Zentralisierung der Supply-Chain ergibt sich wesentlich, wenn auch nicht ausschließlich, aus den beiden zuvor beschriebenen Schritten. Beschränkt sich die zentrale Supply-Chain-Organisation auf eine Richtlinienkompetenz, lassen sich bestimmte Tätigkeiten schwerer zentralisieren. Die Frage, welche Supply-Chain-Tätigkeiten im Einzelnen zentral ausgeführt werden sollten und welche nicht, ist vor allem anhand dreier entscheidender Kriterien zu beantworten: Synergien, Effizienz und Know-how.
Synergien lassen sich z:B. im globalen Versand von Produkten durch Schiffe nur durch eine globale Steuerung erreichen, während ein Versand durch Lkw regional oder national zu steuern ist. Effizienz durch Zentralisierung ergibt sich, wenn eine Tätigkeit deutliche Skaleneffekte aufweist und damit die Zusammenfassung von Mitarbeitern in einer Region zu einer höheren Produktivität führt. Das Kriterium des Know-hows kann sowohl für als auch gegen eine Zentralisierung sprechen. Zum einen ist es vorteilhaft, kritisches Know-how zu bündeln, um den Wissenstransfer zu erleichtern. Zum anderen kann das Know-how aber auch regionale oder nationale Besonderheiten aufweisen, was dann wiederum gegen eine zu starke Zentralisierung spricht.
Schritt 4: Organisationsmodell definieren
Nachdem in den ersten drei Schritten Aufgaben, Selbstverständnis und Umfang der Supply-Chain-Organisation festgelegt wurden, kann nun das Modell der Organisation grundsätzlich definiert werden. Dabei geht es um die Frage, ob die Organisation sich an Regionen, an Funktionen oder an Produkt-/Kunden-/Technologiesegmenten ausrichten soll. Die Entscheidung über diese Frage sollte auf der Grundlage sehr sorgfältiger Analysen erfolgen. Es gilt zu verstehen, welche Marktanforderungen durch die Supply-Chain-Organisation unterstützt werden sollen. Als Faustregel sollte gelten: Für jeden Entscheider im Business muss die neue Supply-Chain-Organisation einen geeigneten Ansprechpartner zur Verfügung stellen. Derartige Erfolgsgespanne werden das Rückgrat der zukünftigen Zusammenarbeit zwischen Supply-Chain-Organisation und Business bilden.
Schritt 5: Sachliche und personelle Entscheidungen über Organisationseinheiten treffen
Sobald das grundsätzliche Organisationsmodell feststeht, kann im Detail über konkrete Einheiten entschieden werden, beispielsweise über den konkreten Zuschnitt der Regionen. Ebenso wichtig wie eine Diskussion über diese Einheiten ist die rasche Ernennung bzw. Rekrutierung der zukünftigen Stelleninhaber. Ihnen kommt die entscheidende Rolle darin zu, am Reißbrett entwickelte Strukturen mit Leben zu füllen.
Schritt 6: Reporting-Strukturen festlegen
Die Frage, wer an wen berichten soll, erhitzt erfahrungsgemäß in Diskussionen über zukünftige Organisationsstrukturen die Gemüter am meisten. Allein deswegen empfiehlt es sich, diese Frage nicht über zu bewerten. Viele Entscheidungen, welche die Reporting-Strukturen betreffen, sind durch die vorangegangenen Schritte ohnehin bereits getroffen. Bei allen Erörterungen von Details des Reportings darf der grundlegende Erfolgsfaktor, nämlich ein gemeinsames Zielverständnis zwischen der Supply-Chain-Organisation und dem Business, nicht aus dem Blick geraten. Entsteht der Verdacht, die Supply-Chain-Organisation verselbständige sich innerhalb des Unternehmens auch aufgrund ihrer Reporting-Strukturen, dann ist an die Erzielung eines echten Wettbewerbsvorteils durch die Supply-Chain kaum mehr zu denken.
Schritt 7: Entscheidungen über räumliche Schnittstellen treffen
Last, but not least ist eine ebenfalls immer wieder leidenschaftlich diskutierte Frage zu entscheiden: Wer sitzt wo - nicht nur innerhalb eines Bürogebäudes, sondern auch global? Die neue Supply-Chain-Organisation muss geeignete Schnittstellen der Kooperation schaffen. Je besser in einer Organisation kommuniziert wird - und das funktioniert nach wie vor am besten durch räumliche Nähe -, desto effektiver wird auch gearbeitet.
Eine optimal aufgestellte Supply-Chain-Organisation ist der entscheidende Eckpfeiler für eine wettbewerbsfähige Wertschöpfungskette. Sie trägt wesentlich dazu bei, ob Kunden das Unternehmen als serviceorientierten Partner wahrnehmen oder nicht. Daher überrascht es, dass diesem Thema von den verantwortlichen Managern deutlich weniger Aufmerksamkeit gewidmet wird als prozessualen Fragen. Die vorgestellten sieben Schritte - von der grundsätzlichen Klärung der Supply-Chain-Aktivitäten über die Definition der Rolle der Supply-Chain-Organisation bis hin zu Fragen der Personalrekrutierung, des Reportings und der räumlichen Schnittstellen - bilden die entscheidende Grundlage für ein erfolgreiches Management der Supply Chain. So gelingt es, dass Business und Operations nicht neben- oder gar gegen-, sondern miteinander arbeiten.