Authentifizierung und Manipulationsschutz
Fortschritte in der NFC-Technologie erhöhen nicht nur die Arzneimittelsicherheit
Darunter leiden Umsatz, Kundenvertrauen und Patientensicherheit. Fortschritte im Bereich der Nahfeldkommunikation (Near Field Communication, NFC) verbessern den Echtheitsschutz und den Erstöffnungsnachweis von Arzneimitteln. In smarten Medikamentenverabreichungssystemen eingesetzt, unterstützt die Technologie zudem das Gesundheitspersonal und die Patienten bei der Umsetzung einer effektiven Medikation.
Die WHO stuft Arzneimittelfälschungen als eine der dringlichsten Herausforderungen für das Gesundheitswesen für die nächsten zehn Jahre ein. Sie schätzt, dass etwa 10 % aller weltweit verkauften Medikamente gefälscht sind. Typische Ziele sind Impfstoffe, Krebsmedikamente und Antibiotika, aber auch stark nachgefragte Produkte wie Vitamine und Nahrungsergänzungsmittel. Mit der zunehmenden Globalisierung der Lieferketten und dem wachsenden Anteil des elektronischen Handels nimmt das Problem weiter zu.
Herkömmliche Methoden der Fälschungsbekämpfung sind oft ineffektiv Um Arzneimittelfälschungen zu bekämpfen, verwenden Pharmaunternehmen in der Lieferkette die Serialisierung auf Artikelebene mit Data-Matrix-Codes. Diese statischen Codes bieten jedoch keinen ausreichenden Schutz vor Fälschungen und decken nicht die „letzte Meile“ der Auslieferung an den Patienten ab. Sie erfordern auch eine direkte Sichtverbindung und verfügen nicht über Hightech-Funktionen wie Sensorik.
Mit NFC-Tags versehene Medikamente können über NFC-fähige Geräte digital authentifiziert und mögliche Manipulationen an ihnen erkannt werden. Weltweit sind heute rund 3,4 Mrd. NFC-fähige Geräte, vor allem Smartphones, in Gebrauch. In Echtzeit erhält der Nutzer ein eindeutiges Ergebnis, das ihm anzeigt, ob es sich um ein Originalprodukt handelt. Der Pharmahersteller überwacht Backend-Informationen, um potenzielle Fälschungen oder Graumarkaktivitäten zu identifizieren.
NFC-Tags zur Authentifizierung verfügen neben ihrer eindeutigen Identifikationsnummer über spezielle elektronische Sicherheitsmerkmale. Einige der neuesten Tags sind mit einer sicheren, eindeutigen NFC-Authentifizierungsnachricht (SUN) für die Web-Authentifizierung ausgestattet, die sich mit jedem Auslesen mit einem NFC-Gerät dynamisch ändert. Durch Hinzufügen der eindeutigen ID, eines Zählers und zusätzlicher Daten zu der programmierten NFC-Nachricht, die mit einem kryptografischen Authentifizierungscode geschützt ist, kann nur ein Original-Tag eine gültige SUN-Nachricht generieren. Jeder mit einem solchen smarten E-Tag ausgestatte Artikel kann zuverlässig authentifiziert werden, während seine digitalisierte Erstöffnungsindikation gegen Manipulation geschützt ist.
Durchgängige Transparenz der Lieferkette
Jedes Etikett hat eine eigene, eindeutige Identität und kann über die gesamte Lieferkette hinweg authentifiziert und nachverfolgt werden. Mit Hilfe von Geolokalisierung und cloudbasierter Tracking-Intelligenz lassen sich Fälschungen oder unerlaubte Marktumleitungen leichter erkennen, da jeder – vom Markeninspektor über Arzt oder Apotheker bis zum Verbraucher – die Echtheit und Unversehrtheit des Produkts überprüfen kann.
Darüber hinaus bieten einige Sicherheitsetiketten eine gegenseitige kryptografische Authentifizierungsoption, die sicherstellt, dass nur ein autorisiertes Lesegerät oder ein autorisierter Server auf gespeicherte sensible Etikettendaten zugreifen kann. Produktspezifische Daten können somit in der gesamten Lieferkette vor unerlaubtem Zugriff geschützt werden.
Verankerung von Menschenrechten und Nachhaltigkeit im Lieferkettengesetz
Das ist auch deshalb wichtig, weil am 1. Januar 2023 in Deutschland das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), kurz oft als Lieferkettengesetz bezeichnet, in Kraft tritt. Es verpflichtet Unternehmen mit Niederlassungen in Deutschland, ihre Lieferketten einer Sorgfaltsprüfung im Hinblick auf den Schutz von Menschenrechten und Umwelt zu unterziehen. Bei Verstößen drohen hohe Bußgelder, eine Einschränkung des Marktzugangs und weitere Rechtsfolgen. Eine fälschungssichere Nachverfolgbarkeit liegt somit auch im wirtschaftlichen Eigeninteresse betroffener Unternehmen.
Immer mehr Kunden beziehen zudem ESG-Kriterien in ihre Kaufentscheidungen ein und sanktionieren Anbieter bei Verstößen. So fordert etwa die AOK bei der Ausschreibung von Arzneimittelrabattverträgen von Pharmaherstellern und deren Zulieferern die Einhaltung von Umwelt- und Arbeitsschutzstandards. Wer sie nicht gewährleistet, riskiert Nachteile. Deutsche Pharmaunternehmen arbeiten deshalb seit längerem daran, ihr Lieferkettenmanagement zu verbessern. Maßnahmen wie die Pharmaceutical Supply Chain-Initiative erfordern die Transparenz und Rückverfolgbarkeit, die NFC-Tags ermöglichen.
Zwei Methoden als Erstöffnungsnachweis
Manipulationssichere Etiketten mit einer leitfähigen Verbindung können während der Herstellung auf pharmazeutische Verpackungen aufgebracht werden. Wenn die leitfähige Schleife des Etiketts bricht, wird beim Auslesen mit einem NFC-Gerät die Indikation „geöffnet“ unwiderruflich in den Speicher des Tags geschrieben und die Statusmeldung an die Cloud gesendet.
NFC-Tags mit kapazitiver Manipulationserkennung können direkt in Verpackungen wie Flaschenverschlüsse integriert werden, um einen noch besseren Schutz zu bieten. Solche Tags messen die Kapazitätsänderung und vergleichen sie mit vorkonfigurierten Grenzwerten, wenn sie von einem NFC-Smartphone ausgelesen werden. Bei Überschreitung dieser Grenzwerte wird der Status „geöffnet“ zur dynamischen SUN-NFC-Meldung hinzugefügt, wodurch die Herstellung der ursprünglichen kapazitiven Struktur des Tags durch einen Betrüger wesentlich erschwert wird.
Therapietreue von Patienten erhöhen
Nach Angaben der WHO halten sich in Industrieländern durchschnittlich nur 50 % der Patienten an eine langfristige Medikamenteneinnahme. Oft werden z.B. die Erneuerung eines Rezepts oder die Einnahme einer Dosis vergessen oder Dosierungsanweisungen nicht richtig verstanden. Auch hier können NFC-Tags Abhilfe schaffen.
Durch ihre interaktive Anwendungen unterstützen NFC-Tags die Medikamenteneinnahme und Adhärenz eines Patienten. Angebracht an eine Primärverpackung, wie z B. Pen oder Autoinjektor, können die Tags einen Link zu Medikamentenanweisungen, Anleitungsvideos und Informationen wie Verfallsdatum oder mögliche Nebenwirkungen aufrufen, wenn man mit einem Smartphone auf diese tippt. Mit einer App können Patienten auch tägliche Erinnerungen für ihre Medikamente einrichten. Über ein „Schloss-und-Schlüssel“-Prinzip können ein nachfüllbares medizinisches Gerät und seine Verbrauchsmaterialien zudem eindeutig einander zugeordnet werden, um die Verwendung von Originalprodukten sicherzustellen. Das Gerät, z.B. ein Injektionsgerät wie ein Insulin-Pen, ist mit einem NFC-Lesegerät ausgestattet, das ein mit einem NFC-Tag versehenes Verbrauchsgut, z.B. eine Patrone, und dessen gespeicherte Daten automatisch und kontaktlos ausliest. Dies erhöht die Patientensicherheit bei Selbstmedikation, reduziert Anwendungs- und Dosierungsfehler, und verhindert den Einsatz von abgelaufenen, falschen oder gefälschten Medikamenten.
Erinnerungsfunktion und Feststellung der Haltbarkeit
Das Lesegerät kann auch aufzeichnen, wann das Medikament eingenommen wurde, und verbunden mit einem Mikrocontroller und einer Displayanzeige in einem medizintechnischen Gerät, den Nutzer benachrichtigen, wenn es bald ersetzt werden muss. Durch eine zusätzliche Bluetooth-Verbindung können die Daten mit dem Mobiltelefon des Patienten synchronisiert oder in der Cloud gespeichert werden, um den individuellen Therapieverlauf zu verfolgen und auf Wunsch Rückmeldungen von einem Arzt zu erhalten.
Die passive NFC-Technologie mit kapazitiver Sensorik kann auch eingesetzt werden, um den Füllstand von Medikamenten in undurchsichtigen Primärverpackungen zu überprüfen und die Patienten via App daran zu erinnern, ihre Vorräte aufzufüllen. Hightech-NFC-Tags mit einem integrierten Sensor, Mikrocontroller und einem großen nichtflüchtigen Speicher unterstützen sogar intelligente Temperaturmessungen: Ein Insulininjektionsstift kann so signalisieren, wenn die Dosis Raumtemperatur erreicht hat, damit die Injektion für den Anwender weniger schmerzhaft ist.
Autorin: Sylvia Kaiser-Kershaw, Senior Global Marketing Management, Connectivity & Security, NXP Semiconductors
„Herkömmliche Methoden der Fälschungsbekämpfung sind oft ineffizient.“
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Zur Person
Sylvia Kaiser-Kershaw ist Senior Global Marketing Manager in der Business Line Connectivity & Security bei NXP Semiconductors. Mit über 20 Jahren Erfahrung in verschiedenen Märkten, darunter Technologie, Konsumgüter, Gesundheitswesen und Vorsorge, ist sie Expertin für die Definition und Umsetzung von Markenstrategien. Sie hat einen MBA-Abschluss von der Webster University und war u. a. in namhaften Kommunikationsagenturen tätig. Bei NXP treibt sie seit 2014 NFC-IoT-Anwendungen voran, die die Interaktion zwischen Marken und Verbrauchern durch digitale Konnektivität, Sicherheit und Intelligenz für physische Produkte verbessern.
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