Alterungserscheinung steriler Reinraumbekleidung
Wie oft lässt sich Reinraumbekleidung dekontaminieren und autoklavieren?
Der Mensch zählt bekanntermaßen in reinen Umgebungen zu den größten Kontaminationsquellen – unabhängig davon, ob es sich um rein partikulär überwachte Bereiche handelt oder um mikrobiologisch kontrollierte Zonen. Dass somit der Reinraumbekleidung eine entscheidende Schutzfunktion zukommt, reine Prozesse vor den entsprechenden Kontaminationen ausgehend vom Menschen und seiner persönlichen Bekleidung zu schützen, belegte bereits eine sehr umfangreiche Studie aus dem Jahre 2002, die in einer sogenannten Body-Box durchgeführt wurde.
Die damalige Studie befasste sich mit der Frage, wie viele Partikel ein Mitarbeiter in Abhängigkeit von der jeweils getragenen Kleidung und der durchgeführten Bewegung pro Minute abgibt. Die Ergebnisse sind in Tabelle 1 zusammengefasst. Die aus mikrobiologischer Sicht daran anschließende Frage „Kann man aufgrund dieser Zahlen auch auf mögliche Keimzahlen rückschließen?“ konnte zum damaligen Zeitpunkt noch nicht mit Messergebnissen beantwortet bzw. belegt werden. Zu dem Thema gibt es einige Veröffentlichungen, die einen Zusammenhang theoretisch herleiten, eine Studie mit Messergebnissen ähnlich der Messungen zur Partikelabgabe gab es jedoch bis dato nicht. Dieser Aufgabenstellung hat sich Dastex gewidmet und im Jahre 2015 eine entsprechende Studie, wiederum mit der sogenannten Body-Box-Messmethode, durchgeführt. Die Daten sind in Tabelle 2 zusammenfassend dargestellt. Hier konnte gezeigt werden, dass bei Personen, die eine große Zahl an Partikeln abgegeben haben, ebenfalls eine erhöhte Zahl mikrobieller, lebensfähiger Kontaminationen erfasst wurde. Eine direkte Korrelation jedoch war nicht nachzuweisen.
Die messtechnische Basis für die Studie aus dem Jahr 2015 und auch für die hier vorgestellte, neue Untersuchung war die Nutzung eines relativ neuen Messgerätes der Firma TSI: Der BioTrak 9510-BD. Mithilfe dieses Echtzeit-Luftkeimzählers ist es nun möglich, luftgetragene Keime quantitativ zu erfassen und bei Bedarf die gesammelten Keime zu analysieren. Eine Besonderheit des BioTraks ist, dass nicht nur luftgetragene Keime quantitativ erfasst werden können, sondern gleichzeitig auch luftgetragene partikuläre Verunreinigungen. Es kann somit zwischen lebensfähigen und nicht lebensfähigen Partikeln unterschieden werden.
Die hier vorgestellte Studie befasst sich mit der Erfassung von luftgetragenen Partikeln und mikrobiellen Kontaminationen, die von Personen in definierter Reinraumbekleidung in Relation zum Alterungsgrad der Bekleidung abgegeben werden. Die definierte Bekleidung wurde hierbei im Zustand „neu“ – nach einmaliger Dekontamination und Sterilisation der Oberbekleidung – und im Zustand „alt“ – nach 60-maliger Dekontamination bzw. Sterilisation der Oberbekleidung untersucht.
Methode, Materialien und Versuchsablauf
Die Body-Box-Messmethode lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Die Body-Box weist eine Grundfläche von 1,20 x 1,20 m bei einer Höhe von 2,40 m auf. Die Decke ist vollflächig mit FFU versehen, die in Kombination mit einer speziellen Bodenkonstruktion eine annähernd turbulenzarme Verdrängungsströmung sicherstellen, sodass ein höchst reines Umfeld geschaffen werden kann. Die Messeinrichtung ermöglicht das Überwachen bzw. Einstellen konstanter Rahmenbedingungen in Bezug auf Temperatur, Luftfeuchte und Strömungsgeschwindigkeit.
Bereits nach relativ kurzer Vorlaufzeit werden konstante Umgebungsbedingungen geschaffen, die den Luftreinheitsklassen ISO3 / ISO4 entsprechen. Die jeweils vor jeder Messreihe durchgeführten Nullmessungen belegen die hohen Luftreinheitsklassen innerhalb der Body-Box. Betritt nun eine Person die Body-Box, sind somit alle erfassten luftgetragenen Verunreinigungen höchstwahrscheinlich von dieser Person und der jeweils getragenen Bekleidung. Eine zusätzliche Herausforderung für die anstehenden Messreihen im Hinblick auf die mikrobiologische Belastung war es, vor den jeweiligen Testreihen innerhalb der Body-Box, aber auch im Rückluftschacht bis hin zu den Messstellen, wo die Kontaminationen erfasst werden sollten, ein möglichst steriles Umfeld zu schaffen, um Kreuzkontaminationen und somit Messungenauigkeiten auszuschließen. Hierzu wurden an verschiedenen Stellen im Messsystem UVC-Lampen eingebaut. Vor den jeweiligen Messreihen mit steriler Reinraumbekleidung wurde somit das direkte Messumfeld mehrere Minuten lang mit UVC-Licht bestrahlt und so eine großflächige Desinfektion erreicht. Um sicherzustellen, dass die UVC-Lichtdesinfektion entsprechend erfolgreich war, wurde vor jeder Messung ebenfalls eine sogenannte Nullmessung durchgeführt, d. h. mithilfe des Zählers wurde über einen längeren Zeitraum die durchströmende Luft gemessen und somit nachgewiesen, dass keinerlei mikrobiologische Kontaminationen im Messumfeld vorhanden waren, bevor eine Person die Body-Box betrat.
Aufgrund der langjährigen Erfahrung mit der Body-Box-Messmethode wurden pro Person und Bekleidungssystem 10 Wiederholungsmessungen festgelegt. Nicht nur, dass jeder Mensch ganz unterschiedlich viele Partikel und / oder Keime abgeben kann, auch die Schwankungsbreite dieser abgegebenen Kontaminationen von ein und der selben Person ist sehr hoch. Daher ist es ratsam, möglichst viele Wiederholungen mit derselben Person und demselben Bekleidungssystem durchzuführen, um einen repräsentativen Durchschnittswert zu ermitteln. Trotz dieser vielen Wiederholungen ist die Standardabweichung bei allen Messungen nach wie vor hoch. Bei der späteren Interpretation der ermittelten Werte sollte dies nicht unberücksichtigt bleiben. Mithilfe der Body-Box-Messzahlen sind sicherlich keine Absolutwerte zu ermitteln, sondern „fundierte Abschätzungen“.
An dieser Studie beteiligt waren sowohl ein weiblicher als auch ein männlicher Proband unterschiedlicher Körpergröße. Zunächst wurden je Proband 10 Messungen mit der definierten Bekleidung, einmal dekontaminiert und autoklaviert (also im sogenannten Neu-Zustand), durchgeführt (1. Messreihe). Um mögliche Effekte durch die jeweilige Tagesform oder Stress aufgrund von Wiederholungen zu vermeiden, wurden die Messungen an mehreren Tagen durchgeführt.
Für die zweite Messreihe wurde die Testkleidung unter definierten Bedingungen mehrfach aufbereitet. Die Reinraumoberbekleidung wurde insgesamt 60 Mal dekontaminiert und autoklaviert. Die Zwischenbekleidung einmal dekontaminiert. Danach wurden wiederum je Proband 10 Messungen (nun im sogenannten Alt-Zustand) gemäß dem definierten Bewegungsprogramm durchgeführt. Die Ergebnisse sind in den Tabellen 3.1 und 3.2 zusammenfassend dargestellt und in Form von Balkendiagrammen aufbereitet. Die Messergebnisse sind, wie bei allen Body-Box-Messungen, jeweils auf einen Kubikmeter hochgerechnet. Aufgrund der großen Streuung bei den Einzelmessungen sind hierbei nur die Durchschnittswerte ausgewiesen.
Das Bewegungsprogramm besteht aus einer Akklimatisierungszeit von 5 Minuten sowie jeweils zwei Phasen mit Gehbewegungen auf der Stelle und zwei Phasen, in denen der Proband still steht.
Die für diese Studie verwendete Testbekleidung bestand aus folgenden Komponenten:
- für jeden Probanden 10 Bekleidungssets aus Ion-Nostat VI.2 bestehend aus Overall, Vollschutzhaube und Überziehstiefel
- für jeden Probanden ebenfalls 10 Sets einer reinraumtauglichen Zwischen- / Unterbekleidung aus Light-Tech II bestehend aus Oberteil Langarm und Hose
- für jede Einzelmessung wurden neue sterile Reinraumhandschuhe aus Nitril verwendet
- ebenfalls pro Einzelmessung wurde ein steriler, extra breiter Einwegmundschutz, dreilagig, mit definierter Filtrationsleistung getragen, der das Gesicht komplett abdeckte, sowie eine definierte Schutzbrille; es wurde vorab sichergestellt, dass keine offenen Hautpartien mehr am Gesicht zu erkennen waren
Ergebnisse
Nach 60 Reinigungs- und Sterilisationszyklen ist ein deutlicher Alterungseffekt bei der Bekleidung zu erkennen. Dieser Alterungseffekt der Bekleidung spiegelt sich in den Messergebnissen der Partikel und auch Keime wider. Ein leichter Anstieg der Partikelzahlen bzw. mikrobiologischen Kontaminationen zeigt, dass die Filtrationsleistung geringfügig nachgegeben hat. Der Rückgang der Filtrationsleistung ist keinesfalls so kritisch, dass jetzt schon ein Austausch der Reinraumoberbekleidung zwingend notwendig wäre. Allerdings zeigen die Messwerte durchaus, dass nach 10–20 weiteren Zyklen ein Austausch der Oberbekleidung höchstwahrscheinlich anzuraten wäre. Diese Ergebnisse decken sich mit den jahrelangen Voruntersuchungen in Bezug auf das Filtrationsverhalten des Textils nach definierten Reinigungs- und Sterilisationszyklen am ITV Denkendorf.
Bei näherer Betrachtung der Ergebnisse ist es ratsam, noch einige weitere Punkte mit in die Betrachtungen einzubeziehen:
- Die Reduktion der Filtrationsleistung ist mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ausschließlich auf den Sterilisationsprozess zurückzuführen, denn andere Untersuchungen mit gleicher Methode haben gezeigt, dass das gleiche Textil hinsichtlich der Filtrationsleistung stabilere Werte, auch bei höherer Anzahl von Dekontaminationszyklen, aufweist.
- Es ist anzunehmen, dass die reinraumtaugliche Zwischenbekleidung zumindest einen Teil der sinkenden Filtrationsleistung „kompensiert“. Ein weiterer Beleg, wie wichtig eine reinraumtaugliche Zwischenkleidung für ein Bekleidungssystem sein kann.
- Die Ergebnisse gelten nur für die in diesen Messreihen ausgewiesenen Textilien. Sie sind keinesfalls pauschal auf andere Reinraumtextilien übertragbar. Die bereits eingangs zitierte Studie aus dem Jahre 2015 belegt, wie unterschiedlich sich auf dem Papier ähnliche Reinraumtextilien in puncto Alterungserscheinungen und Filtrationseffizienz verhalten können.
Fazit
Die mit Hilfe dieser Studie ermittelten Messwerte sind ein weiterer Beleg dafür, dass ein Sterilisationsprozess Reinraumbekleidung vielmehr „schädigt“ als der reine Dekontaminationsprozess. Der an verschiedenen Literaturstellen empfohlene Richtwert von etwa 60 Sterilisationszyklen (bevor Reinraumoberbekleidung in aller Regel ausgetauscht werden sollte) konnte zumindest für diese Textilkombination im Grunde nachgewiesen werden. Für Endanwender ist es sicherlich ratsam, im Rahmen der eigenen Qualitätssicherung (bzw. Validierung des eigenen Bekleidungssystems) ähnliche Messreihen durchzuführen, insbesondere wenn es sich um abweichende Materialkombinationen handelt.
Literatur auf Anfrage
Info „Messmethode“.
Der BioTrak von TSI basiert auf der Autofluoreszenz-Methode. Mit Hilfe eines hochwertigen Diodenlasers einer bestimmten Wellenlänge (violettes Licht) wird die Fluoreszenz von Mikroorganismen angeregt.
Grundsätzlich ist der Aufbau dieses Zählers vergleichbar mit dem der bekannten optischen Partikelzähler. Der kurzwellige Laser für die Fluoreszenzanregung ist der signifikante Unterschied.
Erfasst werden neben den Luftkeimen mit aktivem Stoffwechsel und denen im Sporenzustand auch geschädigte und ggf. auch schon abgetötete Luftkeime. Folglich sind die zu erwartenden Messergebnisse höher als die Ergebnisse der konventionellen Methoden mit Nährböden.
Der wesentliche Vorteil dieser Methode ist, dass in Echtzeit gemessen wird und somit mögliche Abweichungen wesentlich früher erkannt und Korrekturmaßnahmen viel früher eingeleitet werden können.