NGP Polymers entwickelt neuartige Pharmapolymere für verbesserte Arzneistoffformulierungen
Polymerhilfsstoffe für die Pharmaindustrie
Wirkstoffe können ihre Aufgabe besonders gut erfüllen, wenn sie zur richtigen Zeit am richtigen Ort im Körper ankommen. Um dies zu gewährleisten, werden die Wirkstoffe mit Hilfsstoffen zu hocheffizienten Medikamenten formuliert. Allerdings ist die Auswahl verfügbarer polymerer Hilfsstoffe begrenzt. Um dieses Spektrum zu erweitern, entwickelt, produziert und vermarktet Next Generation Pharma Polymers (kurz: NGP Polymers) neuartige Polymerhilfsstoffe für verschiedene Anwendungen in der Pharmaindustrie. Ulrich S. Schubert, Mitbegründer des Jenaer Start-ups, erläutert die Hintergründe und Ziele des Unternehmens.
CHEManager: Herr Schubert, wie entstand die Idee für das Start-up und was war die Motivation dahinter?
Ulrich S. Schubert: Als Professor für Organische und Makromolekulare Chemie beschäftige ich mich schon lange mit der Herstellung und Charakterisierung von polymeren Materialien für pharmazeutische/medizinische Anwendungen, insbesondere auch mit Poly(2-oxazolin)en (POx) als Alternative zum weitverbreiteten Polyethylenglykol (PEG). Momentan gibt es für die Formulierung von Wirkstoffen nur zwei Hände voll an zugelassenen Hilfsstoff-Polymeren, die sich jedoch nicht für alle Wirkstoffe eignen, so dass eine Vielzahl an vielversprechenden Wirkstoffen aufgrund der fehlenden ‚Schutzhülle‘ in der Schublade bleiben. Auch bereits verwendete Formulierungen haben noch Nachteile wie etwa die Verwendung von PEG, gegen das in vielen Menschen Antikörper vorliegen, oder eine zu geringe Beladung mit mRNA, um komplexere Krankheiten wie Krebs oder Gendefekte zu behandeln. Diese Herausforderungen wollen wir mit NGP Polymers angehen und so das Potenzial der polymeren Hilfsstoffe erschließen.
Wie genau wollen Sie die Entwicklung der neuen Hilfsstoffe vorantreiben und worin besteht die Kernkompetenz von NGP Polymers?
U. S. Schubert: Zunächst wollen wir im Rahmen eines vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz geförderten Verbundprojekts zur Erforschung effizienter und sicherer Speziallipide für mRNA-Medikamente die Hochskalierung verschiedener Polymerhilfsstoffe, die sich in Untersuchungen der Friedrich-Schiller-Universität Jena als vielversprechend herausgestellt haben, erreichen. Dabei ist die enge Vernetzung nicht nur mit der Universität Jena sondern auch mit den anderen Kooperationspartnern des Verbundprojekts – Universität Würzburg, ISAR Bioscience, Evonik und Bayer – von großem Vorteil, besonders in Hinblick auf die Verknüpfung verschiedenster Expertisen und Charakterisierungsmöglichkeiten. Somit sind die Wege geebnet für eine zeitnahe Zulassung der neuen Polymerhilfsstoffe zur Wirkstoffformulierung.
„Wir wollen dazu beitragen, dass Deutschland wieder etwas von
seinem früheren Status als Apotheke der Welt zurückerlangt.“
Darüber hinaus ist das enorme Potenzial des Standortes Jena sowie die ausgezeichnete Ausstattung an analytischen Geräten und Expertenwissen im Bereich Pharmapolymere sehr hilfreich. Durch die Übernahme von zwei Absolventen der Universität Jena als Mitarbeiter, die bereits auf dem Gebiet der Pharmapolymere und Poly(2-oxazolin)e promoviert haben, kann das Expertenwissen nun auch von NGP Polymers weiterverwertet werden. Darüber hinaus wird das Team durch technische Mitarbeiter ergänzt, die sich ebenfalls bestens auf dem Gebiet der Polymersynthese bzw. -charakterisierung und der Hochskalierung auskennen.
Wo werden die größten Herausforderungen bei der Etablierung der Hilfsstoffe liegen?
U. S. Schubert: Die größte Herausforderung wird darin bestehen, einen Syntheseprozess zu entwickeln, der es ermöglicht, definierte Polymerhilfsstoffe in größerer Menge unter kontrollierten Bedingungen und mit Arzneibuch-konformen Eigenschaften reproduzierbar herzustellen. Eine weitere Hürde, die wir parallel dazu bereits angehen, wird die Aufnahme der Monografien der Hilfsstoffe in das europäische Arzneibuch sein, und das in möglichst kurzer Zeit, um eine schnelle Zulassung von potenziellen Medikamenten zu ermöglichen. Diese Herausforderungen werden wir jedoch mit Hilfe des Expertenwissens und unserer Kooperationspartner meistern können. Die Coronapandemie hat auch in den zuständigen Behörden und Ministerien zu einem Umdenken geführt: Zulassungsprozesse müssen schneller und effizienter werden; und wir brauchen wieder eine verstärkte Produktion in Deutschland. Wenn diese Hürden überwunden sind, können die Erkenntnisse auch auf andere Polymerklassen übertragen werden, so dass sich das Produktspektrum noch erweitert. Wir wollen dazu beitragen, dass Deutschland wieder etwas von seinem früheren Status als Apotheke der Welt zurückerlangt.
Wie ist der momentane Entwicklungsstand und wie werden die nächsten Schritte von NGP Polymers aussehen?
U. S. Schubert: Aktuell ist die Optimierung der Hochskalierung in vollem Gange und uns liegen erste vielversprechende Ergebnisse vor. Darüber hinaus wurden auch die ersten Charakterisierungsmethoden optimiert. Der nächste Schritt wird die Produktion von ausreichend Material zur Übergabe an Kooperationspartner sein. Auch die Akquise von weiteren Projekten zur Erweiterung unseres möglichen Produktportfolios steht auf dem Plan.
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Zur Person
Ulrich S. Schubert ist Direktor des ‚Jena Center for Soft Matter’ (JCSM) und seit 2007 Lehrstuhlinhaber für Organische und Makromolekulare Chemie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Schubert absolvierte sein Chemiestudium in Frankfurt, Bayreuth, Richmond/Virginia und Tampa/Florida. Er promovierte 1995 an der Universität Bayreuth. Nach der Habilitation an der TU München nahm er Professuren an der LMU München und der TU Eindhoven an. Er hat bislang sieben Firmenausgründungen initiiert.
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Business Idea
Vom Polymer zum Hilfsstoff
Hocheffiziente Medikamente bestehen neben dem eigentlichen Wirkstoff zusätzlich aus Hilfsstoffen, welche u. a. dem Schutz und der Verteilung des Wirkstoffs im Körper dienen. Ein etabliertes Beispiel ist Polyethylenglykol (PEG), welches in einer Vielzahl von Medikamenten enthalten ist, um z.B. die Löslichkeit von Wirkstoffen zu erhöhen.
Polymere bieten als Hilfsstoffe großes Potenzial, da sie relativ einfach modifiziert und so an verschiedenste Anforderungen angepasst werden können. Eine Herausforderung dabei ist die Produktion der Polymerhilfsstoffe in größerem Maßstab, da die Synthese nicht einfach 1:1 auf größere Mengen übersetzt werden kann.
Das Ziel von NGP Polymers ist daher die Etablierung neuer, flexibler und qualifizierter Prozesse für die Herstellung der Hilfsstoffe im Großmaßstab, angelehnt an GMP-Leitlinien. Dabei stehen im Rahmen eines vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz geförderten Projekts zunächst Poly(2-oxazolin)-basierte Polymerhilfsstoffe im Vordergrund, die für die Formulierung von mit Nukleinsäuren (mRNA) beladenen Lipid-Nanopartikeln (LNP) zur Optimierung ihrer Eigenschaften eingesetzt werden sollen. Die Polymerhilfsstoffe werden so konzipiert, dass neben einer geringeren Hypersensibilisierung eine erhöhte mRNA-Beladung und Blutzirkulationszeit sowie eine verbesserte Lagerungsstabilität der LNP erreicht werden; zusätzlich mit der Möglichkeit die Polymere bioabbaubar zu machen (u.a. dann für Anwendungen als Ersatz der PEGylierung von Wirkstoffen). Parallel werden die Charakterisierung und die Produktion nach den Vorgaben des europäischen Arzneibuchs angestrebt, um eine möglichst schnelle Anwendung der Hilfsstoffe in Arzneistoffformulierungen zu ermöglichen.
Die Entwicklung von polymeren Hilfsstoffen mit unterschiedlichen Funktionalitäten, die flexibel miteinander und mit weiteren Komponenten kombiniert werden können, eröffnet ein breites Anwendungsspektrum in der Pharmaindustrie. Dabei wird die Vielfalt der Anwendungen hauptsächlich von den durch potenzielle Kunden entwickelten Wirkstoffen bzw. Nukleinsäuren bestimmt, so dass die von NGP Polymers hergestellten Polymerhilfsstoffe nicht nur bei Impfungen, sondern auch bei verschiedenen anderen Krankheitsbildern (u.a. Krebs) eingesetzt werden können.
NGP Polymers GmbH, Jena
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Elevator Pitch
Meilensteine und Roadmap
Das Start-up NGP Polymers wurde im Mai 2022 von SupraMAT Technologies bzw. Professor Ulrich S. Schubert und Georg Hochwimmer gegründet. Der operative Start mit den ersten zwei Mitarbeitern in den Bereichen Polymersynthese und Charakterisierung/GMP folgte im November 2022. Seit Januar 2023 wird im Rahmen des BASE-Lipid Projekts die Hochskalierung von verschiedenen neuen Polymerhilfsstoffen entwickelt. Parallel dazu wird die Charakterisierung für die Erstellung von Monographien nach Vorgaben des europäischen Arzneibuchs angestrebt. Dafür kann das Start-up nicht nur auf bereits patentierte Technologien und das breite Expertenwissen der Mitarbeiter und Gründer im Bereich der Polymere für biomedizinische Anwendungen zurückgreifen, sondern auch auf die Instrumente, Speziallabore und das Netzwerk der Friedrich-Schiller-Universität Jena.
Meilensteine
2022
- Gründung von Next Generation Pharma Polymers (NGP Polymers)
- Erste Finanzierungsrunde im sechsstelligen Bereich
- Operativer Start und Bezug erster Büroräume in der Ausgründungsetage des CEEC Jena I der Friedrich-Schiller-Universität Jena
2023
- Förderung des Projekts „Bioabbaubare, sichere und effiziente Speziallipide“ durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz
- Kauf von drei grundlegenden Patentfamilien der Friedrich-Schiller-Universität Jena durch NGP Polymers
Roadmap
2023
- Hochskalierung neuartiger Polymerhilfsstoffe
- Zweite Finanzierungsrunde
- Kauf weiterer Patentfamilien der Friedrich-Schiller-Universität Jena durch NGP Polymers; Einreichung weiterer Patentanmeldungen
2024
- Umzug in den Inkubator Lab2Fab des Technologie- und Innovationsparks Jena (direkt neben den universitären Neubauten)
- Etablierung der Charakterisierung nach europäischem Arzneibuch für die Erstellung von Monografien
2026
- Produktion neuartiger Polymerhilfsstoffe in Anlehnung an die Good Manufacturing Practice (GMP)
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