Forschung & Innovation

Nachhaltige Papieradditive

Neue Technologie senkt Umweltbelastungen und steigert Effizienz in der Papierindustrie

19.03.2025 - Papier ist von Natur aus ein nachhaltiges Material. Viele Papierprodukte müssen jedoch mit Additiven wie Nassfest- oder Leimungsmitteln behandelt werden, um ihre Eigenschaften für bestimmte Anwendungen zu verbessern.

Viele herkömmliche Papieradditive und -beschichtungen werden aus fossilen Rohstoffen hergestellt, können ein Gesundheitsrisiko darstellen oder die Rezyklierbarkeit erschweren. Das Darmstädter Start-up CeraSleeve entwickelt ein patentiertes Papieradditiv, das herkömmliche Nassfest-, und Leimungsmittel durch ein nachhaltiges Material ersetzt. Michael Reubold sprach darüber mit dem Gründerteam.

CHEManager: Wie begann die Geschichte von CeraSleeve, woher kam die Initialzündung?

Nicole Rath: Manche Entdeckungen passieren genau dann, wenn man sie am wenigsten erwartet. Während meiner Doktorarbeit sollte Papier eigentlich nur als Stützstruktur für eine Silica-­Membran dienen – doch plötzlich zeigte das mit Silica beschichtete Papier eine völlig unerwartete Eigenschaft: Es wurde wasserabweisend. Dieses Ergebnis war vollkommen kontraintuitiv und widersprach jeder Lehrbuchmeinung.

Das Experiment erwies sich als reproduzierbar und wir konnten das Material so weiterentwickeln, dass die Eigenschaften lokal einstellbar wurden. Eine Materialinnovation war geboren.

Als ich die Entdeckung später auf einer Fachkonferenz in den USA präsentiert habe, wurde ich von mehreren Besuchern aus der Papierindustrie gefragt: „Können wir das Produkt testen?“ In diesem Moment wussten wir, dass wir hier auf enormes Kommerzialisierungspotenzial gestoßen sind.

Auch wenn der Zufall geholfen hat, bedurfte es doch weiterer intensiver Forschung, um eine patentierte Technologie zu entwickeln. Wo stehen Sie derzeit bei der Prozess- und Produktentwicklung?

Mathias Stanzel: Nachdem wir die Technologie im Labor auf Herz und Nieren geprüft haben, stehen wir aktuell in der technischen Skalierung. Das, was wir im Labormaßstab bereits sehr gut können, bringen wir nun zusammen mit ersten Pilotkunden in den Industriemaßstab. Dabei testen wir unsere Technologie einerseits im industrierelevanten Umfeld und lernen gleichzeitig, welche Herausforderungen und Wünsche unterschiedliche Zielgruppen haben.

Worin unterscheidet sich Cera­Sleeve von traditionellen Papier­additiven, was sind die Vorteile?

M. Stanzel: Der größte gesellschaftliche Nutzen unserer Technologie liegt in der Recyclingfähigkeit: Kürzlich wurde durch ein unabhängiges Prüf­institut bestätigt, dass mit Cera­Sleeve modifiziertes Papier nach dem europäischen Standard CEPI 100 % recyclingfähig ist – ein Meilenstein, auf den wir stolz sind. Der Kunde profitiert durch Prozesseinsparungen und der Möglichkeit, sich mit einer wirklich nachhaltigen Materialinnovation vom Wettbewerb abzuheben. Cera­Sleeve ist also weit mehr als nur grün. Wir bieten dem Kunden eine klare Strategie für nachhaltiges Wachstum.

 

„Wir gehen technologisch einen völlig anderen Weg und denken Papierchemie neu.“

 

Wovon leitet sich der Name Cera­Sleeve eigentlich ab?

M. Stanzel: Der Name leitet sich von „Ceramic Sleeve“ ab, da wir eine hauchdünne Silica-Schicht um die Papierfasern legen. Dieser Ansatz unterscheidet uns fundamental von der Materialklasse und Funktionsweise herkömmlicher Nassfestmittel, die letztendlich Kunststoffe sind. Wir gehen hier technologisch einen völlig anderen Weg und denken Papierchemie neu.

In welcher Phase befindet sich das Start-up derzeit und welche nächsten Schritte stehen an?

Augustin Coreth: Wir haben CeraSleeve kürzlich gegründet und befinden uns in einer aufregenden Wachstums­phase. Der Fokus liegt darauf, die letzten Schritte in Richtung Markt­reife zu gehen und CeraSleeve zu einem wettbewerbsfähigen Produkt für den Massenmarkt zu machen. Mit der tollen Resonanz auf unsere Technologie sind wir überzeugt, dass Cera­Sleeve das Potenzial hat, die Industrie nachhaltig zu verändern – und wir freuen uns auf Partner, die diesen Weg gemeinsam mit uns gestalten wollen.

Was sind die größten Herausforderungen bislang gewesen und wie haben Sie diese gemeistert?

N. Rath: Die technische Skalierung stellt für uns nach wie vor die größte He­rausforderung dar. Unser Ziel ist es, CeraSleeve zu wettbewerbsfähigen Preisen auf den Markt zu bringen. Dabei verdanken wir unseren Pilotkunden enorm viel: Sie teilen nicht nur unsere Vision, sondern investieren auch erheblich in unser Scale-up, sowohl finanziell als auch durch wertvolles Feedback, das uns hilft, die Technologie weiterzuentwickeln.

Wo fanden Sie Unterstützung für Ihre Gründungsidee?

N. Rath: Eine wesentliche Grundlage für unsere bisherigen Erfolge ist die Unterstützung durch Roland Pelzer, unsere Professoren Annette Andrieu-Brunsen und Markus Biesalski sowie das Gründungszentrum Highest der TU Darmstadt, das uns von Anfang an mit Beratung und wertvollen Netzwerkkontakten begleitet hat. Auch Chemstars hat uns mit wertvollem Know-how und wichtigen Kontakten unterstützt, was uns geholfen hat, unser Netzwerk auszubauen und strategische Partnerschaften zu knüpfen.

Besonders stolz sind wir darauf, dass wir über Förderprogramme bereits mehr als 1,5 Mio. EUR eingeworben haben – eine Anschubfinanzierung, die es uns erlaubt, unsere Vision entscheidend voranzutreiben und die Papierindustrie nachhaltig zu transformieren.

Was ist Ihre Vision für CeraSleeve?

A. Coreth: Papier blickt auf eine über zweitausendjährige Geschichte zurück und hat sich bis heute als genialer Wertstoff erhalten. Wir machen eine Vielzahl an Papierprodukten nun endlich vollständig kreislauffähig und wollen so die Geschichte dieses außergewöhnlichen Materials weiterschreiben und mitgestalten. Wir wollen CeraSleeve zu einem Branchenstandard in der nachhaltigen Papiererzeugung machen.

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Zu den Personen

Nicole Rath, Gründerin und CTO von  CeraSleeve, promovierte in Chemie an der TU Darmstadt. Sie verfügt über langjährige Erfahrung in der Entwicklung innovativer Beschichtungstechnologien und leitete ein Industrieprojekt zur Erforschung nachhaltiger Papieradditive.

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Mathias Stanzel, Gründer und COO, promovierte in Chemie an der TU Darmstadt. Er ist anerkannter Experte für Sol-Gel-Chemie – der Technologie, auf der Cera­Sleeve basiert – und hat die ursprüngliche Forschung auf den heutigen Stand entwickelt und somit die Grundlage für die industrielle Anwendung geschaffen.

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Augustin Coreth, Gründer und CEO, verfügt über langjährige Erfahrung im Business Development. Er treibt die strategische Ausrichtung voran und entwickelt nachhaltige Marktstrategien um Cera­Sleeve als führende Lösung für kreislauffähige Papieradditive zu etablieren.

Lampe   Business Idea

Fortschritt und Nachhaltigkeit

Haben Sie schon einmal im Wald ein Taschentuch gesehen, das scheinbar schon ewig dort liegt, ohne sich aufzulösen? Oder denken Sie an ein Stück Küchenpapier, das selbst nach dem Aufwischen von Flüssigkeiten erstaunlich stabil bleibt. Was auf den ersten Blick praktisch erscheint, hat eine wenig bekannte Kehrseite: Diese Papiere enthalten sog. Nassfestmittel – chemische Additive, die Papier auch im feuchten Zustand reißfest machen. Doch genau diese Eigenschaft wird zum Problem, wenn es um Nachhaltigkeit und Umweltschutz geht.

Denn was stark gegen Nässe ist, ist ebenso stark gegen Recycling. Diese Papiere enthalten in der Regel Kunststoffe und sind in konventionellen Prozessen kaum wiederverwertbar. Daher landen sie häufig in der Müllverbrennung. In Deutschland allein entspricht der jährliche Verbrauch an nassfestem Papier einer Fläche von etwa 5.000 Fußballfeldern an abgeholzten Bäumen. Damit nicht genug: Herkömmliche Nassfestmittel basieren auf fossilen Rohstoffen, enthalten schädliche Nebenprodukte und belasten als mikrostrukturiertes Plastik unsere Umwelt – von der Produktion bis zur Entsorgung.

Hier kommt CeraSleeve ins Spiel. Das von dem Darmstädter Start-up entwickelte revolutionäre Papieradditiv macht Papierprodukte nassfest, ohne dabei ihre Recyclingfähigkeit und damit Kreislauffähigkeit zu beeinträchtigen. Dabei nutzt das Team eine hauchdünne Schicht aus Silica, um Papier reißfest und wasserbeständig zu machen. Die patentierte Technologie ermöglicht eine echte Kreislaufwirtschaft, bei der das Papier vollständig wiederverwertet werden kann. Damit schont CeraSleeve nicht nur Ressourcen, sondern bietet auch eine umweltfreundliche Alternative zu fossilen Rohstoffen und kunststoffbasierten Additiven.

Der Markt für Nassfestmittel wächst jährlich um mehr als 8 % und die Nachfrage nach nachhaltigen Alternativen steigt rasant. Mit einer klaren Vision und einer ambitionierten Produkt-Roadmap sieht sich CeraSleeve bestens positioniert, um diese Marktchance zu ergreifen. Über Förderprogramme hat das Team bereits mehr als 1,5 Mio. EUR eingeworben und will seine Vision weiter vorantreiben und die Papierindustrie nachhaltig transformieren.

CeraSleeve ist mehr als ein Produkt – es ist ein Versprechen für eine zirkuläre Wirtschaft, in der Fortschritt und Nachhaltigkeit Hand in Hand gehen.

Elevator   Elevator Pitch

Meilensteine und Roadmap

CeraSleeve, ein Spin-off der Technischen Universität Darmstadt, entwickelt ein patentiertes Papier­additiv, welches herkömmliche Nassfest- und Leimungsmittel durch ein Material ersetzt, das die gleiche Performance wie kommerzielle Produkte aufweist, aber mi­kroplastikfrei und recyclingfähig ist.

Meilensteine

2020-2022

  • Patenterteilung für Basistechnologie in Deutschland und der EU
  • Förderung über TU Darmstadt und Entega (Pioneer Fund)
  • Entwicklung einer wasserbasierten, mikroplastikfreien Lösung zur Erhöhung der               Nassfestigkeit
  • Anmeldung von zwei weiteren Patenten

2023

  • EXIST-Forschungstransfer-Förderung
  • Erste Versuche Rolle-zu-Rolle im Technikumsmaßstab (Kooperation mit Hochschule München)
  • Erteilung Basispatent in China

2024

  • Nachweis der vollständigen Rezyklierbarkeit nach EU-Standard (CEPI)
  • Erfolgreiche Versuche an Pilotmaschinen in Industriekooperation
  • Gewinner des Science4Life Venture Cup und 1. Platz beim Unite! Startup-Award

2025

Roadmap

2025

  • Zulassung als Lebensmittelkontaktmaterial
  • Erreichen des TRL 7 mit Pilotkunden
  • Abschluss einer Finanzierungsrunde
  • Registrierung des ersten markt­reifen Produkts für Nassfestigkeit
  • Konzipierung einer Onsite-Mischanlage
  • Erteilung Basispatent in den USA

2026

  • Bau und Inbetriebnahme Onsite-Mischanlage bei Pilotkunden
  • Weiterentwicklung der Technologie für wasserabweisendes Papier

2027

  • Markteintritt bei Lebensmittelverpackungen
  • Internationale Skalierung des Nassfestigkeitsprodukts

2028

  • Erweiterung des Produktportfolios für weitere nachhaltige Papieranwendungen

 

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Kontakt

CeraSleeve /Technische Universität Darmstadt

Peter-Grünberg-Straße 8
64287 Darmstadt
Deutschland