Forschung & Innovation

Nachhaltiges Textilrecycling

Re.solution entwickelt elektrochemischen Prozess zur Aufarbeitung polyesterhaltiger Mischmaterialien

11.12.2024 - Re.solution, 2023 als Start-up an der RWTH Aachen gegründet, entwickelt einen chemischen Recyclingprozess für polyesterhaltige Textilien.

Jährlich werden rund 70 Mio. t Polyesterfasern aus fossilen Rohstoffen für Kleidung, Heim- und technische Textilien produziert. Die meisten dieser Textilien bestehen aus Mischmaterialien und landen nach ihrer Nutzungsdauer entweder auf Deponien oder werden verbrannt, da wirtschaftliche Optionen zur Verwertung fehlen. Um eine skalierbare Alternative zu schaffen, hat das Team von Re.solution einen chemischen Recyclingprozess für polyesterhaltige Textilien entwickelt. Re.solution wurde 2023 als Start-up-Projekt an der RWTH Aachen gegründet. CEO Amrei Becker und CTO Marcel Gausmann erläutern ihre Idee und Vision.

CHEManager: Wer steckt hinter Re.solution und was hat Sie zur Gründung eines Start-ups bewogen?

Amrei Becker: Re.solution besteht aus den beiden Verfahrenstechnikern Marcel Gausmann und Christian Kocks, unserem Betriebswirt Hendrik Winckler, und mir, Amrei Becker, Textiltechnikerin. Zum ersten Mal getroffen haben wir uns bei einem Storytelling Workshop für Doktoranden an der RWTH Aachen. Wir haben schnell festgestellt, dass sich einige Herausforderungen in der Textilindustrie, wie zum Beispiel das Recycling von Mischmaterialien, mit Entwicklungen aus der Verfahrenstechnik lösen lassen.

Marcel Gausmann: Nach ersten Laborversuchen und einem gemeinsamen Forschungsprojekt haben wir gemerkt, dass das chemische Recycling von Polyestertextilien mittels Hydrolyse, kombiniert mit einer elektrochemischen Aufarbeitung, wirtschaftliches Potenzial hat. Um diese Innovation von der Universität in die Industrie zu bringen, war relativ schnell klar: Wir wollen gründen!

Was unterscheidet Ihren Prozess von anderen Recyclingverfahren?

M. Gausmann: Das Hydrolyseverfahren ist wasserbasiert und damit ideal geeignet, um Mischtextilien zum Beispiel aus Polyester und Baumwolle zu verarbeiten. Die Lösungsmittelverluste zum Beispiel durch Restfeuchte in den Baumwollfasern stellen bei vielen chemischen Recyclingverfahren ein Problem dar. Das ist bei Hydrolyseverfahren weniger problematisch – nasse Wäsche zu trocknen ist ja nicht schwer. Wir haben darüber hinaus ein patentiertes Verfahren zur elektrochemischen Aufreinigung der Terephthalsäure entwickelt, bei dem die ungewollte Herstellung von Salzabfällen vermieden werden kann.

Wo steht Re.solution jetzt?

A. Becker: Zurzeit betreiben wir eine Miniplant im Labor, mit der wir etwa 0,5 kg Terephthalsäure pro Tag produzieren können. Gleichzeit planen wir unseren nächsten Skalierungsschritt in Form einer Pilotanlage, wofür wir noch auf der Suche nach Investoren sind. Auf der organisatorischen Seite sind wir unter anderem in Gesprächen mit Textilsammlern und -sortierern, um unseren Feedstock zu sichern, oder sprechen mit Pilotkunden, die unsere recycelten Monomere Terephthalsäure und Ethylenglykol nutzen.

Was sind im Moment die größten Herausforderungen?

M. Gausmann: Wir testen aktuell vor allem die technologischen und ökonomischen Grenzen unseres Verfahrens. Eine große Herausforderung ist die Vielfalt von Fasermischungen, Farbstoffen, Beschichtungen, Kurzwaren und so weiter in Textilien. Man muss sich als Chemie­ingenieur erst daran gewöhnen, mit Rohstoffen zu arbeiten, deren chemische Zusammensetzung zum Teil unbekannt ist. Darum brauchen wir ein sehr robustes Verfahren, mit einer hohen Feedstock-Flexibilität. Um die Robustheit unseres Prozesses sicherzustellen, testen wir viele Materialien und schauen uns auch gezielt die möglichen Verunreinigungen an.

A. Becker: Auch die Finanzierung, das Engineering und die Standortfrage für unsere Pilotanlage beschäftigen uns zurzeit. Hier führen wir spannende Gespräche mit verschiedenen Partnern aus den unterschiedlichsten Bereichen.

Was ist Ihre Vision für Re.solution?

A. Becker: Unsere Vision und unser Antrieb ist die Überzeugung, dass wir mit unserer Technologie einen entscheidenden Beitrag leisten können, dass polyesterhaltige Alttextilien zukünftig nicht mehr verbrannt oder deponiert, sondern recycelt werden. Wir wollen eigene Recyclinganlagen bauen, aber auch anderen Recyclern ermöglichen, unsere Technologie für die salzfreie Aufarbeitung von Terephthalsäure zu lizensieren.

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Zu den Personen

Amrei Becker, Mitgründerin und CEO von Re.solution, hat an der RWTH Aachen Textiltechnik studiert und promoviert am Institut für Textiltechnik im Bereich Chemiefasertechnik/Schmelzspinnen. In ihrer Doktorarbeit beschäftigte sie sich mit Textilsortierung mittels Nahinfrarotspektroskopie und der ökologischen Bewertung verschiedener Recyclingverfahren für polyesterhaltige Alttextilien.

Marcel Gausmann, Mitgründer und CTO von Re.solution, studierte Maschinenbau und Verfahrenstechnik an der RWTH Aachen und promovierte am Lehrstuhl für Fluidverfahrenstechnik. Während seiner Promotion arbeitete er im Kopernikus-Projekt Synergie mit. Seit 2022 leitet er eine Arbeitsgruppe zu elektrochemischen Trennverfahren mit dem Forschungsziel, Aufarbeitungsverfahren in der chemischen Industrie zu elektrifizieren.

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 Lampe   Business Idea

 

Textil-zu-Textil-Recycling

Nach Angaben der EU-Kommission endet weltweit jede Sekunde eine Lastwagenladung Alttextilien auf der Deponie oder in der Verbrennungsanlage. Re.solution hat es sich zur Aufgabe gemacht, eine zirkuläre Wertschöpfungskette für recyceltes Polyester aus Textilabfällen zu etablieren.
Herkömmliche Recyclingtechnologien stehen vor Herausforderungen bei der Rückgewinnung von Fasermischungen, der Wirtschaftlichkeit des Prozesses und der Produktqualität. Um diese Herausforderungen zu meistern, hat das Aachener Start-up eine chemische Recyclingtechnologie für polyesterhaltige Textilien entwickelt, die ein hochwertiges Textil-zu-Textil-Recycling ermöglicht.
Mit einem wasserbasierten Hydrolyseverfahren zerlegt das Team Polyesterfasern effizient in ihre Grundbestandteile und nutzt einen elektrochemischen Prozess, um die Monomere Terephthalsäure und Ethylenglykol nachhaltig aufzureinigen. Das Verfahren von Re.solution recycelt sowohl Chemikalien als auch Wasser innerhalb des Prozesses, sodass der Verbrauch an Chemikalien und Frischwasser reduziert und die Wirtschaftlichkeit verbessert wird. Zudem entstehen weniger feste Abfälle und Abwässer als bei ähnlichen Verfahren. Während andere Hydrolyseverfahren die Terephthalsäure mittels Säure-Basen-Fällung zurückgewinnen, produziert das Re.solution-Verfahren die benötigten Protonen und Hydroxidionen direkt im Prozess elektrochemisch und vermeidet so die Bildung von Salzabfällen.
Der proprietäre Prozess nutzt erneuerbare Energie und erzielt so bei niedrigerem Chemikalien- und Wasserverbrauch einen geringeren CO2-Fußabdruck als vergleichbare Verfahren. Außerdem löst er für das Textilrecycling typische Herausforderungen wie die Wiederverwertung von Mischfasern und das Entfernen von textilspezifischen Verunreinigungen. 
Dank seiner Robustheit und der hohen Produktqualität ist das Verfahren wettbewerbsfähig gegenüber der fossilbasierten Polyesterherstellung. Das Start-up wird derzeit vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und der Europäischen Union im Rahmen eines Exist-Forschungstransfers gefördert, um die Technologie weiter zu skalieren.
Mit dieser wegweisenden Lösung macht Re.solution das Textilrecycling ökologisch und wirtschaftlich nachhaltig, sodass das Verbrennen von Textilien bald der Vergangenheit angehören könnte.

Logo

Re.solution GmbH, Aachen
www.resolution.technology

 Elevator   Elevator Pitch

 

Meilensteine und Roadmap
 

Re.solution wurde 2023 als Start-up an der RWTH Aachen gegründet. Die grundlegende Idee entstand aus einer Zusammenarbeit der Aachener Verfahrenstechnik (AVT) und des Instituts für Textiltechnik (ITA). 
Das langfristige Ziel sind die Entwicklung und der Betrieb von Anlagen im industriellen Maßstab, die dazu beitragen, die Nachhaltigkeitsziele der Textilindustrie mit Hilfe von zirkulären und preiswerten Rohstoffen aus recycelten polyesterhaltigen Textilien zu erreichen.


Meilensteine

  • 2021
    – Idee eines elektrochemischen Recyclingverfahrens für PET
    – Versuchsaufbau aus einer geliehenen Elektrolysezelle und Glasgeräten aus dem Institutskeller
    – Erste Machbarkeitsversuche

 

  • 2022
    – Patentanmeldung
    – Forschungsprojekt zum Technologie-Benchmark von chemischen Recyclingverfahren für Textilien
    – Gewinner im AC²-Gründungswettbewerb

 

  • 2023
    – Start der Förderung durch den Exist Forschungstransfer
    – Gründung der Re.solution GmbH

 

  • 2024 
    – Aufbau und Inbetriebnahme einer Miniplant für das Recycling von PET aus Mischtextilien
    – Gewinner des Achema-Gründerpreis
    – Erste Versuchskampagnen zur Gewinnung von Mustermengen und zum Testen der Recyclingfähigkeit von Textilien


Roadmap

 

  • 2025
    Pre-seed-Finanzierungsrunde
    – Standortentscheidung für die Pilotanlage im semi-industriellen Maßstab
    – Baubeginn der Pilotanlage

 

  • 2026
    – Betrieb der Pilotanlage
    – Kommerziell verfügbare Mustermengen 
    – Seed-Finanzierungsrunde

 

  • 2027
    – Engineering für First-of-a-kind Worldscale-Anlage
    – Liefer- und Abnahmeverträge 
    – Genehmigungsverfahren und Baubeginn der Worldscale-Anlage

 

  • 2029+
    Elektrochemisches Textilrecycling im industriellen Maßstab
    – Internationalisierung
    – Markterschließung durch Partnerschaften und Lizensierung

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Re.solution GmbH

Forckenbeckstraße 51
52074 Aachen
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